Mein liebster
Ernst! 6.12.44
Der Nikolausabend
ist auch wieder vorbei. Zuerst war schon ein Nikolaus im Ziegelhof. Er hat uns
aber ziemlich in Ruhe gelassen. Als ich heim kam, ging Jörg gerade zur
Nikolausfeier von Führerdienst. Weiß Du, wenn er wieder kan? ¾ 10 Uhr. Das hat
mich geärgert. Entweder sollen sie Buben von 10 Jahren noch nicht dazu nehmen,
oder sie sollen die Feiern auf früher verlegen. Außerdem finde ich es nicht
ganz richtig, daß die Führerschaft eine Nikolausfeier für sich macht. Oder denkst
Du anders? Die Mädels haben am Samstag eine gemeinsame Feier. Also, jedenfalls als ich heim kam, ging Jörg
fort und Helga und Ingrid standen schon zum anziehen bereit. Ich habe sie dann
herausggeputzt mit weißem Bart, Augenbrauen, ein bißchen roter Nase. Falten auf
der Stirn. Helga hatte Deinen Lodenmantel an mit einem Strick drum. Dazu trug
sie ihre Kapuze und einen großen Pelzkragen. An den Füßen hatte sie Stiefel.
Ingrid hatte Helgas Morgenrock an und eine Kapuze von sich. Ich habe die beiden
Weihnachtsmänner bis an Bautzens Haus gebracht und sie auch wieder mit heim
genommen. Auf der STraße waren nämlich die großen Buben der Straße, darunter
natürlich auch der Willi von Büsings, also der ganz große, dann der Richard,
der Bautz, der von Busons usw. Die wollten ihnen nämlich alles abreißen. Sie
haben es auch mit anderen gemacht, daß sie diese aßerdem noch verschlagen
haben. Wegen dieser Sachen steht heute extra etwas in der Zeitung. Natürlich
waren es in der Stadt auch noch andere.
Die Gisela war ganz verlegen und wußte nicht recht, was sie tun sollte.
Dann waren unsere Weihnachtmänner noch beim kleinen Horst Leimenstoll. Der hat
Angst gehabt. Ganz verkrochen hat er sich. Außerdem sind sie noch zu Bolzens
gegangen. Da sind sie ganricht erkannt worden. FRau Bolz hat hinterher erst
gefragt, wer sie seien. jedenfalls hat es viel Spaß gemacht. Als Jörg heim kam,
haben wir noch Abendbrot gegessen, dann wollten wir ins Bett gehen. Als die
Kinder das Bett aufdeckten, fanden sie die Tüte, die ich bereit gelegt hatte.
Sie kamen freudestrahlend heraus und dann habennwir doch noch ein bißchen
Nikolaus gefeiert. Der Strauß von Tannenzweigen stand auf dem Tisch, davor der
Weihnachtsmann und eine Kerze. Daneben stand Dein Bild. Um 11 Uhr sind wir dann
ins Bett gekommen. Heute Morgen war Helga ja sehr müd. Jörg liegt noch im Bett
und schläft aus. Ich will nun wieder
schaffen, denn um 1 Uhr muß ich zum nähen.
Ich schließe deshalb mit vielen herzlichen Grüßen und Küssen an Dich,
lieber Ernst,
Deine Annie.
Mein liebster Ernst
! 6.12.44 abends
Es will und will
einfach keine Post von Dir kommen. Zwar geht es mir nicht allein so, aus dem
Gebiet, wo du bist, kommt augenblicklich garnichts an. Aber ich würde mich soch
sehr freuen, wenn ich wieder einmal ein paar liebe Zeilen von Dir in den Händen
halten könnte. Ich muß eben Geduld haben.
Heute hatten wir es im Nähen besonders schön. Es kamen Mädels von
„Glaube und Schönheit“ und haben uns Lieder gesungen und einige Gedichte
vorgetragen als Vorweihnachtsfeier. Es
war wirklich schön. Als ich heim kam stand mir noch eine Nikolausfeier bevor.
Die Kinder waren im Wald gewesen und ahtten neue Tannenzweige geholt. Die
hatten sie auf den Tisch gelegt, dazu einen Apfel, einen kleinen Block, den sie
bunt beklebt hatten. Helga hatte mir ihren kleinen weißen Schwan geschenkt,
Jörg seinen Weihnachtsmann, an dem er doch so hängt. Dabei war noch eine Kerze
angezündet. Später fragten die Kinder, ob sie sich die Decken wieder holen
könnten. Als ich bejahte, fragte Jörg, ob ich ihm die Steppdecke holen könnte,
da er sie immer so schlecht vor kriegt.
Als ich mein Bett nun aufdeckte, lag da noch eine kleine Tüte. Darin
waren einige Apfelringe, einige Gebäckstücke und ein kleines Stück Schokolade
(ich hatte den Kindern zum Nikolaus einige Stücke von Deiner Schokolade
gegeben) So haben mich die Kinder nochmal überrascht. Es sind doch liebe
Kerlchen, nicht wahr? Morgen muß ich
beim Zahnarzt fragen, wenn ich einmal hinkommen kann, mir ist heute eine Plombe
rausgegangen. Freuen tue ich mich nicht gerade. Für heute grüße und küsse ich Dich wieder recht herzlich und bin
immer
Deine Annie.
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