Mein liebster Ernst! 19.12.44
Nun haben wir auch
unseren Weihnachtsbaum, wenn auch nur einen ganz kleinen. Diesmal gab es keinen
großen Baumverkauf. Etliche wurden ja verkauft, aber wir haben es nicht mal
gewußt. Außerdem sollen sich die Leute furchtbar drum gedrängt haben. Wir und
fast alle in unserer Straße haben kleine Bäumchen beim Gärtner Abt an der Ecke
Schneckenburgstraße erhalten. Wir sind ja froh, daß wir überhaupt einen haben.
Sonst hätte ich einen großen Adeventskranz gemacht. Gestern habe ich meinen Verdienst für November erhalten. Es waren
19,36 Mk und 2,75 für Jacken, die ich schon vor einigen Tagen bekam. Einen Nachzügler Deiner Briefe erhielt ich
wieder. Er ist vom 14.11. Nr. 115. Jetzt kommen all die Briefe an, die einmal
14 Tage lang ausgeblieben waren. Du
mußt natürlich wieder spotten, wenn Du schreibst, Du könntest Dich mit Deinem
grauen Kopf garnicht mit uns sehen lassen, sonst meinten die Leute, Du gingst
mit Deinen Töchtern spazieren. Du weiß ja, daß ich auch älter werde. Die Jahre
gehen eben doch nicht spurlos an einem vorüber, Kriegsjahre ganz besonders. Es
ist ja schade, daß wir so lange, schöne Jahre nicht zusammen sein können. Aber
wenn wir uns nur alle gesund wieder sehen, so wollen wir wohl froh sein. Es macht mich froh, daß Du bei meinen
Schreiben immer weißt, was und wie ich es sagen will, auch wenn ich es manchmal
nicht so ausdrücken kann, wie ich es möchte. Dafür bist Du ja auch mein lieber
Ernst, der mich kennt. Morgen ist der
vorletzte Schultag für die Kinder. Am Freitag beginnen die Ferien. Wie im Nähen
haben auch bis 2 Januar frei. Morgen haben die Kinder nur 3 Stunden Schule, da
die Lehrer und Lehrerinnen zum schanzen müssen. Wahrscheinlich wird es am
Donnerstag wieder so sein. Morgen muß
ich auch Weihnachtsgrüße an Papa, Erna, Elsa und Frau Diez schreiben. Frau Diez
hat für Jörg 1 kl. Päckchen (Brief) mit Gebäck und 5 Mk(für Jörg) geschickt.
Ich habe übrigens für Jörg noch 2 Unterhosen, für Helga 1 Trikothemd kaufen
können. Das hat mich gefreut. Habe ich
Dir eigentlich einmal geschrieben, daß fast alle Geschäfte vormittags
geschlossen sind? Am Vormittag stehen die Inhaber oder Verkäuferinnen im
Kriegseinsatz, am Nachmittag verkaufen sie.
Gestern Abend hatte Helga noch ½ Pfund Puderzucker kaufen können,
während ich im Nähen war. Da haben wir noch alles Kleingebäck nachträglich mit
Guß überzogen. Helga hatte rosa, Jörg gelb, ich weiß. Diese Arbeit wurde mit
Begeisterung getan, das kannst Du Dir sicher denken. Vor allem, da die
Schüsseln hinterher ausgeleckt werden durften. Vorgestern hatten wir so lange
Alarm, gestern habe ich bis gegen 12 Uhr geschafft, aber heute gehe ich einmal
zeitig schlagen. Wenn auch die Weihnachtsarbeit noch nicht fertig ist, ich
schlafe aber heute bald ein. Da komme ich auch nicht viel voran. Laß mich nun
schließen. Behalte uns ganz lieb und sei recht herzlich gegrüßt und oft, recht
oft geküßt von
Deiner Annie.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen