Mein liebster Ernst ! 7.10.44
Zwei liebe Briefe habe ich von Dir erhalten, Nr. 65/66 vom
26. und 27.9. Bei uns ist es auch schon manchmal ziemlich kühl. Einzelne warme
Tage kommen zwar ab und zu, aber man merkt doch, daß es Herbst wird. Bis jetzt hatte Helga ja wenig Zeit, sich um
Schulaufgaben zu kümmern, da sie zu viel zu tun hatte. Jetzt werde ich mich
öfter einmal mit ihr hinsetzen und verschiedenes durchsehen. Ingrid nimmt jetzt Privatstunden in
Englisch, Rechnen, Deutsch. Sie kann das noch eher, denn sie ist noch nicht 12
Jahre und noch nicht zum Kriegseinsatz verpflichtet. Auf Deine Urlaubskarte haben wir auch noch Obst bekommen. Das
haben wir nicht verfallen lassen. Was mit meinem Fuß los war, wirst Du ja aus
den inzwischen erhaltenen Briefen ersehen haben. Wenn aber nicht, wenn also der
betreffende Brief verloren gegangen sein sollte, so schreibe ich Dir‘s nochmals
kurz. Als mir Jörg die Gartengabel zuwerfen wollte, ist mir ein Zinken ganz
durch den Fuß gefahren. Jetzt geht es mit der Heilung ja gut vorwärts. Ich kann
wieder ziemlich gut stehen und so habe ich heute die letzten 2 ½ Reihen
Kartoffeln ausgegraben. Auf die Gabel
kann ich natürlich beim einstechen nicht treten, aber es ging auch gut
so. 90 Pfund habe ich geerntet. Im ganzen haben wir 420 Pfund geerntet. Ohne
die, die wir geholt haben, als Du noch hier warst. Das ist doch schön, nicht
wahr? Am Nachmittag, als die Kinder im
Dienst waren, habe ich mir an den Pflücker eine riesige Bohnenstange genagelt
und habe noch 1 Korb und einen Eimer voll Äpfel gepflückt. Schade ist es, daß
die Äpfel jetzt nur locker hängen. Es fallen soviel gleich ab, wenn man einen
anderen abpflückt. Bald 30 Pfund sind so abgefallen. Es verdirbt ja deshab doch
nichts, denn ich mache Ringe und Apfelmus und außerdem essen wir welche. Den Grätner verleugnest Du auch dort nicht,
denn immer siehst Du zu, wo Du ernten kannst, damit nichts verdirbt. Jetzt wirst Du also dort mit flöhen geplagt.
Das muß wirklich eine Plage sein. Ich
stelle mir das ganz schlimm vor, wenn es überall beißt. Ich danke Dir sehr für die mitgesandten 2
Akeleiblüten. Ich hebe sie mit auf und sie sind mir ein lieber Gruß von
Dir. Heute haben wir alle tadellosen
grünen Tomaten gepflückt. Ich packe sie in Papier und dann in einen Karton,
damit sie nach und nach rot werden. Am Stock platzen sie nur auf. Bei Tag
hatten wir 4 mal Voralarm. Scheinbar waren Tiefflieger in der Nähe. Ehe ich den Brief schließe, grüße und küsse
ich Dich recht oft und fest.
Deine Annie.
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