Donnerstag, 19. März 2020

Brief 802 vom 15.10.44


Liebster, bester Schatz !                                                                                   15.10.44      

Ja, ich muß mir direkt überlegen, was ich Dir eigentlich schreiben soll. Es war ein ganz ruhiger Sonntag. D.h. Alarm haben wir 3 gehabt. Einmal kamen 11 Flugzeuge angeflogen und ein Stück weiter hin setzte der eine zum Tiefflug an. Man hörte deutlich das typischen Geräusch. Was werden sie wieder angegriffen haben?  Sonst könnte ich eigentlich nichts weiter beri chten, denn ich habe am Nachmittag nur gestopft.  Meinen verwundeten Fuß habe ich heute zum ersten Mal wieder gebadet. Bisher hatte ich ihn nur gewaschen. Nach dem Bad hat der Fuß ziemlich weg getan, aber geschehen kann doch nichts, wenn die Wunde geschlossen ist.  Nun haben wir auch Athen geräumt. Es war ja bald vorauszusehen, denn sonst wären wir ja abgeschnitten worden.  Hoffentlich haben sie alle Leute zurück bekommen. Nur die Soldaten auf den Inseln tun mir leid, denn sie müssen diese halten. Diese Soldaten sind doch verloren. Eben hörte ich im Radio, daß Rommel seinen Kopfverletzungen erlegen ist. Um diesen Mann ist es auch sehr schade.  Von morgen ab will ich wieder im Ziegelhof mit nähen beginnen. Da muß ich ja nicht viel laufen, sondern kann die ganze Zeit sitzen.  16.10. Den Brief habe ich heute garnicht weggeschickt, denn er kam mir so fad vor. Aber heute habe ich mehr zu schreiben, denn stell Dir vor, ich habe heute fünf Briefe von Dir erhalten, fünf liebe Grüße. Ich habe mich riesig gefreut, ganz riesig.  Vor allem gratuliere ich Dir zum Gefreiten . Fein ist das. Am liebsten würde ich Dir einen ganz festen Kuß geben. Ich habe mich sehr gefreut, trotzdem Du mir als Grenadier genau so lieb warst. Ich habe ja nicht die Uniform gern, sondern den lieben Kerl, der drin steckt. Und der hat sich ja nicht verändert, nicht wahr? Du bist genau mein liebster Mann geblieben.  Doch nun will ich erst mal sagen, welche Briefe ich bekommen habe. Es sind die Nummer 77, 79, 80, 81, 82 vom 3., 5., 7., und 9.10.  Nun bist Du schon wieder im vordersten Graben und immer heißt es jetzt Kämpfe am Narew. Wahrscheinlich wird das auch bei Euch dort sein. Ich bin immer mit meinen Gedanken bei Dir und hoffe Dich immer gesund.  Es muß ja dort schlimm mit den Fliegen sein. Ich werde schon nervös, wenn einige Flieben einen pisacken. Aber ich glaube, das müßte man sich dort abgewöhnen. Man muß eine harte Pelle bekommen.  Die Karte an Siegfried schicke ich fort. Ich werde gleich von mir einige Zeilen beifügen, denn ich hatte ja eine Karte erhalten.  Ich danke Dir, daß Du nichts dagegen hast, daß ich nähen gehe. Da gehe ich nochmal so gern, wenn ich weiß, Du bist gern damit einverstanden. Heute war ich das erste Mal im Ziegelhof. Es hat mir wieder gut gefallen. Eigentlich hätte ich in die Petershauser Schule müssen, dort nähen die Freiwilligen, im Ziegelhof die Verpfichteten. Aber es soll wahrscheinlich in einem Nebenzimmer noch eine Abteilung für freiwillige Helferinnen eingerichtet werden. Ich werde ja sehen, wies wird..  Ich glaube nicht, daß der Haushalt und vor allem die Kinder durch mein Schaffen irgendwie leiden. Jörg ist ja nachmittags auch nicht da und Helga wird auch bald schaffen. Dann finden wir uns erst abends wieder zusammen.  Die Kürzung der Brotration ist ja nicht so erheblich. Wir hatte eine zeitlang schon mal weniger, und die Kinder haben ja nicht gekürzt bekommen.  Mit den Kartoffeln, die wir haben, kommen wir sicher aus. Der Garten    hat ja viell geholfen. Von Resi könnte ich auch keine erhalten, weil sie sich einen Bezugsschein für direkten Bezug vom Land besorgt hat. Da hat sie den allgemeinen Bestellschein abliefern müssen. Aber wie gesagt, mir langen sie. Du bist ja sehr lieb, daß Du uns in einem Päckchen eine Tafel Schokolade und Bonbons mitgeschickt hast, aber Du lieber, böser Mann, Du sollst die Sachen doch behalten. Du hast doch sonst garnichts. Für diesmal danke ich Dir recht sehr. ABer gel, lieber Schatz, nächstes Mal behältst Du‘s. Wir können Dir ja jetzt garnichts schicken, wo nur 100 g Päckchen mit Marken frei sind. Da freue ich mich, wenn Du wenigstens einmal ein Stück Schokolade oder ein paar Bonbons essen kannst. Für diesmal sollst Du einen recht festen Kuß von mir bekommen. Hoffentlich kommt alles gut an. Hier werden ja jetzt soviel Züge beschossen.  Wohnst Du mit Deinem Feldwebel in einem besonderen Bunker? Oder habe ich das falsch verstanden? Das erklärst Du mir bitte ma noch genau, nicht wahr? Daß man das eigentlich durchalten kann, in 4 Tagen fast nur 5 Stunden schlafen. Du weißt ja, wie bald ich abends immer einschlafe. Aber unter den Umständen, unter denen Ihr jetzt lebt, wächst man wohl über sich hinaus.  Daß Du Gefreiter geworden bist, hatte ich auf dem Briefumschlag noch nicht gelesen. Wenn ich einen Brief von Dir erhalten, so sehe ich ja an der Schrift, daß er von Dir ist.  Da schaue ich auf keine Adresse mehr, sondern mache ihn schnell auf, damit ich lesen kann, was Du mir schreibst.  Die Hand unserer kleinen Helga ist wieder heil geworden. Wir haben auch immer Seifenbäder gemacht.  Am Samstag fragte der Gauggel wieder, ob ich Zigaretten hätte. Ich bekäme dafür Nüsse. Ich sagte ihm, daß ich erst welche auf meine Karte holen müßte. Sonst meint er, ich habe immer welche da. Heute habe ich fragen lassen, ob er noch Nüsse hat. Ein Pfund habe ich bekommen und habe ihm dafür 12 schwarze Zigaretten gegeben. Die sind nicht so teuer. Wenn ich was dafür erhalte, gebe ich eher was her.  Heute haben wir im Garten die Bohnenstangen raus gemacht. Ein bißchen muß man ja mit dem Abräumen beginnen. Apfelringe habe ich auch nochmals geschnitten. Überall habe ich jetzt schon die Beutel hängen. Aber wir werden sie schon verwenden können. Da habe ich keine Angst.  Nun schließe ich wieder. Ich grüße und küsse Dich oft, fest und herzlich und denke immer an Dich Deine Annie.  Liebes Vaterle ! In e4ster Linie danke ich Dir erst mal für die vielen Grüße und Küsse, welche Du uns immer mitschickst. In dem Brief vom 9.10. schriebst Du, ob meine  Hände wieder gesund sind. Ja, die sind wiedeer gesund. Wir haben so viele Seifenbäder gemacht, daß alles weggegangen ist. Bloß daß jetzt an dem einen Finger der Fingernagel abgeht. Aber das macht nichts. Übrigens, ich gratuliere Dir zur Beförderung zum Gefreiten. Das ist ja pfundig. Heute rief uns Mutter rauf und fragte, ob wir etwas auf dem Briefumschlag merken würden. Ich dachte erst an eine neue Feldpostnummer, aber da schaute Jörg schon darauf und merkte gleich, daß Du Gefreiter bist. Also ich gratuliere nochmals. So nun muß ich aufhören, denn ich muß nun abtrocknen.  Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga. Liebes Vaterle ! Wie Dir Mutterle schon schrieb, bin ich jetzt beim Gärtner Leirer da im Riesenbergweg, wo es mir gut gefällt. Es sind keine gerade schweren Arbeiten. Ich habe mir eine Leiter für meine Soldaten gemacht, die ist 1,50 m lang. Ich habe Räder drangemacht, ich kann sie an ein selbstgebautes Auto anhängen, welches ich Dir doch gezeigt habe. Die Leiter und das Auto habe ich aus dem „Merkur“Baukasten gemacht. Die Leiter ist an der Seite aus Metallstäben in der Mitte aus Schnüren. Vile 1000 Grüße und 10000000000000000 mal 9000000000000000000000000 Küsse von 

Deinem Jörg.


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