Donnerstag, 19. März 2020

Brief 836 vom 28.11.44

Mein lieber, lieber Ernst !                                                                                  28.11.44          

 Dieser Brief gilt nicht für heute (diesen schreibe ich am Abend) sondern für gestern und da er gleich am Morgen geschrieben wird, kommt er auch so zeitig fort. Ich will also von gestern berichten.  In der Nacht hatten wir zwei Mal Voralarm und um ½ 6 Uhr Alarm. Da kamen eine Menge Flugzeuge. Sie waren in München. Den Vormittag über habe ich mich an die Maschine gesetzt und angefangen, Helga‘s Lodenmantel zu nähen. Bis zum anprobieren bin ich gekommen. Dann habe ich Essen gekocht und hinterher bin ich nähen gegangen. Als ich wieder raus kam, stand Vater da. Er wollte zu Paula rauf gehenund hatte auf mich gewartet, damit wir das Stück zusammen gehen konnten. Jörg kam mir mit seinem Reifen auch schon entgegengesprungen, während Helga in die Leihbücherei ihr Buch umtauschte. Sie kam dann auch bald heim. Wir haben dann Abendbrot gegesse. Hinterher packte mich wieder der Ar beitseifer und ich habe Helgas Matel fertig genäht. Es war dann 1 Uhr geworden und da war es soch zum schreiben zu spät, denn ich war wirklich müd.  Im Nähen hatte ich einmal einer Frau mit einer Schachtel Zigartetten ausgeholfen. Sie hat sie mir gezahlt und mir Brotmarken für ein Brot gegeben. Gestern gab sie mir dafür noch 2000g, also für zwei Brote. Ich wollte sie erst garnicht nehmen, aber sie meinte, es tät ihr bestimmt nicht weh und es sei ihr direkt peinlich gewesen, daß sie mir erst nur Marken für 1 Brot gegeben hätte.  Am Morgen war Jörg mit Richard im Wald und hat Holz geholt. Einige große starke Stangen und einen halben Sack kleine Stücke.  Ich habe mich sehr darüber gefreut.  Nun will ich Dir aber auch sagen, daß ich Deinen lieben Brief Nr. 118 vom 17.11. erhalten habe. Ich sage Dir vielen Dank dafür. Das mit dem Beutegut hast Du mir nun richtig erklärt. Warum ja alle Sachen den Russen in die Hände fallen müssen, das begreife ich auch nicht ganz. Aber wir sind eben immer zu überanständig und es wird uns doch nie gelohnt.  Doch nun muß ich schon wieder schließen. Ich will noch aufräumen , kochen suusw., damit ich zur rechten Zeit fort komme zum nähen. Laß Dich deshalb jetzt wieder recht herzlich grüßen und küssen von 

Deiner Annie.


Mein liebster Ernst !                                                                                   28.11.44    

Heute Morgen habe ich Dir den gestrigen Brief geschrieben, nun folgt der heutige. Den ganzen Vormittag über habe ich gebügelt und mir Sachen zum Nähen fertig gemacht. Bei Jörg waren an beiden Mänteln die Ärmel zu kurz geworden. Ich habe sie nun ausgelassen. An Helgas Lodenmantel war keine Kapuze, da der Stoff nicht langte. Nun habe ich die schwarze genommen, die sie schon immer hatte, habe vorn einen breiten Streifen vom Lodenstoff des Mantels aufgesetzt und und innen ist sie grün gefüttert worden. Nun paßt alles gut zusammen und kleidet Helga auch.  Morgen will ich vielleicht mit langen Hosen von Jörg anfangen. Vater hat zwar auch heute schon nach seinen Unterhosen gefragt, die ich ausbessern muß. Aber das wird alles nach und nach fertig werden.  Am Nachmittag war ich wieder beim Nähen. Wir haben z.Zt. scheußliche Knöpfe, da kommt man garnicht vorwärts. So habe ich heute auch nur 3 Z. fertig gebracht. Aber ich bin ja nicht auf den Verdienst angewiesen.  Vater kam vorher noch rauf. Es war bei Paula gewesen. Er hatte ihr Holz raufschaffen müssen. Sie hatten es vorher bei ihm untergestellt. Sie hat ja immer eine Arbeit für ihn. Darin ist sie groß.  Heute Mittag gab es bei uns Kartoffelpuffer (von rohen Kartoffeln) und Apfelmus. Das hat wieder geschmeckt. Nach langer Zeit haben wirs wieder mal gehabt.  Nun bin ich doch wieder müde. Es ist ja auch ½ 12 Uhr. Laß mich darum jetzt schließen. Mein liebster Ernst, viele liebe Grüße und Küsse schicke ich Dir  

Deine Annie.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen