Du mein allerliebster Ernst! 23.2.45
Weiß Du, was heute ankam? Dein Brief vom 26.1. Nr. 15. abgestempelt in Lüneburg am 28.1. 21 Uhr.
Vor dort bis hierher hat er also ungefähr einen Monat gebraucht. Da hätte ich
lange warten können. Inzwischen hast Du mir ja alles persönlich erzählen
können. Gefreut habe ich mich über den Brief aber doch. Heute habe ich mich wieder richtig in die
Arbeit gestürzt. Den ganzen Tag über hatte ich zu tun. Ich habe geputzt und
gewaschen. So ist wenigstens auch dieser Tag vorüber gegangen. Wir hatten auch
wieder 1 Mal Alarm und 4 Mal Voralarm. Beim Alarm hat es in der weiteren Umgebung
einige Male mächtig gewummert. Gestern
Nachmittag bin ich noch in die Stadt gegangen. Ich habe Helga von der Schule
abgeholt, damit sie mitgehen konnte. Jörg war daheim. ½ 8 Uhr waren wir wieder
daheim Jörg wartete schon mit riesigem Hunger auf uns. Wir haben dann auch bald
gegessen und hinterher sind wir gleich schlafen gegangen. Am heutigen Nachmittag sind die Kinder
zusammen in die Stadt gegangen. Es war so schönes Wetter. Zum spielen hatte
Helga niemand, da habe ich ihr gesagt, sie sollte schön langsam in die Stadt
laufen. Sie mußte noch etwas für die Schule besorgen. Jörg hat sich ihr dann
angeschlossen. Als sie heim kamen, brachten sie großen Hunger mit. Das Abendbrot
war aber schon gerichtet, sodaß sie nicht vor Hunger umfallen brauchten. Nun bist Du schon wieder drei Tage von uns
fort. Wie doch die Zeit fliegt. Am meisten aber doch die Urlaubstage. Vielleicht bekommen wir bald Nachricht von
Dir, daß Du gut in Leipzig angekommen bist.
Meine Gedanken sind ja immer bei Dir. Ob Du wohl jetzt mit Papa zusammen
sitzt? Oder bist Du in der Kaserne? Oder mußt Du evtl. schon wieder
weiterfahren? Na, Du hast mir ja sicher gleich geschrieben und bald werde ich
wieder einen lieben Brief von Dir in den Händen halten können. Ich freu mich
schon darauf, das darfst Du glauben. Wenn ich jetzt hier so allein sitze, muß
ich an die wunderschönen Urlaubstage denken. Da warst Du mit hier und alles war
so schön. Denkst Du noch an den Abend, als wir die Flasche Sekt getrunken
haben? Mir war es ganz lustig zumute geworden. Das war doch auch ein schöner
Abend. Ach, es war einfach alles herrlich, als Du hier warst. Deine Gegenwart
allein macht schon froh und glücklich. Nun muß mir wieder Dein Bild genügen,
aber auch darauf schaust Du mich mit Deinen lieben Augen an. Helga meinte
vorgestern unter Tränen: „Vaterle hat so liebe Augen, richtige Trostaugen. Wenn er mit uns gesprochen hat, hat er uns
immer so lieb angesehen.“ Du weißt ja, wir haben Dich alle lieb. Laß mich nun wieder schließen. Bleib gesund,
damit Du uns gesund wieder kommst, und laß es Dir gut gehen. Ich schicke Dir
recht viele liebe Grüße und innige Küsse
Deine Annie.
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