Mein liebster
Ernst! 13.3.45
Wie ich Dir heute früh schon schrieb, erhielt ich von Papa
den Bescheid, daß das Haus und die Wohnung fast ganz zerstöärt sind. Haben sie
nun alles verloren? Ich hoffe, daß ich darüber bald Nachricht bekomme. Bei einer Frau aus Hamburg habe ich mich
heute erkundigt, wie lange man wohl von L. nach Hamburg färht und diese meinte,
wenn Du am 27. abends weggefahren bist, seiest Du sicher am 28. noch nicht in
Leipzig gewesen. Wenn es doch so wäre, daß Dir nicht geschehen ist. Ich mache
mir doch immer Sorge um Dich. Ich war
ja wieder beim nähen. Als ich heim kam, bin ich mit Jörg zum Großvater runter
gegangen. Wir wollten ihm die Stehlampe bringen, da sein Licht in der Küche
kaputt ist, aber auch der Stecker ist entzwei. Das Licht brennt nicht. So haben
wir also nur die gewaschene Wäsche dagelassen und sind wieder heim gepilgert.
Großvater war nicht daheim gewesen und so habe ich ihm alles auf einen Zettel
aufgeschrieben, aus das von Papa. Gegen 8 Uhr kam er nun ectra noch rauf und
dachte, ich hätte schon weiteren Bescheid. Da mußte ich ihn aber enttäuschen.
Vorhin ist er nun wieder heim gegangen.
14.3. Gestern hatten wir endlich mal wieder einen schönen, sonnigen Tag.
Heute morgen ist nun ganz dicker Nebel. Sicher wird es wieder schön. Bei uns herrscht schon Freude auf heute
abend. Da gibt einen einen Kartoffelkuchen. Da sind unsere kleinen Leckermäuler
gleich bei der Hand. Morgen früh gibt es sogar Weißbrot. Erst sollte es
Brötchen und Weißbrot nur für kranke Leute geben. Aber nun ist es doch nicht
wahr. Auf die Brötchenmarken gibt es nun kein Mehl. Das ist ja dann auch
gleich, wenn man Weißbrot hat. Wir haben ja extra Mehlmarken Ich muß Dich mal noch was fragen. Jörg macht
jetzt wieder mal so oft das Bett naß. Im Buch steht, es könnte von Erkältung
usw., aber auch von Wurmkrankheit kommen. So sehr viel Würmer hat er nun in
letzter Zeit nicht mehr gehabt. Meinst Du, es kommt doch davon? Oder soll ich
mal beim Doktor fragen, was da los ist?
Ich selbst bin jetzt meine Würmer wieder los, wenn sie nur nicht
wiederkommen. Laß mich jetzt schließen.
Ich muß schaffen, damit ich rechtzeitig bis Mittag fertig werde. Bleib immer gesund und laß Dich recht oft
und herzlich grüßen und küssen von
Deiner Annie.
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