(Der folgende Brief
wurde nicht abgesandt)
Mein liebster Ernst! 11.12.44
Gestern habe ich nicht geschrieben. Ich war
garnicht in Stimmung dazu. Ich schrieb Dir ja vorgestern, daß wir eine Frau
aufnehmen sollten. Das wäre mir nicht so schlimm gewesen, trotzdem wir uns dann
auch fast nicht mehr hätten frei bewegen können. Was mich aber empörte war das,
daß viele große Wohnungen nicht belegt sind. Das hat mich gewurmt. Ich bin nun
heute früh ins Konzil gegangen. Ich habe meine SAche vorgetragen. Ich sagte
auch, es seien noch genug Wohnungen bezw, Zimmer leer. Man fragte mich, ob ich
Angaben machen könnte. Ja, sagte ich, fragen sie doch mal in der Austraße. Auch
anderswo hat es Zimmer. Da sagt das Fräulein zu dem einen Mann „ja, ich habe
auch noch gar keine Angaben vom AdolfHitlerUfer. Da hatte ich genug gehört. Das Frl. sagte dann, ich gehörte zur
Ortsgruppe West und müßte mich dahin wenden. Diese Stelle ist gleich gegenüber
vom Ziegelhof und so bin ich vom Nähen gleich zwischendurch mal hingegangen.
Ich habe zu einem Frl. gesagt:“Ich kann
die Frau nicht aufnehmen, es ist wirklich zu klein. Man muß doch ein Zimmer
haben, wo es ein bißchen warm ist und wo man sich ausziehen und waschen kann.“
Das Frl. sagte, man würde sich ja nicht
immer ausziehen und waschen. „Nein“, sag
ich, „ aber morgens und abends, wenn die Frau da ist. Ich kann sie nicht
einpserren.“ So genau kann ich nun alles nicht wiedergeben. Nur so
verschiedenes. Als das Frl. sagte, ich hätte das Zimmer doch abgegeben, sagte
ich“Abgegeben? Genommen hat man mirs einfach. Beim A.H.Ufer fragt man höflich,
haben sie ein Zimmer frei und dann sagen sie nein. Uns zwingt man bei unseren
kleinen Wohnungen einfach.“ Das Frl. fing noch an von Beschlagnahmen durch die
Polizei. Da habe ich gesagt, aber unsere Wohnungen nicht. Im Zimmer war noch
ein jüngerer Mann. Der sagte auf einmal „Die Frau sagt endlich mal die
Wahrheit, wie es ist. In keiner Stadt habe ich so eine Vetternwirtschaft
gefunden wir hier. Vor den Höheren bückt man sich und ist überaus höflich. Den
anderen gegenüber ist man gerade das Gegenteil. Wenn das der Führer sehen würde wie es hier ist, würde er den
Kopf schütteln und dazwischenschlagen. Ich kann ihnen auch ruhig sagen, wer ich
bin. Ich bin von der Gestapo. Das Frl.
sagte, ich müßte die Frau eben solange behalten, bis sie ein neues
Quartier hätte. Ich sollte zusehen, daß
ich ein neues Zimmer besorgen könnte. Ich sagte, daß das nicht Arbeit sei. Aber
sie sollte mir die Adresse der Frau geben, die unsere Wohnung mit besichtigt
hat. Die war nicht so unrecht, nur der Mann. Da bin ich dann hin, traf sie aber
nicht an. Ich bin dann nochmals zur Ortsgruppe und wollte fragen, warum sie
denn nicht ein Zimmer bei Leuten belegen, die zu zweit sind. Da hatten sie
scheinbar gerade von mir geredet. Das Frl. sagte zu einem Mann, das ist die
Frau. „So“, fing der an „ sie wohnen in den städt. Häusern. Da hat es doch
große Küchen. In der Stube sind sie ja doch nicht. Keiner will ein Zimmer
abgeben. Es ist eine Schande. Ich wills nicht hoffen, aber wenns bei uns mal
schlimm werden sollte, da hätte dann Jeder auf einmal Platz.“ Ich sagte ihm,
daß das damit garnichts zu tun hätte. Er ging dann wütend und dann kam die Frau
Brecht, die unsere Wohnung gesehen hatte.
Mit der habe ich dann gesprochen und die war dann so freundlich. „Frau
Rosche“, meinte sie „bei ihren Wonungen kann sie niemand zwingen, ein Zimmer
abzugeben. So weit sind wir noch nicht. Das kommt ganz auf ihre
Bereitwilligkeit an. Da kann man nichts beschlagnahmen. Das ist nur ein
Notquartier. Am Samstag stand ich mit einem Tranport von 65 Leuten da. Ich habe
sie einstweilen überall hingeschickt. Aber die Frau bei ihnen hat schon
abgesagt. Es war ihr zu klein und sie wollte auch einen Kleiderschrank haben.
Nein, sie müssen sich keine Sorgen machen. solange noch große Zimmer frei
stehen, dräne ich die Leute in den kleinen Wohnungen nicht. Sollen später zwar
alle belegt sein, dann kann es schon sein, daß wir auch darauf zurückgreifen
müssen.“ Ich sagte, daß ich das selbstverständlich einsehe. Es kann auch
vielleicht sein, daß mal jemand auf dem Durchtransport 1 2 Nächte hier schläft. Dann bin ich auch
nicht so. Man wüßte ja selber, wie das ist. Zum Schluß sagte auch Frau Brecht
„aber sie dürfen auch nicht vermieten.“ Als ich sagte „aber ich vermiete doch
nicht,“ meinte sie „nehmen sie auch keine Soldatenfrauen auf, ihr Blockleiter
(Herr Kuhnert) hat das nämlich gemeldet.“ Da habe ich nun 2 mal Jemand
aufgenommen, weil es mir leid tat, sie auf der Straße stehen zu lassen und das
ist der Dank. Aber von den Nachbarn bin ich es ja nicht anders gewöhnt. Da
wollen wir uns nicht ärgern. Wie wohl
das tut, wenn mal Einer freundlich ist, das glaubt man garnicht. Ich habe mich
wirklich gefreut, daß ich in der Frau Brecht einen solchen Menschen gefunden
habe.
Mein liebster Ernst
! 11.12.44
Gestern habe ich
nicht geschrieben, ich hatte keine Stimmung dazu. Ich schrieb Dir ja
vorgestern, daß wir eine Frau aufnehmen sollten. Das wäre mir nicht so schlimm
gewesen, trotzdem wir uns dann fast nicht mehr rühren könnten. Was mich empörte war das, daß viele große
Zimmer noch frei stehen und uns will man zwingen, Jemand zu nehmen. Ich bin
deshalb heute viel herumgerannt und hatte viel Ärger. Zum Schluß traf ich dann
auf eine Frau, die diese Sache mit bestimmt. Die war dann sehr freundlich und
sagte mir auch, daß man unsere Zimmer noch nicht beschlagnahmen kann. Soweit
wären wir nicht. Die Frau, die wir aufnehmen sollten, kommt nun auch nicht. Es
könnte höchstens sein, daß wir mal Jemand auf 2 3 Tage kriegen, wenn mal höchste Not ist und gerade kein Quartier
da. Da bin ich dann auch nicht so. Man
will ja die Leute nicht auf der STraße stehen lassen. Ich hatte Dir vorhin über die Sache schon einen ausführlichen
Brief von 6 Seiten geschrieben. Aber vielleicht ist es doch besser, ich schicke
ihn nicht weg. Man weiß nicht, wem er evtl,. in die Hände fällt. Jedenfalls
habe ich jetzt wieder ganz anderen Mut als gestern. Ein freundlicher Mensch tut
doch Wunder. Ich habe es der Frau auch gesagt: „Sie sind der erste Mensch, der
heute freundlich mit mir redet. Alle anderen haben mich bloß angebrüllt.“ Sollten später mal alle großen Zimmer
belegt sein, dann kämen wir natürlich auch noch dran, daß wir Jemand nehmen.
Aber wenn sich alle einschränken, tut mans dann aus freien Stücken. Das ist
doch klar. Du weißt ja, daß ich gern mit gutem Beispiel voran gehe, aber die
Ungerechtigkeit darf nicht zu groß sein.
Heute erhielt ich Deine lieben Briefe Nr. 121, 122, 123, 127 vom 20.,
23., 24. und 28.11. Recht vielen Dank
dafür. vor allem gratulieren ich Dir zum eiserenen Kreuz und zum
InfantrieSturmabzeichen. Ich freue mich wirklich darüber, daß Deine Leistungen
anerkannt werden. Alles zu beantworten,
dazu komme ich heute Abend nicht. Aber vielleicht das Wichtigste. Die Kämpfe sind und nun wirklich nahe
gerückt. In der vorletzten Nacht haben sie ja im Scharzwald Luftlandetruppen
abgesetzt. Die Gefahr soll aber vorerst beseitigt sein. Es war ein
Artellerieschießen in den letzten Tagen, ohne Aufhören. Was hier wird, das
wissen wir noch nicht. Bis jetzt sind wir noch da und nehmen Flüchtlinge auf.
Unser Gepäck habe ich auf jeden Fall soweit gepackt. Die 2 Truhen sind auch
gepackt zum evtl. wegschicken. Aber
jetzt hat es gar keinen Wert. Unterwegs ist es noch unsicherer. Außerdem ist
jetzt so viel Flüchtlingsgut unterwegs. Der Paketverkehr ist augenblicklich in
unserem
Paketverkehr ist augenblicklich in unserem Gau auch
gesperrt. An Dora zu schreiben hat gar keinen Wert. Wir kämen ja mit der Bahn
nicht fort. Man muß verschiedene Bescheinigungen haben, polizeiliche und
andere, bis man fort darf, also ehe man mit dem Zug fort darf. Du mußt Dir um
uns auch gar keine Sorge machen. Wir warten jetzt ab wie alle anderen auch.
Unser Päckchen ist gepackt. Mehr kann man nicht tun. Sollten wir fort kommen,
könnte ich ja evtl. erst mal mit den Kindern nach Leipzig fahren. von dort könnten
wir weiter sehen. Also nur keine Sorge. Von Reichskreditkassenscheinen haben
wir noch 48, da. Ich werde sie umwechseln. Das serbische Geld wechsle ich auch
um. Hätte ich das gewußt, daß ich eine Flasche Cognac mit hätte einpacken
sollen. Wie gern hätte ich das getan. Nun ist es leider schon zu spät. Sehr
schade. Ich habe mich wirklich auch gefreut, daß Siegfried an uns gedacht hat.
Wenn nur alles richtig ankommt. Gebrauchen kann man es schon. Daß Du Dich
verstecken mußt, weil Siegfried nun 50,Mk schickt, das ist nun ganz und
garnicht der Fall. O Kerlchen, was hast du nicht schon alles geschickt und uns
getan. Du bist ja der allerliebste Mann und allerliebste Vater. Jetzt mach Dir
nur noch Sorgen, daß Du uns jetzt nichts schicken kannst. Da schimpfe ich aber.
Du hast immer an uns gedacht, solange du was bekamst. Für alle Deine Sorge um
uns können wir Dich ja garnicht genug lieb haben. Unser Junge hat am Führerdienst, ja am ganzen HJ Dienst riesige
Freude. Er ist immer dabei. Es müßte schlimm zugehen, wenn er einmal einen
Dienst verpassen würde. Wenn Dein
Nikolausbrief ankommt, werde ich Helga und Jörg von Dir je 4 Mk geben. Da
werden sie sich freuen. In der
Pilzfrage sind wir uns also einig. Na ja, der Lehrer Riester muß man so dumm
lassen. Man merkt, daß es ein alter Junggeselle ist. Er ist direkt
verknöchert. Doch nun laß mich
schließen. Es ist schon ¼ 12 Uhr geworden. Bleib Du, mein lieber, lieber Ernst
immer gesund und behalte lieb Deine Annie.
Liebes Vaterle !
12.12.
früh Heute morgen, als wir noch im Bett lagen, kam Mutter und sage uns, daß Du
das E.K.2 und das silberne Sturmabzeichen bekommen hast. Du kannst Dir denken,
wie wir uns gefreut haben. Heute auf dem Schulweg erzähl‘ ich es der Ingrid, da
wird sie schauen. Also ich gratuliere Dir und verbleibe unter herzlichen Grüßen
und vielen Küssen
Deine Helga.
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