Mein lieber
Ernst! 14.11.44
Post habe ich heute nicht erhalten. DAfür
hatte ich ja gestern gleich 2 Briefe. Der Tag ist heute wieder schnell vorbei
gegangen. Am Vormittag habe ich mit der Maschine genäht. 3 Trainingshosen habe
ich ausgebessert. Die eine besteht ja nun fast mehr aus eingesetzten Stücken
als aus dem ursprünglichen Stoff. Aber es sieht garnicht so schlimm aus. Und
was will man auch mache. Trainingshosen konnte ich bisher nirgends bekommen. Da
muß eben alles richtig aufgetragen werden. Am Nachmittag war ich wieder nähen.
Die Kinder waren inzwischen in der Stadt.
Sie haben die Schuh von Jörg vom Schuster geholt. Helga wollte ihre
braunen Halbschuhe zum besohlen hinschaffen, aber sie wollten nur einen Flecken
drauf machen und das hätte wieder 3 Wochen gedauert. Da hat Helga die Schuh
wieder mitgebracht. Einen Flecken kann
auch ich drauf machen. Das geht dann schneller. Nach neuen Schuhen haben die
Kinder auch gefragt. ABer es hat noch keine gegeben. Vorhin ist Vater rauf gekommen. Es will uns von den Äpfeln, die
ich für ihn auf Paula‘s Karte geholt habe, welche abgeben. Ich nehme sie natürlich. Das Wetter war heute etwas milder. Geschneit
hat es nicht mehr. Der Matsch ist wenigstens auch schon ziemlich weggegangen.
Da ist man schon wegen den Schuhen froh. Die waren sowieso durchweicht. Abends hole ich jetzt immer den Koffer mit
Deinen Anzügen rauf und tue ihn nur tagsüber runter, wenn ich fort bin. In der
letzten Zeit konnte ich einfach nicht mehr ruhig schlafen. Immer wurde ich
munter, wenn ich ein geräusch hörte und meinte, es würde gestohlen. Denn im
Koffer sind ja alle Deine Anzüge drin. Das wäre eine schöne Überraschung, wenn
die weg kämen. Ich hatte im Keller auch unser großes Photoalbum. Das habe ich
auch raufholen müssen, denn die Lederecken und der Rücken waren ganz
verschimmelt. Es ist unten eben doch feucht.
Heute Abend hat mir Helga beim Strümpfe stopfen geholfen. Es ist doch
was wert, wenn man eine große Tochter hat. Verzweifelt ist sie ja fast, wenn in
den Stümpfen immer dünne Stellen waren. Sie meinte, lieber stopfe ich richtige
Löcher. So schafft man die ganze Zeit und sieht doch nichts davon. In der Leihbücherei habe ich mir ein Buch
von Gustav Frenssen „Meino der Prahler“ geholt. Das ist wirklich gut. Ich habe
es zwar noch nicht fertig gelesen. Aber der Anfang ist schon gut. Nun gehe ich
wieder schlafen. Wenn es etwas später wird, bin ich morgens immer so kaputt.
Laß mich darum schließen. Recht viele liebe Grüße und Küsse sollst Du kriegen
von
Deiner Annie.
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