Du mein liebster Mann! 3.3.45
Diese Woche ist nun ganz herumgegangen, ohne daß ich eine
Nachricht von Dir erhalten habe. Wenn ich wenigstens erst einmal wüßte, wie Du
nach Leipzig gekommen bist. Es ist so quälend, garnichts zu wissen. Man muß
immer sehen, wie man sich ablenkt, damit man nicht ins Grübeln kommt. Aber ich
will dir ja nichts vorjammern, sondern ich will auch weiter warten. Ich sehe
Dich ja immer noch mit uns zusammen sitzen, wie Du manchmal etwas vorgelesen
hast. Oder wie Du mit uns am letzten Abend gesungen hast. Und ich sehe Dich
immer wieder, wie wir auf dem Bahnhof standen und Du hieltest meine Hand. Auf
dem Bahnsteig konnten wir noch kurz Abschied nehmen. Ich hatte immer Angst, daß
Du auf dem Trittbrett ausrutschen würdest. Nun bewegen sich meine Gedanken
immer um Dich und ich sehne mich nach Dir.
Wie ich dir schon schrieb, waren wir am Vormittag im Wald. Wir haben 1 ½
Sack Hauspäne und kleines Holz bekommen und sind sehr froh darüber. Am Nachmittag waren wir in der Stadt. Unser
Urlaubsfilm ist garnichts geworden. Das ist so schade. Den Film mit der
Metallspule konnte ich gegen einen mit Holzspule umtauschen. Das war beim
Bachschmidt. Beim Hepp habe ich dann auch einen Film erhalten. Nun habe ich zwei filme da und während des
Urlaubs konnten wir gar keinen bekommen.
Es ist manchmal verrückt. Als Du
fort fuhrst, hast du ja die Kinder gebeten, sich nicht mehr so viel zu zanken.
Das hat einige Tage geholfen, aber dann wurde es wieder schlimm. Jörg kann es
nicht lassen, Helga zu fuchsen, sie regt sich auf und wird gereizt. Wenn ich zu
Jörg was sage, brüllt er auch los. Das
kann Helga wieder nicht hören, sie mischt sich ein, was ich ihr schon
oft verboten habe. Ich werde ja schließlich allein fertig. Helga hat natürlich
auch ihre Fehler und so ist der Krach fertig. Ich habe die Kinder oft vermahnt.
Nun ist mir heute die Geduld gerissen.
Es hat Wichse gegeben. Als Jörg ein großes Theater machen wollte, habe
ich ihm den Mund zugehalten. Es ist ja jetzt bös auf mich, aber ich konnte
nichts anderes tun. Meinst Du nicht
auch? Ich kann mich doch nicht anschreien lassen. Es tut mir richtig weh, wenn
ich so hart sein muß, das kannst Du mir glauben. Aber ich muß durchgreifen, da
hilft alles nichts,. Was lustiges muß ich Fir aber auch schreiben. Du hast doch
hier mal gesungen:“Und da saß ich mit de Emma uff de Banke“ usw. Jetzt singt
Jörg immer „Gegenüber zog sich Eener aus zum Baden“ (Mutterle, kennst Du‘s
weiter? „Nein“ mhmhmh.....“und de Emma sagte traut, bist ooch so schen gebaut
mhmh...“ Ich sage Dir, das klingt wunderbar. Heute war es aber kalt. 6 Grad
unter 0 hatten wir heute Morgen. Bei Tag hat es öfter geschneit. Man ist das
jetzt garnicht mehr gewöhnt. Ich lese
jetzt ein Buch „Anna, das Mädchen aus Dalarm“ von Lagerlöf. Da kommt solch ein
scheinheiliges , boshaftes und hinterhältiges Frauenzimmer vor wie es Frau
Junghans bei uns war. Mit genau so glatten worten schleicht sie sich in die Ehe
ein, ist nirgends zu packen und kann dem Mann genau so schön tun und ihn
übertölpeln wie Frau J. Mein ganzer Haß ist von neuem aufgelodert. Heute habe ich gelesen, daß es ab 15.3. beim
Gauggel Samen zu kaufen gibt. Da werde ich gleich hingehen. Bis jetzt war es ja
schon so warm wie im Frühling und man dachte an die Gartenarbeit. Heute nun kam
der Rückschlag, daß es sogar schneite. 4.3. Sonntag Am Vormittag hatten wir wieder Alarm. viele Flieger kamen vorbei.
Wo hin werdne sie wohl geflogen sein? Inzwischen haben wir nun gegessen. gerade
ist Ingrid zum spielen gekommen. Sie hat wieder ein altes Kleid bei ihrer
Mutter aufgestöbert. Nun geht es wieder ans Verkleiden. Helga ist ein Fräulein
von früher. Sie hat einen langen weißen Leinenrock, eine Bluse mit Gürtel und
eine schwarze Mütze an. Die Haare sind in Hochfrisur gelegt. Sie sieht wirklich
echt aus. Ingrid hat ein rosa kleidchen
und eine riesige Haarschleife an. Das spielen mit dem Verkleiden ist ihnen doch
ein riesiger Spaß. Jörg hat sich seine Kaserne rausgeholgt und spielt nun
friedlich. natürlich geht es ohne basteln nicht ab. Da mußten Laufbretter und
Fahnen ausgeschnitten werden .Mit dem Spielzeug an und für sich kann er nichts
tun. Inzwischen ist es nun Abend
geworden. Die Kinder sind vorhin ins Bett gegangen. Am Nachmittag hatten wir
noch Quartett und „Mensch hau ab“ gespielt. Gegen 6 Uhr ist Ingrid heim
gegangen. Nach dem Essen habe ich noch ein bißchen gelesen, die Kinder haben
gespielt. Nun gehe ich auch schlafen und hoffe, daß ich von Dir träume. Schlaf Du auch gut, mein lieber Schatz, und
wach ganz gesund wieder auf. Laß Dich recht herzlich grüßen und oft, oft innig
küssen von
Deiner Annie.
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