Mein liebster, bester Ernst! 1.März 1945
Wieder ist ein Tag vorbei gegangen und immer noch habe ich
keine Post von Dir. Vielleicht dürfte ich nicht so ungeduldig sein, denn es ist
ja erst eine Woche her, seit Du evtl. in Leipzig sein kannst. Aber ich sehne
mich so nach einem lieben Gruß von Dir. Wenn Du nur den Angriff auf Leipzig gut
überstanden hast. Manchmal meint man, man müßte eine gute Nachricht
herbeizwingen können. Während des
heutigen Tages hatten wir 2 Mal Alarm und 1 mal Voralarm. Es ist wieder gut
vorbei gegangen. Tagsüber hatte ich große Wäsche, den ganzen Tag hatte es
Hochnebel, nur gegen Abend heiterte es sich auf. Ich habe aber trotzdem die
Hälfte trocken bekommen. Nun haben wir uns auch eine Kochkiste gemacht. Wir
haben die Polyphonkiste dazu genommen. Eingeweiht haben wir sie auch schon.
Während der Nacht kochen weiße Bohnen darin. Weißt Du, was wir jetzt auch
benutzen? Den Tauchsieder, den Du einmal gekauft hast. Meinen Gasanteil habe
ich schon soweit aufgebraucht durchs bügeln und kochen. Zum Kaffee aufwärmen
nehme ich den Tauchsieder, wenn ich noch kein Feuer machen will. So kommen wir
schon durch. Man muß sich nur erst umstellen.
Jörg hatte heute schon den dritten Tag keine Schule wegen den
Alarmen. Er nimmt es ja nicht tragisch.
Aber besser wäre es doch, er hätte Unterricht. Lieber Ernst! Ich muß jetzt
schlafen gehen. Ich bin so müd, mir fallen schon die Augen zu. 2.3. Nun habe
ich wieder ausgeschlafen. Wir hatten während der Nacht keinen Alarm. Heute sind
wir etwas zeitiger aufgestanden, denn ich will nachher die Lebensmittelkarten
holen und noch in die Stadt gehen, um Geld zu holen und verschiedenes zu
besorgen. Etwas Geld zahle ich auch noch ein.
Nun laß mich wieder schließen. Vielleicht erlebe ich beim Heimkommen,
daß ein lieber Brief von Dir da ist.
Sei recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von
Deiner Annie.
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