Donnerstag, 19. März 2020

Brief 813 vom 29.10.44


Liebster, bester Mann!                                                                                    29.10.44       

Es ist Sonntagabend. Die Kinder räumen gerade ihre Schulsachen für morgen zusammen, denn nun soll ja der Unterricht wieder beginnen. Vorhin haben wir Abendbrot gegessen, hinterher abgewaschen und aufgeräumt und nun habe auch ich Feierabend. Am Morgen waren wir bei der Trauerfeier für den Werner Begero in der Lutherkirche. Man muß schon gehenm da es ja Nachbarn sind. Es war ein richtiger Gottesdienst und hinterher eine kurze Trauerfeier. Aber ich muß sagen, an diesem einen Kirchgang habe ich wieder für lange Zeit genug. Das Orgelspiel und das Singen ist schon recht, aber die Predigt, die hat mirs verleidet. So ein langmächtiges Gered um einen kurzen Inhalt, solch an den Haaren herbeigezogene Gleichnisse. Mir hat es garnicht zugesagt.  Nach dem Gottesdienst waren wir noch in der Wochenschau. Man sah Bilder aus einer englischen Wochenschau von den Kämpfen in Paris. Da geht es schlimm her. Dann auch englische Bilder vom V1 Beschuß. Das andere waren Bilder von den Evakuierungsmaßnahmen im Westen und Osten usw.  Wir sind dann heimgelaufen. Am Nachmittag waren Jörg beim spielen, Helga bei Ingrid. Ich habe daheim gestopft und dann verschiedene Schuhe der Kinder genäht. Da ich gerade bei den Schuhen bin, Deine Schuhe, die Du mir hier gelassen hast, haben mir schon sehr gute Diienste geleistet. Ich konnte sie bei der Gartenarbeit anziehen, da waren sie schön weit und drückten mir nicht auf den Fuß. Ich konnte auch weiche Socken drunter anziehen. Da möchte ich Dir heute nochmals für die Schuhe danken.  Die Bereifung vom Damenrad ist jetzt so schlecht, daß man nicht mehr damit fahren kann. Ich wollte nun vom Rad von Kurt einen Reifen abmachen, aber das geht nicht. Es ist Drahtbereifung, es ist am Mantel also an der Seite kein Einschnitt zum unterstecken ins Rad, sondern am Rad geht ein Draht ringsum. Jetzt werden wir vielleicht von Deinem Rad einen Mantel runternehmen. Hoffentlich hast Du nichts dagegen. ABer auf dem Damenrad kann Helga besser in die Schule fahren. Laß mich nun wieder schließen. Da die Kinder morgen wieder in die Schule müssen, wollen wir nicht so spät zu Bett gehen.  Ich grüße und küsse Dich, mein liebster Mann, recht herzlich. Deine Annie. Lieber Ernst!           30.10. Ich kann den Brief erst zu Mittag fortbringen, da möchte ich Dir gleich noch die Karte vom Wittenburg mitschicken, die vorhin ankam. Vorhin erhielt ich auch das Päckchen Nr. 3 mit Zigarren, Tabak, Schokolade und Bonbons. Die Kinder waren ja nicht da, da konnte ich die zwei letzten Sachen gut versorgen, denn die werden für Weihnachten aufgehoben. Ich danke Dir recht sehr für diese schönen Sachen, ich freue mich mächtig. Nochmals viele Grüße 

Deine Annie.

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