Mein liebster
Ernst! 23.11.44
Heute erhielt ich
Deinen lieben Brief Nr. 110. Das Datum konnte ich nicht sehen, da gerade dort
der Feldpostbrief zugeklebt war. Beim auseinanderziehen war nur noch die Nummer
zu erkennen. Aber es muß wahrscheinlich der 8.11. sein. Die Karte, die Du von Papa erhalten hast, war wirklich in
einer herzlichen Weise abgefaßt. Daß Du das meiner Erziehung an Dir
zuschreibst, ist ja eine große Ehre. Es
stimmt nur nicht, leider (nicht wahr)? Du bist derselbe geblieben wie früher
und ich bin sehr froh darüber. Erziehen hättest Du Dich ja auch nicht lassen,
wenn ich gleich gewollt hätte. Aber ich wollte es auch garnicht. Wenn Du schreibst, daß ich in Deiner
Erziehung meine Aufgabe voll und ganz erfüllt habe, wie ja die Tatsachen
beweisen, so will ich Dir sagen, daß ich mich von einem so schrecklich frechen
Kerl wie Du es bist, garnicht fuchsen lasse. Absolut nicht. Wenn Du hier wärst,
würde es ja nicht so friedlich abgegangen sein. Da hätte ich Dich schon ein
bißchen zerzaust, glaubst?! Jörg hat
nun wirklich keine Schule mehr. Die anderen Klassen sind am Morgen auch
heimgeschickt worden. Jörg spielt nun gleich mit dem Richard den ganzen Tag
über oben im Gang mit den Soldaten und der Eisenbahn. Wir haben am Nachmittag unser Kleingebäck für Weihnachten
gebacken und heben es in Blechkästen auf. Sollten wir ja einmal hier fort
müssen was wir zwar nicht hoffen wollen so hätten wir was zum mitnehmen. Mit
Mehl könnte man ja nicht viel beginnen. Wie gesagt, wir hoffen natürlich, daß
wir nicht einmal fort müssen, aber vorgesehen ist besser als nachgesehen. Das Gepäck haben wir auch für diesen Fall
umgeräumt. Von Flüchtlingen aus Lörrach usw., die hier durchkamen, haben Frauen
im Nähen erfahren, daß man 30 Pfund mitnehmen darf. So genau wird es zwar nicht gerade gehen, aber große Koffer oder
Truhen haben ja in solch einem Fall keinen Wert. Viellcith lachst Du, daß wir
uns solche Umstände machen. Aber liebe packe ich ein paarmal umsonst, als daß
ich evtl,. gänzlich unvorbereitet dastehen würde. Meinst Du nicht auch? Das
Backen hat den Kindern viel Spaß gemacht. Es ist doch manches dabei für sie
abgefallen. Den Guß durften sie doch auch auf die Gebäcke tun. Es hat den ganzen Tag wieder geregnet. Und
nicht nur rieselnd, nein, es hat gegossen. Da ist man gern daheim geblieben.
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