Donnerstag, 19. März 2020

Brief 796 vom 7.10.44


Mein liebster Ernst !                                                                                               7.10.44        

Zwei liebe Briefe habe ich von Dir erhalten, Nr. 65/66 vom 26.  und 27.9.  Bei uns ist es auch schon manchmal ziemlich kühl. Einzelne warme Tage kommen zwar ab und zu, aber man merkt doch, daß es Herbst wird.  Bis jetzt hatte Helga ja wenig Zeit, sich um Schulaufgaben zu kümmern, da sie zu viel zu tun hatte. Jetzt werde ich mich öfter einmal mit ihr hinsetzen und verschiedenes durchsehen.  Ingrid nimmt jetzt Privatstunden in Englisch, Rechnen, Deutsch. Sie kann das noch eher, denn sie ist noch nicht 12 Jahre und noch nicht zum Kriegseinsatz verpflichtet.  Auf Deine Urlaubskarte haben wir auch noch Obst bekommen. Das haben wir nicht verfallen lassen. Was mit meinem Fuß los war, wirst Du ja aus den inzwischen erhaltenen Briefen ersehen haben. Wenn aber nicht, wenn also der betreffende Brief verloren gegangen sein sollte, so schreibe ich Dir‘s nochmals kurz. Als mir Jörg die Gartengabel zuwerfen wollte, ist mir ein Zinken ganz durch den Fuß gefahren. Jetzt geht es mit der Heilung ja gut vorwärts. Ich kann wieder ziemlich gut stehen und so habe ich heute die letzten 2 ½ Reihen Kartoffeln ausgegraben. Auf die Gabel  kann ich natürlich beim einstechen nicht treten, aber es ging auch gut so. 90 Pfund habe ich geerntet. Im ganzen haben wir 420 Pfund geerntet. Ohne die, die wir geholt haben, als Du noch hier warst. Das ist doch schön, nicht wahr?  Am Nachmittag, als die Kinder im Dienst waren, habe ich mir an den Pflücker eine riesige Bohnenstange genagelt und habe noch 1 Korb und einen Eimer voll Äpfel gepflückt. Schade ist es, daß die Äpfel jetzt nur locker hängen. Es fallen soviel gleich ab, wenn man einen anderen abpflückt. Bald 30 Pfund sind so abgefallen. Es verdirbt ja deshab doch nichts, denn ich mache Ringe und Apfelmus und außerdem essen wir welche.  Den Grätner verleugnest Du auch dort nicht, denn immer siehst Du zu, wo Du ernten kannst, damit nichts verdirbt.  Jetzt wirst Du also dort mit flöhen geplagt. Das muß wirklich eine Plage sein.  Ich stelle mir das ganz schlimm vor, wenn es überall beißt.  Ich danke Dir sehr für die mitgesandten 2 Akeleiblüten. Ich hebe sie mit auf und sie sind mir ein lieber Gruß von Dir.  Heute haben wir alle tadellosen grünen Tomaten gepflückt. Ich packe sie in Papier und dann in einen Karton, damit sie nach und nach rot werden. Am Stock platzen sie nur auf. Bei Tag hatten wir 4 mal Voralarm. Scheinbar waren Tiefflieger in der Nähe.  Ehe ich den Brief schließe, grüße und küsse ich Dich recht oft und fest. 

Deine Annie.

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