Brief 816 vom 3.11.44

 Mein liebster Ernst !                                                                                                   3.11.44        

Mit meinen freien Tagen scheine ich diesmal kein Glück zu haben.  Gestern und heute war schlechtes Wetter, sodaß ich meine Wäsche nicht aufhängen konnte und im Garten war es mit umgraben auch nichts, denn die Erde ist ganz naß. Na ja, ganz so eilig ist es ja nicht. Wir werden schon noch fertig werden. Langweilig war es mir heute trotzdem nicht, denn es war Putztag und am Nachmittag habe ich mit der Maschine genäht. Wenn ich mal beim nähen bin, dann tue ich es sehr gern, denn es ist einfach ein nettes Gefühl, wenn man wieder etwas ausgebessert hat und man weiß, es ist für eine Weile wieder gerettet. Natürlich ist es auch schön, wenn man ein neues Stück nähen kann. Aber das kommt ja nicht so oft vor wie das ändern aus alten Sachen. Wie ich Dir im vorigen Brief schon schrieb, mußte ich wieder ein Regal für Spielsachen ins Kinderzimmer stellen. Jörg hat ja so viel Bastelsachen, mal einen Schützengraben, mal ein Langrohrgeschütz, eine Schwebebahn, einen M.G.Stand, eine Brücke mit VErkehrsschildern und Richtungsweisern usw. Wo soll man das alles unterbringen?  Dazu noch seine Soldaten und Flieger. Ich bin solange über alles gestolpert, bis ich das Regal geholt habe, in der Hoffnung, daß ich nun wieder laufen und putzen kann, wie ich will. Wenn ich nämlich unter den Betten wischen wollte, bums, fuhr ich in eine Leiter oder in ein Auto. Dann gab es noch bei Jörg Tränen, wenn etwas verbogen war. Diese Woche ist Sparwoche. Da wollen die kinder morgen noch ihr Geld einzahlen. Jeder hat 22,50 Mk. Die je 50 Pfennig haben sie noch von Vater bekommen, der vorhin gerade noch da war.  Helga war heute wieder einmal im KdF Turnen. Da hat sie sogar auf einem Tisch turnen dürfen. Das hat sie natürlich sehr stolz gemacht.  Ich freue mich ja mit ihr.  Nun gehe ich wieder schlafen. Mit ist es jetzt immer am wohlsten, wenn ich zeitig ins Bett komme. Da bin ich am anderen Tag viel frischer.  Nun sende ich Dir viele Grüße und Küsse. (Die Du später einmal alle noch bekommst) und bin immer 

Deine Annie.