Dienstag, 13. Dezember 2016

Brief 252 vom 13.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                                Konstanz, 13.12.41                                   

Heute bekam ich Deine lieben Briefe vom 7. und 10.12. Ich war sehr froh darüber.
Du mußt Dir wirklich keine Gedanken machen, daß Du in diesem Jahr nichts für mich zu Weihnachten hast. Wir hatten uns ja ausgemacht, daß wir uns zusammen einen Radioapparat kaufen wollten. Du hast mir so viel in den letzten Jahren geschenkt, daß es viele, viele Weihnachtsgeschenke ausmachen würde. Ich konnte dir ja schon im vergangenen wie auch in diesem Jahr so gut wie gar nichts schenken. Die Kinder freuen sich ja sehr auf Weihnachten, das sollen sie auch, aber für mich wird es wohl das traurigste Weihnachten meines bisherigen Lebens. Du weißt ja, Weihnachten ist bei mir d a s  Familienfest. Nun bist Du zum Fest nicht bei uns und außerdem habe ich in diesem Jahr nun meine Mutter verloren. Es ist vielleicht Dummheit, aber erst seit ihrem Tod kommt es mir vor, als sei meine Kindheit richtig, unwiederbringlich vorbei. Bisher war ich doch noch ihr Kind. Meinem Vater gegenüber habe ich das Gefühl nicht.
Früher war es nicht so, aber jetzt kommen mir immer so viele Erinnerungen in den Sinn, wie wir Mama zum Geschäft abgeholt haben, oder wie wir sie dort besucht haben, wie sie uns auf dem Heimweg auf unsere Bitten hin öfter so Gummipuppen zum essen gekauft hat usw.  Vor allem denke ich daran, wie sie mir öfter so über`s Gesicht gestrichen und „Du dummes Hascherl“ gesagt hat. Ich meine es manchmal jetzt noch zu spüren. Nun wollen ja die Kinder so oft von früher „wo ich klein war“ hören.
Früher hatte ich gar nicht viel Lust dazu, da war es noch gar kein richtiges „Früher“ für mich. Das ist nun anders und ich bin manchmal richtig froh, wenn ich ihnen erzählen kann. Sie wollen ja alles genau hören und wenn möglich, alles öfter mal. Das erleichtert mir etwas das Herz. Lachst Du mich deshalb aus?
Heute kam noch das Päckchen 35 mit Mandarinen an. Sie sind wieder alle gut angekommen und wir danken Dir sehr dafür. Sie schmecken wirklich fein.
Mit dem Tabak und den Zigarren habe ich es so gemacht, daß ich Papa mehrere Zigarren, die Zigaretten und das kleine Päckchen Tabak geschickt habe, während ich für Vater das große Tabakpaket und auch Zigarren habe. Er raucht sie ja auch gern, darum habe ich an Papa nicht alle geschickt. Wie Du schreibst, schickst Du ja nochmals etwas Tabak.
Was ich Dir für eine Kleinigkeit zu Weihnachten geschickt habe, ist eigentlich kein großes Geheimnis. Hoffentlich machst Du Dir keine großen Vorstellungen und bist dann sehr enttäuscht.
Wegen des Mantelstoffs kannst Du doch mal an Siegfried schreiben, ob wer ihn Erna schenken will. Soviel ich weiß, hat Erna auch nicht zu viel anzuziehen. Wenn er dann nicht will, werden wir ja weiter sehen. Vielleicht könnten wir ihn dann für Helga aufheben. Aber frage erst mal bei Siegfried an, oder meinst du nicht? Für Helga und Jörg wollten wir ja auch noch einen Mantelstoff besorgen, oder meinst Du, das wird nicht nötig sein? Besser wäre es vielleicht doch, denn nächstes Jahr wird der eine Jörg sicher nicht mehr passen. Sollte es natürlich nicht möglich sein, werden wir uns auch so weiterhelfen.
Die Filzschuhe für die Kinder gefallen mir gut. Zum Rumrutschen sollen sie aber auch nach Weihnachten noch die alten abtragen, damit die neuen eine Weile schön bleiben. Da haben sie wenigstens etwas Richtiges.
Von den Mandeln ohne Schale,  die schon angekommen waren, habe ich den Kindern zum Nikolaus auch einige dazu getan, sowie ein paar Würfelzucker, ein Stück Kandiszucker und das andere, was ich Dir schon schrieb. Sie sind also nicht zu kurz gekommen.
Ich glaube schon, daß sich die Kinder später auch gern an Weihnachten erinnern werden. Weißt Du noch, wie wir früher immer herumgelaufen sind, um für das wenige Geld, das uns zur Verfügung stand, doch etwas Richtiges für die Kinder zu kaufen? Weißt Du noch, wie froh wir waren, als wir das Schaukelpferd für Jörg erschwingen konnten? Er hat es jetzt noch gern und hat es schon wieder längere Zeit vom Speicher geholt. Auf der diesjährigen Messe habe ich ihm noch eine kleine Peitsche dazu gekauft, da spielt er jetzt öfter Reiter oder Kutscher. Wir haben ja immer zugesehen, daß wir den Kindern eine Freude machen konnten.
Wenn Du wirklich noch ein kleines Püppchen bekommen könntest, wäre ich ja froh, denn mit Spielsachen kommt Helga diesmal ganz zu kurz. Bekommen tun die Kinder zu Weihnachten nun Folgendes:
Helga: 2 Kleider                     Jörg: 2 Hosen      
           1 Unterrock                          1 Pullover      
           1 Höschen                            1 Paar Strümpfe     
           1 Paar Strümpfe                   1 Paar Hausschuhe      
           1 Paar Hausschuhe              1 kl. Farbkasten m.Wasserfarben      
           1 kl. Farbkasten                   1 Zeichenblock      
           1 Zeichenblock                    1 Buch v. Papa      
           1 Buch v. Papa                     1 Spiel von Dir      
              Puppenkleider                      Würfelspiel von Frau Diez
           1 Polohemd.
 Dazu  Bonbons, die ich noch von Kurt aufgehoben habe, sowie ein paar Pralinen und Gebäck. Ich glaube, daß der Weihnachtstisch doch wieder reichlich ausfällt. Wenn ich ja jetzt einkaufen ginge, bekäme ich bestimmt fast nichts mehr. Spielwaren gab es eben die ganze Zeit her schon nicht, darum konnte ich nichts besorgen.
Bei uns hier ist die ganze Zeit schon Vorweihnachten. Die Kinder haben ja ihre Adventskalender Die Puppen müssen natürlich auch einen haben. So haben sie den ältesten bekommen, der noch da war.
Da macht Jörg`s Kind, sein Bärle, die Heidemarie, so heißt er, immer ein Fenster auf und erzählt dann immer, was im Fensterle zu sehen ist. Das Bärle steht bei Jörg noch in hohen Ehren. Eine Krippe habe ich Jörg auch schon vom Speicher holen müssen. Da stellt er immer eine Kerze dahinter, wenn wir abends zusammen sitzen. Jetzt sagte er eines Tages, daß er ein schönes Lied gelernt habe, ob er mir`s einmal vorsingen dürfte. Und so sang er denn den ersten Vers von „o Tannenbaum“. Ganz stolz und voll Begeisterung hat er`s getan. Er hat nun gelernt „wie treu deine Blätter“ und nicht wie „grün“. Da haben wir es natürlich „ganz falsch“ gesungen und „wissen es gar nicht richtig“. Wenn wir nun am Abend verschiedene Lieder singen, sagt er immer nach einer Weile „aber ich weiß ein viel schöneres, soll ich`s singen“. Und dann singt er immer wieder mit derselben Freude „o Tannenbaum“.
Vor einigen Tagen sind die Kinder doch noch geimpft worden. Heute mußten ihre Puppen dasselbe erleben. Jörg hat ein kleines Fläschchen von Backöl genommen und etwas Wasser hineingetan. Oben in den Kork hat er eine Nähnadel mit der Örseite gesteckt, so daß er mit der Spitze den Puppen in die „Haut“ stechen konnte. Helga kam dann mit allen Stoffpuppen und den Bären an. Manche haben natürlich beim Impfen auch geschrien, während die meisten tapfer waren.
Wie Helga sagte, hat ihre Handarbeitslehrerin gesagt, sie können nach den Weihnachtsferien wieder in ihre richtige Schule. Am Freitag fingen sie schon an umzuziehen. Ich wäre ja froh, wenn sie nicht mehr so sehr weit fort müßte.
Ich schrieb Die doch gestern, daß bei den Sachen von Mama hohe Schuhe dabei waren. Das ist dasselbe Leder, wie bei unseren hohen festen Schuhen. Helga`s hohe Schuhe haben auch dasselbe Leder. Diese Schuhe bekommt nun Jörg, da seine hohen Schuhe ganz dünnes Schuhleder haben, und Helga zieht die von Mama an. Es ist Nr. 37 Da kann sie richtige dicke Socken drunter ziehen. Für nicht so sehr schlechtes Wetter muß Jörg natürlich auch noch seine anderen anziehen.
Heute habe ich nun das Paket an Papa und Erna weggeschickt. Ich habe nur eine kurze Karte beigelegt. Ich will sehen, daß ich morgen zum Briefschreiben komme.
Wir haben seit ein paar Tagen wieder eine Maus im Keller. Die paar Gläser Marmelade, für die ich keine Holz zum Zudecken hatte, hat sie angefressen. Als die nun weg waren, hat sie bei den Flaschen mit Stachelbeeren usw. die Korken mit dem Wachs angefressen. Wir haben jetzt beide Fallen aufgestellt. Mal sehen, ob sie sich fängt. So eine Maus im Keller ist eine richtige Plage.
Bei uns ist das Wetter seit ein paar Tagen ziemlich mild. Wir haben sogar in der Küche eine ganze Zeit das Fenster offen lassen können. Wegen dem heizen ist es einem ja schon recht, wenn es noch mild ist.
Laß mich nun für heute wieder schließen und sei recht, recht fest gegrüßt und geküßt, Du lieber Ernst, von Deiner Anni.



Sonntag, 11. Dezember 2016

Brief 251 vom 10./11./12.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                                        Konstanz, 10.12.41                 

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 6.12., der mir ja eine große Enttäuschung gebracht hat, denn nun ist es ja bestimmt, daß Du zu Weihnachten nich heim kannst. Du hattest mir ja keine Hoffnung gemacht, aber trotzdem war es für mich bitter. Ein bißchen Hoffnung hatte ich immer noch. Zu Neujahr wird es ja wohl auch nichts werden, nicht wahr? Was ich über den dafür Verantwortlichen denke, darf ich garnicht schreiben. Wenn man wüßte, es geht absolut nicht, würde man sich noch hineinfinden, aber wenn man sieht, es ist nur böser Wille, da könnte man gerade dazwischenschlagen. Vielleicht sind sie bei dem zuhause froh, wenn er nicht da ist und er meint, bei anderen muß es ebenso sein. Hoffentlich findet dieser Mann noch mehr Sachen, wo er anderen die Freude verderben kann. Manchmal ist mir jetzt das Schlafen das liebste, im Traum sehe ich Dich wenigstens öfter. Wegen mir brauchte garnicht Weihnachten sein, aber den Kindern soll es nicht verdorben werden. Ein richtiges Fest wird es ohne Dich ja sowieso nicht. - Briefmarken schicke ich Dir wieder mit. Wenn ich es noch richtig weiß, habe ich Dir in der letzten Woche noch einmal 3 oder 4 geschickt, sodaß Dir vielleicht vorübergehend geholfen ist. - Wie ich Dir ja schon schrieb, ist es numöglich, für Erne eine Kuchenplatte zu bekommen. Ich wollte mir ein paar Schüsseln kaufen. Auch das gibt es nicht. Wir müssen bis später warten. - Für Helga habe ich ja einen Mantel genäht. Weißt Du, aus was ich den gemacht habe? Erinnerst Du Dich an den Mantel, den mir Frau Lämmel mal gemacht hatte? Der Stoff war von meiner Mutter. Da der Mantel so verhunzt war, habe ich mir ein Kleid daraus gemacht. Dann, als die Ärmel nichts mehr waren, hat es ein Hängerkleid gegeben. Ich ziehe es ja jetzt nicht mehr an, da ich andere Sachen habe. Daraus ist der Mantel für Helga geworden. Wenigstens das Rumpfteil. Die Ärmel habe ich aus Helgas Faltenrockk gemacht, der ihr viel zu klein war. Ebenso den Kragen und die Taschen. Große, dunkelblaue Knöpfe verzieren das Ganze . Es sieht nicht etwa zusammengestückelt aus , sondern es wirkt sehr gut, dieses matte Braun und Blau. - Gestern und heute habe ich Schürzen für Helga genäht. Vielleicht erinnerst Du Dich an die blau und weiß gemusterten 4 Schürzen, die Helga vor mehreren Jahren von Kurt bekam. Paula hatte sie genäht. Die waren ihr nun zu klein geworden und auch teilweise sehr zerrissen. Da raus sind nun 2 geworden, natürlich ganz anders in der Form. Dann habe ich ihr noch aus einem Rest, den ich noch da hatte, eine richtige Schürze zum Schaffen gemacht. Dann noch aus einem Kunstseidenrest, der einmal Vorhang und später ein Kleid von mir war, eine bessere Schürze. Nun habe ich noch 2 Schürzen von mir da, die zerrissen sind, aber für Helga doch noch was ergeben, dann ist sie wieder für eine Weile versorgt. - Du stellst ja schöne Sachen an, gleich den Tisch mit Radio, Lampe usw. umzuschmeißen. Du wirst sicher erleichtert gewesen sein, als nichts weiter kaputt war. Lachen habe ich aber bei Deinem Bericht schon müssen. Ich habe mir die Situation richtig vorstellen können. - In Siegfrieds Brief schreibst Du, daß für Erna sicher Nr. 46 für eine Bluse richtig ist. Ich glaube, sie braucht höchstens 42 oder 44. Erna ist doch ganz schlank. - Daß ich 16,.- Weihnachtsgeld bekomme, habe ich zwar nicht gelesen, aber gesehen, denn gerade heute Morgen sind sie mir gebracht worden. Soll ich sie sparen, je 4 M für Helga und Jörg und 8,- für uns? Oder soll ich Dir vielleicht alles oder die Hälfte nächsten Monat mitschicken? Schreibe mir bitte, wie Du`s willst. - Papa hat vergangenen Freitag noch ein Paket mit Sachen von Mama an mich abgesandt. Er teilte es mir heute durch Karte mit. - Hast Du eigentlich den Brief von mir schon bekommen, worin ich Dich um Umschläge bat? Ich war heute ganz erstaunt, als schon welche bei den Zeitungen lagen, die Du geschickt hast. Ich habe doch, glaub ich, erst später drum geschrieben. Ich danke Dir jedenfalls sehr dafür. - In der Zeitung, die Du mir immer schickst, fängt ja jetzt ein neur Roman an, der in Überlingen spielt. Den werde ich sicher lesen. - Jörg ist heute geimpft worden, Helga kommt morgen dran. Bei Jörg ist wieder ein Vorderzahn rausgegangen, der nächste schiebt sich schon durch. Jetzt sieht unser Bursche wieder lustig aus mit seiner Zahnlücke. Man muß direkt lache, wenn man ihn ansieht. - Laß mich nun wieder schließen. Ich will noch in die Stadt fahren, um die Briefmarken zu besorgen. - Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                                    Konstanz, 11.12.41

Ich komme heute erst um 5 Uhr zum schreiben, daich mir vorher die Reichtagsrede angehört habe. Nun haben wir also auch mit Amerika Krieg. Ach, Ernst, wie lange wird dieser Krieg noch dauern. Er war natürlich nötig, das wissen wir ja, auch jetzt mir Amerika. Eines Tages wäre es ja doch soweit gekommen. Der Rosevelt hat ja schon lange gehetzt. Aber manchmal hat man doch große Sehnsucht nach Frieden, wenn man auch nicht nachgeben darf, denn von 1918 haben wir ja gelernt. Ich habe ja eigentlich auch nichts zu klagen, ich habe Euch noch gesund und wir haben, vor allem auch dank Deiner Liebe, noch immer reichlich Kleidung und zu essen. Und doch ist es mir manchmal schwer. Du bist mir bitte nicht böse, daß ich das schreibe, aber Du bist mir doch der Nächste und zu anderen Leuten möchte ich nichts sagen. - Einen Brief habe ich heute nicht von Dir erhalten, aber das Päckchen 32 mit dem Spielzeug für Jörg. Angesehen habe ich es mir noch nicht, da es erst vorhin angekommen ist. Aber die Federn habe ich Jörg gegeben. Der hat eine große Freude daran. Ich habe vorhin schon einmal das Schreiben unterbrechen müssen, damit ich ihm einen Stutz mache. Anmalen muß ich ihm nachher noch. Das Päckchen habe ich natürlich im Schlafzimmer ausgepackt, damit es die Kinder nich gesehen haben. - Gestern brachte mir Vater 4 Pfund Mehl. Ich schrieb Dir  ja schon einmal davon, daß er mir welches geben wollte. Ich habe ihm dafür ein paar Mandeln, ein paar Rosinen und 1/4 Pfund Butter gegeben. Nun habe ich heute noch etwas Kleingebäck gebacken und Anfang nächster Woche will ich noch ein paar Stollen backen. Aber höchstens 2 oder 3 kleine. Wenn ich den Zucker von Dir nicht gehabt hätte, wäre es mir nicht möglich gewesen, ein paar Mal zu backen. Das hat mir schon sehr viel geholfen. - Von Siegfried bekam ich heute eine Weihnachtskarte. Er schreibt, da er sicher Weihnachten draußen feiert, will er jetzt schon schreiben. Ich muß ihm auch noch eine Karte oder Brief schreiben, ebenso auch an Alice und an Tante Agnes, sowie an Dora. An Papa schicke ich etwas Gebäck und ein kleines Buch von äDer kleinen Büchereiä. Mehr kann man jetzt nich schenken, denn man bekommt ja nichts weiter. - Laß mich nun für heute schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni. - Ich schicke Dir heute nochmal  5  20Pfg-Marken. Gestern habe ich 10 Stück mitgeschickt.

Mein liebster Ernst!                                                           Konstanz, 12.12.41

Um 9 Uhr ist es schon geworden und jetzt komme ich erst zum schreiben. Es war heute so ein unruhiger Tag und ich bin eigentlich nur den ganzen Tag herumgerannt und doch zu nichts gekommen. Am Morgen habe ich Lebensmittelkarten geholt und eingekauft. Als ich wieder daheim war, kam Dein liebes Päckchen 34 mit Mandarinen. Da haben wir ein paar gegessen, die wunderbar geschmeckt haben. Dann  habe ich Essen gekocht und Jörg hat gegessen, weil er zur Schule mußte, ehe Helga daheim war. Später kam Helga und wir haben zusammen gegessen. Als ich noch beim Aufräumen war, kam der Briefträger und brachte Dein Päckchen 33 mit Zigarren und Tabak, ein Riesenpaket von Leipzig mit Sachen von Mama. Darunter waren auch hohe, feste Halbschuhe, die Helga bald passen und ein Paar lederne Hausschuhe, die ihr überhaupt schon soweit passen. Bis ich ausgepackt, sortiert und verpackt bezw. untergebracht hatte, vering eine ganze Weile. Dann war auch noch ein Päckchen von Frau Diez gekommen mit einem Spiel und Hemdchen für Jörg. Sie schreibt, daß bei ihrer Tochter alle Kinder Scharlach hatten und daß ich deshalb ihren Brief verbrennen soll, damit keine Ansteckung erfolgt. Ich habe ihn einstweilen beiseite gelegt, denn ich muß ihn doch wenigstens beantworten. Als ich soweit mit allem fertig war, kam Frau Ehret und sagte, daß im Königsbau Christbäume verkauft werden. Das Gedränge sei nicht so groß. In der Standt fängt der Verkauf am Montag an und da bringen sie einen ja immer fast um. Also sind wir dann auch noch dahin gepilgert und haben ein kleines, sehr nettes Bäumchen für 90 Pfg erstanden. Das haben wir einstweilen im Speicher aufgehängt. Ich muß sagen, daß ich heute Abend  direkt abgekämpft bin. Morgen muß ich noch die Lebensmittelkarten anmelden und auch das Päckchen für Papa und Erna fertig machen. Ein paar Zeilen muß ich noch dazu schreiben. - Einen Brief habe ich auch heute noch nicht von Dir bekommen. Das ist mir ganz ungewohnt und ich habe gleich nicht die richtige Ruhe in mir. Das Schönste vom Tage ist eben  doch ein Brief von Dir. - Da ich den Brief noch fortschaffen will, schließe ich nun schon. Es wird sonst zu spät. Hoffentlich bekomme ich morgen wieder ein Brief von Dir. - Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Brief 250 vom 8./9.12.1941

Mein liebster Ernst!                                                                                       8.12.41                                                                     

Heute Vormittag erhielt ich Deine beiden lieben Briefe vom 4. und 5. und das Päckchen mit Kunsthonig, Nr. 30. Aus Deinen Briefen habe ich mit Freude ersehen, daß Du mir nicht böse bist, weil ich ein paar Tage nicht geschrieben habe und daß Du den Grund auch gleich gewußt hast. Darüber bin ich sehr froh. Über den Honig freue ich mich sehr. Den kann ich sehr gut brauchen. Da kann ich für Weihnachten noch etwas Kleingebäck backen. Du bist doch ein ganz lieber Kerl, daß Du mir auch das geschickt hast. (Daß ich vor 2 Tagen das Päckchen 31 erhalten habe, schrieb ich Dir doch schon?) Jetzt warte ich nun auf die nächsten Päckchen und hoffe, daß sie gut ankommen. Daß Jörg die Fasanenfedern nicht brauchen könnte, brauchst Du nicht befürchten. Jörg kann alles brauchen. Das hat sich von früher her nicht geändert.
Nebliges Wetter haben wir in letzter Zeit nicht gehabt. Es war soweit ganz ordentlich. Gestern regnete es ja noch gegen Abend und heute Morgen war Glatteis. Jetzt ist es schon ziemlich abgetrocknet.. Das erste Weihnachtspäckchen hast Du also schon erhalten. Ich hoffe, daß die von uns auch rechtzeitig eintreffen. Aber es sind ja noch 2 1/2 Wochen bis dahin.
Jetzt möchten sie Dir also auch Vorschriften wegen dem Brief schreiben machen. Aber eigentlich haben sie doch dazu kein Recht. Wir sind doch nicht die Einzigen, die sich täglich schreiben und es besteht darüber keine Vorschrift. Ich bin immer so froh darüber, wenn ich einen Brief von Dir bekomme. - Du stellst mich ja schon hin, wenn Du schreibst, ich soll die gesandten Bilder aufheben, auch wenn sie mir nicht gefallen. Habe ich denn schon mal welche weggeschmissen? O, am liebsten möchte ich Dich zur Strafe richtig an den Haaren raufen. Aber ich hole es nach, wenn Du wieder auf Urlaub kommst. Im Übrigen sind die Bilder doch nicht so schlecht. D.h. auf dem einen habe ich Dich fast nicht erkannt. Dafür ist aber das andere, wo Du lachst, desto schöner. Ich werde die Bilder also mit zu den anderen legen.
Jörg legt Dir heute einen Zettel bei, auf dem er Dir aufgeschrieben hat, welche Buchstaben er schon kann. Den Satz darunter habe ich ihm buchstabieren müssen, wie es geschrieben wird, weil er es doch richtig schreiben wollte. Vorschreiben brauche ich es ja jetzt nicht mehr.
Von Elsa bekam ich heute auch einen Brief. Sie schreibt, daß Gerhard am Tage vorher nach 14 tätigem Urlaub wieder fortgefahren sei. Es sei furchtbar, wieder allein zu sein und sie habe schon den ganzen Tag geheult. Da sei es hinterher ein bißchen leichter. Elsa empfindet es jetzt zum ersten Mal richtig. Sonst konnte sie Gerhard immer mal besuchen und als er dann nach Frankreich kam, empfand sie es erst gar nicht so schwer, weil sie immer gewöhnt war, ihn bald wieder zusehen. Diesmal ist es nun anders. Zu Weihnachten kommt er ja nun auch nicht nach hause.
Am Mittwoch wird Jörg zum 2. Mal gegen Diphterie geimpft. Bei Helga ist noch nichts gesagt worden, aber sie wird wohl auch in den nächsten Tagen dran kommen.
Nun hat ja Japan auch Krieg mit England und noch dazu mit Amerika. Dabei geht der Krieg gegen China schon 4 Jahre. Ich bin ja gespannt, wie das alles weiter geht. Mit einem baldigen Ende des Krieges kann man ja nicht rechnen.  Laß mich nun für heute schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                                  Konstanz, 9.12.41

Einen Brief habe ich heute Vormittag nicht bekommen. Ob am Nachmittag einer kommt, weiß ich noch nicht, denn es ist erst 1/2 3 Uhr. Ich habe ja aber gestern 2 bekommen, da kann ich nun heute nicht bestimmt darauf rechnen.
Von heute ist gar nicht viel zu berichten. Ich bin heute nur einkaufen gefahren und am Mittag haben wir rohe Klöße gegessen. Viel anderes war nicht los. Heute, nach dem Briefschreiben, will ich noch nähen. Ich will für Helga ein paar Schürzen machen, denn sie hat nur noch 2 ganz gute und die sind für alle Tage nichts. Außerdem will ich für ihre Puppen ein paar Sachen nähen. Sie hat mich schon so oft darum gebeten und ich will ihr nun endlich einmal diesen Wunsch erfüllen. Verschiedene Reste habe ich ja dafür da.
Jetzt habe ich nun doch noch einen Brief bekommen. Und zwar, nachdem ich gestern die vom 4. und 5. bekam, den vom 3.12. Da hast Du ja das Adventspäckchen bekommen, wenn auch nicht rechtzeitig. Die Hauptsache ist, es hat Dich noch gefreut. Fertige Kartons werde ich also nicht mehr schicken. Wenn du aber sonst etwas brauchst, was ich besorgen kann, so schreibst Du mir.
Scheinbar verstehst Du Dich mit dem Inspektor jetzt etwas besser als am Anfang. Ich glaube, Dir ist es nur recht, wenn Du mit den Leuten auskommen kannst. Wie ich Dir schon schrieb, haben sich die Kinder über den Nikolausbrief sehr gefreut. Es war schon richtig, daß Du ihn geschrieben hast. Ich habe Dir ja schon geschrieben, was sie zum Nikolaus bekommen haben.
Mit den Tabakwaren werde ich es so machen, wie Du es geschrieben hast. So hat dann jeder was.
Sollte der Film „Dorf im roten Sturm“ später noch Mal hier gespielt werden, so sehe ich ihn mir an, wenn er so gut ist. Von nächster Woche ab wird es wahrscheinlich Christbäume geben. Ich werde zusehen, daß ich einen richtigen erwische. Das wird ja wieder einen Sturm geben. Wenn es gibt, möchte ich nur einen kleineren, damit nicht die ganze Stube verbaut ist.
Nimm heute mit dem kleinen Brief vorlieb und laß mich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Brief 249 vom 7.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                             Konstanz, 7.12.41                                             

Ich kann jetzt auch sagen, „Du sammelst feurige Kohlen auf meinem Haupt.“ Ich bekomme Deinen lieben langen Brief vom 1./2.12., in dem Du die Hoffnung aussprichst, bald wieder einen Brief zu bekommen und ich habe 4 Tage nicht geschrieben und weiß, daß Du noch ein paar Tage hast vergeblich warten müssen. Das tut mir sehr weh. Ich könnte mich richtig ohrfeigen, daß ich in meiner großen Freude nicht geschrieben habe. Hoffentlich bist Du mir nicht mehr böse, denn ich denke, daß Du Dich erst wohl sehr geärgert haben wirst.
Die Filzschuhe für die Kinder sind ja schon angekommen. Sie werden sicher passen. Anprobieren kann ich sie ja noch nicht, wenn sie für Weihnachten bestimmt sind. Wenn Du ja noch ein paar besorgst, nimm sie nur nicht viel kleiner, die Kinder können lieber noch ein paar Strümpfe drunter ziehen. Für Helga nimm sie nicht kleiner. Ich bin ja mit Filzschuhen gut versorgt, wenn Du sogar noch ein Paar für mich dort hast.
Bei dem Cognac hatte ich mir auch schon gedacht, daß Du ihn hättest brauchen können, wenn Du den Kurs mitgemacht hättest, da Du da keine große Flasche mitschleppen brauchst. Vielleicht kannst Du sie noch nächstes Jahr brauchen. Vor mir ist der Cognac ja sicher, ich habe noch nicht einmal die erste Flasche Rotwein ausgetrunken. Ich muß mich mal wieder dahinter setzen. Ich habe nur nicht viel Genuß davon, vor allen Dingen allein.
Wenn man es so überlegt, haben wir schon allerhand Geld dort ausgegeben. Aber wir waren ja vorher mit Kleidung usw. sehr schlecht versorgt, weil wir früher einfach das Geld nicht hatten. Wir habe uns ja auch vorgenommen, nicht mehr viel zu kaufen, wenn wir die Sachen besorgt haben, die wir aufgeschrieben haben. Man muß die Sachen  ja auch richtig versorgen können, damit sie nicht kaputt gehen. Ich glaube Dir gern, daß Du Dich manchmal fragst, wo das Geld geblieben ist. Aber Du hast sehr recht, wenn Du schreibst, daß Du mir durch Deine Besorgungen viel geholfen hast. Ich habe noch nie lange auf der Bezugscheinstelle warten müssen, wie es so viele jetzt müssen, wo wegen Wintersachen Hochbetrieb ist. Ich bin auch sehr froh darüber und möchte Dir immer wieder für Deine viele Mühe danken.
Ich bin auch der Meinung, daß wir uns bei Papa, Siegfried und Erna in nichts hineinmischen. Ich hoffe, daß sie schon miteinander auskommen werden.
Von den Inspiroltabletten werde ich also vorläufig keine mehr besorgen.
Zu essen habt Ihr ja bei Eurem Besuch wieder genug bekommen, bei den Leuten geht es noch nicht knapp zu. Ich gönne es Dir ja gern, daß Du wieder einmal richtig futtern konntest. Vor allen Dingen ist es eine schöne Abwechslung im Einerlei.
Kennen es die Leute in Frankreich gar nicht, daß man rohes Hackfleisch essen kann? Ich kann es mir vorstellen, wie enttäuscht Du warst, als Du das Essen ganz anders bekamst, als Du Dir`s vorgestellt hast. Die Frau wird aber gedacht haben, daß sie Dir`s ganz besonders gut gemacht hat. Na, wenigstens hast Du noch die Hälfte richtig bekommen. Es freut mich, daß Du jetzt ein schönes Zimmer für Dich hast, denn ich weiß, daß Du da viel lieber arbeitest.
Ich will heute mit den Kindern ins Kino gehen. Es wird „Der gestiefelte Kater“ gespielt. Helga und Jörg freuen sich schon sehr und können es kaum erwarten. Es fängt um 2 Uhr an.
Heute Morgen kam der Brief vom Nikolaus, der große Freude ausgelöst hat. Helga wird Dir sicher in den nächsten Tagen schreiben und Dir davon berichten.
Jörg versucht jetzt immer verschiedene Worte zu schreiben. Was dabei herauskommt siehst Du an beiliegendem Zettel. Aber man sieht doch den Eifer.
Ich habe gestern gelesen, daß von der Front zur Heimalt keine Sperre besteht. Es dürfen Päckchen usw. gesandt werden. Von hier zur Front dürfen aber die Briefe nur 5o g schwer sein und Päckchen sind bis zum 25. gesperrt.
Laß mich nun für heute schließen. Ich muß noch Essen kochen, damit wir rechtzeitig fort kommen.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.


Mein liebster Ernst!                                                         Konstanz, 7.12.41 abends

Ich fange heute Abend schon mit dem Brief an, denn ich will Dir von heute Nachmittag erzählen. Wie ich Dir schon schrieb, waren wir im Kino in „Der gestiefelte Kater.“ Du, das war der erste Märchenfilm, von dem ich restlos begeistert war. Die Möglichkeiten, die sich gerade bei Verwandlungen bieten, waren wirklich märchenhaft ausgenutzt. Erst sieht man zum Beispiel den Menschenfresser in natürlicher Gestalt. Während er dann den Zaubertrank trinkt, verwandelt er sich  in einen Löwen. Wie das gemacht ist, ist ganz prima. Genau so, wie sich dann die Bänke, Stühle, der Bär usw. beim Tode des Menschenfressers in Menschen zurückverwandeln. Auch der Kater war fein dargestellt. Dazwischen waren wirklich wunderbare Natur- und Tieraufnahmen eingeflochten, aber so, daß es wirklich in die Handlung paßten. Man glaubte wirklich, ein Märchen zu erleben.
Ich war doch von den anderen Märchenfilmen, die wir früher gesehen hatten, so enttäuscht. Ich hatte es nur wirklich überlegt, ob wir heute gehen wollten. Der heutige Film ist von der deutschen Märchenfilm-Produktion hergestellt. Wenn die noch mehr so Filme machen, dann ist es recht.
Vorher kam noch ein Film von den Hohensteiner Puppenspielern. „Die blaue Blume“ wurde gespielt. Das war auch prima. Erst geistern durch die Bäume verschiedene Geister. Dann kommt eine Hexe und erzählt, daß die Menschen die blaue Blume suchen, sie aber nicht finden sollen, damit sie schlecht bleiben. Dann kommt die Prinzessin aus dem Märchenland und will die blaue Blume für ihren Vater holen. Die Hexe nötigt sie ins Haus, daß sie vor dem Rückweg ausruht. Während sie ins Haus gehen, kommt von der anderen Seite der Kasper und sagt, daß er alles gesehen hat und genau aufpassen wird. Während er verschwindet, kommt die Hexe mit einem großen Kessel, in dem sie den Zaubertrank braut. Sie rührt mit einem Holzlöffel und  plötzlich steigt Dampf daraus hervor. Während sie dann fortgeht, rührt der Löffel immer weiter, bis sie zurückkommt und den Topf zum Abkühlen herausstellt. Während der Zeit erscheint wieder kurz der Kasper und sagt, er will doch sehen , was die Hexe vor hat. Nun kommt die Hexe und schaut hinter alle Bäume und sagt, es sei ihr doch, als sei jemand da gewesen. Nun ist es ja nur Kino, aber alle Kinder haben laut gerufen „Es war niemand da.“ Dann bringt die Hexe einen Tisch, ein Tischtuch und zuletzt 2 Gläser, aber aus Holz, und erzählt, daß in dem einen, das sie rechts hinstellt, Gift in dem Trank drin ist, damit die Prinzessin stirbt. Während sie die Prinzessin holt, kommt der Kasper und vertauscht die Gläser. Dann trinken die Hexe und die Prinzessin und die Hexe stirbt unter furchtbaren Leibschmerzen. Der Kasper trägt sie zur Knochensammlung. Vor ihrem Tod schreit die Hexe nach dem Drachen, der auch erscheint. Der war wirklich fein gemacht und die Töne, die er ausgestoßen hat, waren direkt zum fürchten. Kasper, der die Prinzessin hinter einen Baum gezogen hat, kommt langsam hervor, legt das Gewehr an und schießt ihn ab. Der windet sich noch eine kurze Zeit und stößt schauerliche Töne aus. Die nächste Szene spielt beim König. Er kommt mit einem Bedienten, der ihm die Schleppe trägt und fragt nach der Prinzessin. In dem Moment erscheint sie mit der blauen Blume und erzählt, daß der Kasper ihr geholfen habe. Aber genau wolle sie es erst später nach und nach erzählen, sonst würde er sich zu sehr aufregen. Jetzt wollten sie erst fröhlich sein und auch ein wenig tanzen. Dann gehen sie in ein anderes Zimmer, wo 4 Hofdamen im schönsten Klatsch miteinander stehen. Als der König kommt, drehen sie sich schnell um und verbeugen sich, Der König kommt, stellt nun Kasper als Held vor und sagt, daß sie zur Errettung der Prinzessin lustig sein und tanzen wollen. Dann tanzt Kasper mit der Prinzessin und dann ist Schluß.
Alles ging so ruhig zu und doch waren alle Kinder mit Begeisterung dabei. Ich weiß ja nicht, ob Dir meine lange Schilderung recht ist, aber ich dachte, vielleicht interessiert es Dich, wenn Ihr jetzt auch nicht spielt.
Nach dem Kino sind wir noch zur Post und haben den Brief an Dich eingesteckt. Nachher sind wir heim gegangen. Es fing unterwegs schon etwas an zu nieseln, aber als wir dann daheim waren, fing es fest an zu regnen. Da waren wir froh, daß wir daheim waren. So ist dieser Sonntag ganz unterhaltend vorbei gegangen. Ich hoffe ja, daß Du heute schon Post von uns bekommen hast, damit Du nicht ohne jede Nachricht von uns sein mußtest. Ich werde auch froh sein, wenn ich Deinen Bescheid habe, daß Du wieder laufend Briefe von uns bekommst.
Nun will ich schlafen gehen. Gute Nacht, mein lieber Mann. Wach ganz gesund wieder auf.

Dienstag, 6. Dezember 2016

Brief 248 vom 6.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                                           Konstanz, 6.12.41                                                    

So, wie Du in dieser Woche vergeblich auf Post gewartet haben wirst, tue ich es in den letzten Tagen. In dem letzten Brief, den ich erhielt, vom 30.11. schreibst Du daß es einstweilen nur ein kurzer Gruß sein soll und daß Du an dem Tag noch mehr schreiben wirst. Nun wartete ich immer, aber die Post läßt mich im Stich. Ich hoffe ja, daß morgen ein Brief von Dir kommt.
Mein Adventspäckchen wirst Du ja wohl inzwischen erhalten haben. Rechtzeitig ist es ja scheinbar nicht eingetroffen, nachdem Du in dem Brief vom Sonntag nichts davon erwähnst. Aber vielleicht ist es Dir auch hinterher noch lieb.
Nun will ich Dir noch vom Nikolaus erzählen. Als die Kinder gestern im Bad waren, habe ich die Tüten mit den Sachen, von denen ich Dir gestern schon schrieb, in die Betten der Kinder versteckt. Nachdem ich gebadet hatte, bin ich so nebenbei mit ins Kinderzimmer gegangen und habe die Tüten mitten aufs Bett gestellt. Ins kalte Zimmer durften die Kinder ja sowieso nicht, weil sie die Haare gewaschen hatten. So entdeckten sie die Sachen erst, als wir am Abend verdunkeln mußten. Ich habe es sehr bedauert, daß Du diese große Freude nicht sehen konntest. Das war ein Jubel. Helga sagte immer wieder, „nun hat uns der Nikolaus doch nicht vergessen, wenn wir auch nicht mehr an ihn glauben. Es ist mir fast, als glaubte ich noch dran, wenn ich auch weiß, wie es gemacht ist.“ Darauf Jörg: „So ist das nicht, wie Du denkst, Mutterle kann das nicht gewesen sein. Sonst könnte man `s ja denken, aber woher sollte sie Apfelsinen haben, die`s hier gar nicht gibt? Diesmal war es sicher der richtige Nikolaus aus dem Walde. Der hat sich sicher die Schuhe ausgezogen und ist leise ins Zimmer geschlichen, damit wir nichts hören. Das war ein lieber Nikolaus.“ Helga war so lieb und hat ihm diesen Glauben nicht zerstört, sondern hat mich erst später, als Jörg einmal nicht da war, gefragt, ob Du die Apfelsinen geschickt hast. Gestern in ihrer Riesenfreude, hat sie gleich 2 Zettel geschrieben, die ich Dir mitschicken soll, Du sollst doch an der Freude auch teilhaben.
Heute kam Dein liebes Päckchen 31 mit Käse und Mandeln. Ich habe gar nicht gewußt, daß Mandeln mit Schale so aussehen. Ich werde es wahrscheinlich so machen, daß ich den Kindern zu Weihnachten davon gebe.
Vor einigen Tagen  war ich auch mal in der Stadt zum einkaufen. Da hatten Soldaten vom Lazarett Ausgang. Das ist sehr traurig zu sehen. So viele nur mit einem Bein und alles ganz junge Menschen. Und das sind noch die, die schon raus können. Wie wird da erst mancher noch im Lazarett liegen. Wenn man das sieht, muß man an des Führers Wort denken: „… vielleicht begegnet Dir einer, der mehr geopfert hat als Du.“ Wie froh ist man da, wenn man seine Lieben noch gesund hat. Wenn man diese Soldaten sieht, empfindet man es erst richtig, wie furchtbar es denen vom Weltkrieg gewesen sein muß, als sie statt Dank nur Hohn und Elend erfuhren. Ich glaube ja bestimmt, daß es diesmal anders sein wird.
Von Kurt bekam ich einen Brief, daß er gesund sei und viel lernen müßte, da er an einen anderen Platz gestellt worden ist. Bis jetzt war er ja Richtschütze. Was er jetzt ist, schreibt er nicht. Er nimmt es sehr genau. Als er hier war, sagte er, er wüßte nie, was er schreiben sollte, denn vom Dienst dürfte er doch kein Wort schreiben.
Wir haben diesmal an Kurt nichts für Weihnachten geschickt. Er sagte bei seinem Hiersein, zu Weihnachten bekäme er immer so viel, daß er es nicht aufessen könnte. Wir sollten ihm lieber später was schicken. Nun machen wir`s eben auch so.
Nun laß mich für heute wieder schließen. Ich hoffe, daß ich recht bald wieder einen Brief von Dir erhalte und daß Du mich nicht strafst, daß ich mehrere Tage nicht geschrieben habe, indem Du auch mit dem Schreiben aussetzt.
Sei nun wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.


Brief 247 vom 5.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                                                 Konstanz, 5.12.41              

Ich fange heute schon am Mittag an zu schreiben, da wir heute Nachmittag baden wollen. Da kann man hinterher nicht gleich wieder fortgehen und den Brief wegschaffen.
Heute Abend ist ja nun Nikolausabend. Helga sagte schon ein paar Mal: „Es ist so schade, daß wir jetzt wissen, daß es keinen Nikolaus gibt. Das war doch immer so schön. Wenn uns nur die Kinder nichts gesagt hätten.“ Aber so ist es eben. Erst sind die Kinder stolz, daß sie nicht mehr so klein sind und an den Nikolaus usw. glauben und dann sehnen sie sich doch zurück. Ich habe in letzter Zeit vor allen Dingen durch Mamas Tod auch viel daran gedacht, wie es zu Weihnachten doch immer schön war, als man noch Kind war. Mit welcher Spannung haben wir doch immer auf Weihnachten gewartet. Und als dann die Bescherung war und man konnte ins Zimmer. Erst wurden immer ein paar Lieder gesunden und Papa spielte Ziehharmonika. Dazu dann durften wir die Geschenke besehen. Während wir nachher schnell mal ein bißchen in dem Buch gelesen, oder die neuen Sachen probiert haben, ging Mama in die Küche und brachte Stolle und Kaffee. Das roch dann so gut und mit viel Appetit haben wir gegessen. Mit welchem Stolz habe ich nachher auch die neuen Sachen angezogen und bin runter gegangen. An eine hellgrüne Mütze und Schal kann ich mich jetzt noch genau erinnern. Das sind alles Erinnerungen, die man nie vergißt, auch wenn eins gestorben ist. Man glaubt es da manchmal gar nicht, daß Mama wirklich gestorben ist. In der Erinnerung lebt sie immer noch.
Nun sind es unsere Kinder, die sich so sehr auf Weihnachten freuen. Ich hoffe, daß sie sich genau so gerne später daran erinnern. Ich muß ihnen jetzt auch immer von Weihnachten erzählen, wo ich noch Kind war. Für die Kinder ist es ja wie ein Märchen, daß wir auch einmal Kinder waren, wie ich es bei meinen Eltern konnte.
Ganz ohne Etwas sollen unsere Kinder ja am Nikolaustag auch nicht sein. Ich werde ihnen heute Nacht die Apfelsinen von Dir, je 2 Äpfel, etwas Gebäck und ein paar Hütchenpralinen, die ich bekommen konnte, hinlegen. Dazu tue ich noch ein paar Bonbons von Kurt. Ich denke, daß sie zufrieden sein werden.
Ich wollte ja sehen, ob ich für Helga ein kleines ca. fingerlanges Püppchen bekommen, das sie für ihre Puppenküche haben wollte. Aber ich habe es aufgegeben. Ich konnte nirgends eins bekommen. Überhaupt haben die Geschäfte fast nichts, fast nur noch ein paar Spiele und damit sind ja die Kinder versorgt. Bei Schulz und Co. ist es so, daß an einzelnen Tagen von 6 - 7 verkauft wird und dann muß man sich anstellen und wird nur schubweise reingelassen. Da mache ich nicht mit, denn unsere Kinder haben ja schon so viele Spielsachen, daß sie damit schon auskommen. Ich habe es Helga auch schon gesagt, daß sie mit einem Püppchen nicht rechnen kann und sie ist auch ganz damit einverstanden. Sie ist ja einsichtsvoll. Ihr anderer Wunsch nach einem Kleid wird ja erfüllt, was ich ihr natürlich nicht gesagt habe. Papa hat ja geschrieben, daß er für die Kinder Bücher besorgt hat, so daß also auch dieser Wunsch in Erfüllung geht. Für Jörg ist ja auch gesorgt.
Ich backe für Weihnachten noch etwas Kleingebäck und wahrscheinlich 2 -3 kleine Stollen. Das Mehl wird mir vielleicht gerade dazu langen. Die Hauptsache ist ja, daß man direkt zu Weihnachten etwas hat und vor allen Dingen, wenn Du heimkommst.
Kannst Du ein paar Zigarren für Papa hierher schicken oder schickst Du sie direkt? Habt Ihr ab morgen eigentlich auch Feldpostsperre für Päckchen? Dann könntest Du`s ja nicht mehr senden.
Heute ist ja ein richtiger Weihnachtsbrief geworden. Aber es sind ja auch kaum noch 3 Wochen bis dahin.
Sei nun für heute wieder herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.


Mein liebster Ernst!        Konstanz, 5.12.41       (möglicherweise ein Schreibfehler im Datum, evtl. 1942) 

Wenn Du diesen Brief liest, wird Weihnachten sein und ich hoffe, daß Du auch die gesandten Päckchen auspacken kannst und dadurch ein wenig Freude hast. Wir haben Dir gern eine kleine Freude machen wollen. Den Schal und die Socken habe ich so gern und mit viel Liebe für Dich gestrickt. Ich denke, daß Du die Sachen  brauchen kannst. Du liest ja auch gern, deshalb haben wir Dir die Bücher geschenkt. Hoffentlich gefallen sie Dir. Das kleine Kästchen soll für Deinen Rasierapparat sein. Er ist dann richtig versorgt. Ein wenig Gebäck ist ja auch dabei, damit Du etwas Heimatliches zu essen hast.
Wir werden so zwischen 5 und 6 Uhr bescheren und Du wirst sicher mit Deinen Gedanken bei uns sein, wie wir bei Dir sind. Das  Weihnachtsfest zusammen zu verleben ist uns ja, wie so vielen anderen, auch dieses Jahr nicht vergönnt. Das ist schwer, aber wir werden tapfer sein. Wir haben doch die Hoffnung, später wieder zusammen sein zu können, eine Hoffnung, die so vielen zerstört ist. Deshalb wollen wir dankbar sein, wenn wir alle gesund bleiben.
Du denkst sicher auch an die schönen Weihnachtsfeste, die wir schon zusammen verlebt haben. Und weißt Du, 1939, wo man nie wußte, ob du fort müßtest. Für dieses Weihnachten waren wir doch auch dankbar. Ebenso für das nächste 1940. Da waren doch die Weihnachtspäckchen zu Dir und zu mir schon unterwegs und plötzlich konntest Du doch zu Weihnachten kommen. Das war eine so große Freude. Ich stand Dir gegenüber ja mit leeren Händen da, aber mich hast Du so verwöhnt. Weißt Du noch? Ja, weißt Du noch. So könnte man vielmals fragen, denn wir haben doch viele schöne Erinnerungen zusammen, nicht wahr.
Für diese Weihnachten wünsche ich mir von Dir, daß Du mich immer lieb behältst, mich und die Kinder und immer mit Liebe an uns denkst. Wir haben Dich auch immer lieb und wünschen Dir, daß Du immer gesund bleibst und daß wir uns Alle gesund wiedersehen.
Wir wünschen Dir nun, soweit es möglich ist, frohe Feiertage und schicken Dir viele Küsse und herzliche Grüße  Deine Annie Deine Helga Dein Jörg.

Sonntag, 4. Dezember 2016

Brief 246 vom 3./4.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                                  Konstanz, den 3.12.41                      

Ich schreibe heute nochmals mit der Schreibmaschine, da ich vorhin gerade einen Teil meiner Post erledigt habe. Ich schicke Dir davon die Durchschläge.
Vorhin bekam ich gerade Deinen lieben Brief vom 28./29.11. Ich danke Dir sehr dafür, da hast Du wieder ziemlich viel geschrieben, wofür ich Dir gar nicht böse bin. Ich will ihn nun nach und nach beantworten.
Es ist ja nun leider nicht zu ändern, daß Du nicht kommen kannst. Ich hatte mir zwar vorgenommen, mich vorher nicht zu freuen, aber wenn dann die Absage kommt, merkt man doch erst, daß man sich doch gefreut hat. Aber Du kannst zu nichts dafür, daß Du jetzt nicht herkommen kannst. So wollen wir uns eben auf den nächsten Urlaub freuen. Wie Du schreibst, kommst Du also nicht zu Weihnachten, sondern erst nach dem Fest. Da ist es ja richtig, daß ich Dir die Weihnachtspäckchen zuschicke. Ich habe sie heute Morgen fertig gepackt und schaffe sie nachher noch fort. Es sind 3 Stück. Das klingt viel, es ist aber nicht viel drin, denn 2 Pfund sind so schnell gepackt. Du hattest aber keinen Wunsch geäußert und so konnte ich Dir also auch keinen erfüllen. Einen ganz kleinen Wunsch, den Du früher einmal geäußert hast, habe ich mir gemerkt und ihn nun erfüllt. Aber dafür hätte ich kein Paket gebraucht, es ist sehr winzig. Du schreibst ja nun, daß wir uns als gemeinsames Weihnachtsgeschenk einen Radioapparat kaufen wollen. Ich bin sehr gern damit einverstanden. Ich bin ja sonst mit allem versorgt und habe keinen Wunsch.
Wenn Du nun nicht zum Fest kommen kannst, so wird für uns ja erst richtig Weihnachten sein, wenn Du da bist. Natürlich feiern wir nachher noch Mal zusammen.
Das Spielzeug für Jörg ist nicht billig, aber wenn es gut ist, macht es ja nichts aus.
Du schreibst nun wegen dem braunen Mantelstoff für Nanni oder Erna. Du schreibst „ .... oder soll ich ihn Erna ... schicken“. Das Wort, das dazwischen gehört, kann ich nicht lesen. Schreibe mir´s doch bitte noch Mal. Ich überlasse es Dir, ob Du ihn für Nanni oder Erna nehmen willst. Vielleicht braucht Erna aber eher etwas Neues als Nanni, die ja schon älter ist und doch nicht viel fort kommt. Nun muß ich Dir aber leider schreiben, daß ich das Stoffmuster nicht mehr habe. Ich dachte ja nicht, daß ich es nochmals brauchen könnte.
Vater und Kurt kommen ja nicht so gut miteinander aus. Vater möchte eben gern einmal mit ihm reden und Kurt kann das wieder nicht vertragen. Er nimmt sich nicht die Mühe, ihm zuzuhören. Derweilen sorgt sich Vater doch so um ihn, wie vielleicht Paula nicht. Aber mir kommt es manchmal vor, als könnte sich Kurt bei Paula nicht wehren. Paula bestimmt eben einfach, während Vater bittet und dabei zieht er den Kürzeren. Es war doch schon früher so. Aber wir können es nicht ändern, Kurt muß selber wissen, was er macht. Alt genug ist er ja jetzt.
Es war mir ja eine gewisse Beruhigung, daß auch die Lehrerin gesagt hat, daß das Schreiben bei allen noch nicht so gut geht, nachdem sie die lateinischen Buchstaben gelernt haben. Ich hatte ja mit Absicht die Rede darauf gebracht, um überhaupt einmal zu hören, wie Helga in der Schule aufpaßt.
Umgezogen seid Ihr also auch. Es freut mich, daß Du jetzt einen schönen Arbeitsplatz hast. Da schafft man ja noch einmal so gern. Jetzt wird also nun richtig festgelegt, welche Arbeit jeder zu tun hat. Das wird Dir ja recht sein, wenn Du eine Aufgabe vor Dir hast, die Dir allein untersteht.
Heute kamen die Päckchen 27, 28, 29 an. Die Filzschuhe für die Kinder habe ich für Weihnachten weggelegt. Die Orangen hebe ich bis Samstag auf. Da ist doch Nikolaus. Da habe ich gleich was zum Füllen der Schuhe. Wenn auch dieses Jahr nicht der leibliche Nikolaus kommt. 5 Orangen sind gut angekommen. Eine ist etwas angefault, die esse ich. Das macht doch nichts?
Für das Öl, welches Du mir mitbringen willst, danke ich Dir. Das kann ich schon gebrauchen. Von dem letztjährigen habe ich noch 1/2 Flasche. Es hat mir schon manchmal geholfen.
Ich hatte meinem Vater doch versprochen, daß ich noch etwas zum Stein zu Mamas Grab geben wollte. Ich hatte mir erst vorgenommen, im Ganzen 20 Mk zu schicken und zwar zu Weihnachten. Das ist mir nun aber nicht möglich. Meinst Du, ich sollte vielleicht 10 Mk schicken? Gestern habe ich nämlich 20 Mk bei Vater bezahlt, so daß er nun noch 30 Mk bekommt. Dann sind wir unsere Schulden bei ihm los. Diese bezahle ich ihm nächsten Monat.
Ich mache mich nun fertig, daß ich noch zur rechten Zeit die Päckchen fortbringe.
Übrigens habe ich versucht, die Kuchenplatte für Erna zu erhalten. Es ist aber z.Zt. unmöglich, etwas Derartiges zu bekommen. Sie muß sich also bis später gedulden.
Sei nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                                       Konstanz, 4.12.41

Heute kam Dein lieber Brief vom 30.11. Du schreibst darin, daß Du meinen Brief vom 26. erhalten hast. Nachdem wirst Du ja mehrere Tage vergeblich auf Post von mir gewartet haben. Was wirst du wohl gesagt haben, daß ich Dir 4 Tage nicht geschrieben habe? Als Dein Brief damals kam, daß Du wahrscheinlich herkommen würdest, war ich gerade beim Schreiben an Dich. Ich habe den Brief gleich hingelegt und gesagt, daß ich nun nicht mehr schreiben brauche, da Du wahrscheinlich schon unterwegs bist. So dachte ich auch die nächsten Tage, bis ich doch allmählich unruhig wurde und einen Tag vor Deiner Absage wieder geschrieben habe. Na, ich ändere es doch nicht mehr, wenn ich mir auch immer wieder Vorwürfe mache, daß ich nicht geschrieben habe.
Ich habe in den letzten Tagen Herrn Kuster getroffen und sagte ihm, daß ich einmal wegen Briefmarken hinkommen würde. Er sagte mir aber, daß er keine bestellt, sondern, daß er sich die Marken mit dem Sonderstempel wieder auf der Messe besorgt hat. Ich habe es nun auch getan, weil ich sonst nicht weiß, wo ich sie holen soll. Auf der Post werden die Marken meist nicht ausgegeben. Ich habe sie immer doppelt für Dich und Kurt besorgt und habe dafür 11,50 ausgegeben. Winterhilfsmarken gibt es dieses Jahr scheinbar noch nicht. Soll ich sie später wieder so kaufen oder was soll ich machen? Die Sonderstempel verteuern die Marken ja ziemlich. Legst Du Wert darauf? Aber das können wir ja vielleicht im nächsten Urlaub besprechen.
Ich habe gestern Abend noch an Tante Agnes, Erna und Siegfried geschrieben. Heute schicke ich die Briefe mit fort. Ich schrieb an Tante Agnes gerade von Schnee und heute Nacht hat es schon geschneit. Ich habe mit Jörg heute früh Helga in die Schule gebracht. Dann bin ich in der Stadt nach Briefumschlägen herumgelaufen. Ich dachte immer, ich hätte noch ein Päckchen im Schrank und mußte feststellen, daß ich mich getäuscht hatte. Nach abklopfen aller Geschäfte habe ich nun noch 20 Stück bekommen, 2 X je 10 Stück. Alle anderen Geschäfte waren restlos ausverkauft. Wenn es dir möglich ist, so besorge mir doch bitte wieder ein paar. Aber nicht extra viel herumrennen, wenn Du sie nicht so bekommst.
Wir haben Helga doch mit dem Schlitten in die Schule gebracht. Als wir heimwärts fuhren, hatte es schon wieder viel getaut. Da war es mit dem Schlittenfahren schon aus. Aber ein wenig haben sie das Vergnügen nun doch gehabt.
Ich lege Dir heute die Durchschläge meiner Briefe, den letzten Brief von Siegfried und 2 Todesanzeigen bei. Ich weiß nicht, ob Du die Leute gekannt hast.
Sei nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.