Liebster, bester
Mann! 29.10.44
Es ist Sonntagabend.
Die Kinder räumen gerade ihre Schulsachen für morgen zusammen, denn nun soll ja
der Unterricht wieder beginnen. Vorhin haben wir Abendbrot gegessen, hinterher
abgewaschen und aufgeräumt und nun habe auch ich Feierabend. Am Morgen waren
wir bei der Trauerfeier für den Werner Begero in der Lutherkirche. Man muß
schon gehenm da es ja Nachbarn sind. Es war ein richtiger Gottesdienst und
hinterher eine kurze Trauerfeier. Aber ich muß sagen, an diesem einen Kirchgang
habe ich wieder für lange Zeit genug. Das Orgelspiel und das Singen ist schon
recht, aber die Predigt, die hat mirs verleidet. So ein langmächtiges Gered um
einen kurzen Inhalt, solch an den Haaren herbeigezogene Gleichnisse. Mir hat es
garnicht zugesagt. Nach dem
Gottesdienst waren wir noch in der Wochenschau. Man sah Bilder aus einer
englischen Wochenschau von den Kämpfen in Paris. Da geht es schlimm her. Dann
auch englische Bilder vom V1 Beschuß. Das andere waren Bilder von den
Evakuierungsmaßnahmen im Westen und Osten usw.
Wir sind dann heimgelaufen. Am Nachmittag waren Jörg beim spielen, Helga
bei Ingrid. Ich habe daheim gestopft und dann verschiedene Schuhe der Kinder
genäht. Da ich gerade bei den Schuhen bin, Deine Schuhe, die Du mir hier
gelassen hast, haben mir schon sehr gute Diienste geleistet. Ich konnte sie bei
der Gartenarbeit anziehen, da waren sie schön weit und drückten mir nicht auf
den Fuß. Ich konnte auch weiche Socken drunter anziehen. Da möchte ich Dir
heute nochmals für die Schuhe danken.
Die Bereifung vom Damenrad ist jetzt so schlecht, daß man nicht mehr
damit fahren kann. Ich wollte nun vom Rad von Kurt einen Reifen abmachen, aber
das geht nicht. Es ist Drahtbereifung, es ist am Mantel also an der Seite kein
Einschnitt zum unterstecken ins Rad, sondern am Rad geht ein Draht ringsum.
Jetzt werden wir vielleicht von Deinem Rad einen Mantel runternehmen.
Hoffentlich hast Du nichts dagegen. ABer auf dem Damenrad kann Helga besser in
die Schule fahren. Laß mich nun wieder schließen. Da die Kinder morgen wieder
in die Schule müssen, wollen wir nicht so spät zu Bett gehen. Ich grüße und küsse Dich, mein liebster Mann,
recht herzlich. Deine Annie. Lieber Ernst! 30.10. Ich kann den Brief erst zu Mittag fortbringen, da
möchte ich Dir gleich noch die Karte vom Wittenburg mitschicken, die vorhin
ankam. Vorhin erhielt ich auch das Päckchen Nr. 3 mit Zigarren, Tabak,
Schokolade und Bonbons. Die Kinder waren ja nicht da, da konnte ich die zwei
letzten Sachen gut versorgen, denn die werden für Weihnachten aufgehoben. Ich
danke Dir recht sehr für diese schönen Sachen, ich freue mich mächtig. Nochmals
viele Grüße
Deine Annie.
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