Donnerstag, 19. März 2020

Brief 819 vom 6.11.44


Mein liebster Ernst !                                                                                                 6.11.44       

Die Woche hat mit sonnigem, windigem Wetter begonnen. Ich habe dieses ausgenutzt und bin gleich am Morgen in den Garten gegangen zum umgraben. Ein ganzes Stück bin ich weiter gekommen. Ca. ¼ des Gartens ist noch umzugraben.  Na, damit werde ich auch nocht fertig. Am Nachmittag war ich nähen.  Einen Brief habe ich heute nicht bekommen, dafür aber die Päckchen 4 und 5 mit 2 Dosen Fisch, Bonbons, Zigarren, Zigaretten, Tabak und Bohnen. Die Bonbons hebe ich wieder auf. Ich danke Dir sehr dafür, daß Du uns diese Sachen geschickt hast. Du wirst nun auch Deine Freude haben, daß alles angekommen ist. Du schriebst es ja einmal. Den Fisch werden wir auch gut verwenden können. So etwas ist ja jetzt eine Seltenheit.  Auf den Päckchen stand „Kein Beutegut. Inhalt geprüft“ wie Du auf dem ausgeschnittenen Packpapier siehst. Wa rum wird das gemacht? Wo hättet Ihr dort Gelegenheit, Beute zu machen?  Von Papa bekam ich heute einen kurzen Brief mit einem Zeitungsroman. Gerade gestern hatte ich ja an ihn geschrieben.  Morgen früh schreibe ich weiter. Ich muß erst ma mit dem einen Daumen ein Seifenbad machen. Er tut mir an der Seite weh. Sonst kann ich morgen nicht nähen. Ich weiß nicht, was ich mal wieder mit dem Daumen gemacht habe.  7.11. Die Nacht ist wieder vorbei. In der Nacht hat der finger ziemlich weh getan, aber jetzt bessert er sich wesentlich. Man hat keinen riß oder Stachel oder etwas ähnliches gesehen, er wurde nur rot und dick. Jörg tun alle Gelenke weg, scheinbar hat er schlecht gelegen. Helga hat sich gestern die Beine aufgeschlagen und außerdem hat sie einen richtigen Muskelkater.  Nachdem das Wetter gestern schön war, hat es heute gänzlich umgeschlagen. Stürmisch ist es immer noch, vielleicht noch mehr als gestern, aber dabei regnet es heftig. Ich bin grad froh, daß ich gestern gleich im Garten was getan habe.  Heute Vormittag muß ich noch das WAschhaus putzen, ehe ich am Nachmittag zum nähen gehe. _ Jörg wollte Dir gestern schreiben. Da bekamen sie aber den Bescheid, daß sie ½ 3 Uhr auf dem Bann sein müßten. Sie bekämen eine Bescheinigung zum Kauf einer langen Uniformhose. Jörg war dort. Sie mußten eine Weile warten, dann hieß es, er hätte keine Bescheinigungen mehr, sie müßten heute wiederkommen. Nun wird wahrscheinlich dieser Tag auch wieder vorbei gehen, ohne daß Jörg zu etwas kommt. Denn am Abend muß er ja noch seine Aufgaben machen. Ich weiß garnicht, ob ich Dir schon einma geschrieben habe, daß die städt. Behörden jetzt auch länger schaffen müssen. Soviel ich weiß, abends bis ½ 7 Uhr. Da wird das Jugendamt doch sicher dabei sein.  Dr. nast ist jetzt auch gestorben. Er war erst 56 Jahre alt. Er hat scheinbar monatelang leiden müssen. Wir waren doch früher mit den Kindern auch öfter bei ihm.  So, nun muß ich mich an die Arb eit machen, sonst komme ich nicht rechtzeitig fort. Dich mein lieber Mann grüße und küsse ich wieder ganz herzlich 

Deine Annie.

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