Donnerstag, 19. März 2020

Brief 821 vom 9.11.44


Mein liebster Ernst !                                                                                             9.11.44       

Gestern habe ich einmal nicht geschrieben, denn ich konnte Dir doch wirklich nicht schon wieder nur erzählen, daß ich nähen war. Trotzdem es wieder sehr schön war. Es ist fast immer gesungen worden. Siehst Du, das ist beim Nähen das nette, man braucht nicht reden, wenn man nicht will. Wenn ich z.B. Resi besuche, da muß ich immer reden und das verleidets mir so. Beim Nähen aber brauch ich nur zuhören und kann meine Sachen dabei schaffen. Wenn ich mal Lust habe, kann ich auch meine Meinung äußern. Man hört manches Interessante, weil viele Evakuierten dabei sind, die aber wirklich nicht jammern. Es handelt sich bei den Gesprächen auch um keinen Klatsch, wo immer der oder jener verhandelt wird und das gefällt mir so.  Heute morgen habe ich  (unleserlich)  ...zusammen den restlichen ½ cb Mist ge ...(unleserlich) DAs Wetter war nicht gerade günstig dazu, aber es ließ sich nicht ändern. Ein ander Mal hätten wir ihn wieder nicht bekommen. Es waren gerade 3 Wagen voll Mist da. Nun bin ich froh, daß ich auch das habe.  Im Garten konnte ich die letzten Tage garnichts tun, denn es regnete immerzu und der Boden ist ganz aufgeweicht. Wenn es mal aufhört, dann muß ich vor allen Dingen die Dahlien abschneiden und ausgraben. Am Nachmittag habe ich mit der Maschine genäht. Ich habe sie einstweilen in der Küche stehen, damit sie gleichmäßig warm wird. Wenn ich sie nämlich aus dem kalten Zimmer hole und nähe dann gleich, da hackert sie schrecklich. Das ist dann auch nicht gut. Und jetzt habe ich ja öfter zu nähen, wenn die Gartenarbeit beendet ist.  Heute hat Herr Zahn wieder 7 Mk Gartenzins geholt.  Damit Du siehst, daß wir immer noch richtig Essen haben, will ich Dir auch den Speisezettel von gestern und heute schreiben. Gestern Mittag hatten wir Kartoffelsalat mit brauner Butter, am Abend Kartoffelklöße mit Zwiebelsoße. Heute gab es mittags Kartoffelbrei mit Bratwürsten, abends der restliche Kartoffelbrei gebraten, hinterher Tomatensuppe und Brot.  Das Wichtigste will ich nicht vergessen. Wir erhielten das Päckchen Nr. 2 mit Zigarren, Tabak, Bonbons und Bohnen. Diesmal war Jörg beim Öffnen dabei. Da konnte ich natürlich die Bonbons nicht aufheben, denn das ist so was seltenes, da haben die Kinder ja auch Appetit. Ich danke Dir für das Päckchen wieder sehr.  Bleib weiter gesund, lieber Ernst und behalt uns lieb wie wir Dich immer lieb haben.  Laß Dich oft und herzlich grüßen und küssen von 

Deiner Annie. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen