Liebster, bester Schatz ! 15.10.44
Ja, ich muß mir direkt überlegen, was ich Dir eigentlich
schreiben soll. Es war ein ganz ruhiger Sonntag. D.h. Alarm haben wir 3 gehabt.
Einmal kamen 11 Flugzeuge angeflogen und ein Stück weiter hin setzte der eine
zum Tiefflug an. Man hörte deutlich das typischen Geräusch. Was werden sie
wieder angegriffen haben? Sonst könnte
ich eigentlich nichts weiter beri chten, denn ich habe am Nachmittag nur
gestopft. Meinen verwundeten Fuß habe
ich heute zum ersten Mal wieder gebadet. Bisher hatte ich ihn nur gewaschen.
Nach dem Bad hat der Fuß ziemlich weg getan, aber geschehen kann doch nichts,
wenn die Wunde geschlossen ist. Nun
haben wir auch Athen geräumt. Es war ja bald vorauszusehen, denn sonst wären
wir ja abgeschnitten worden.
Hoffentlich haben sie alle Leute zurück bekommen. Nur die Soldaten auf
den Inseln tun mir leid, denn sie müssen diese halten. Diese Soldaten sind doch
verloren. Eben hörte ich im Radio, daß Rommel seinen Kopfverletzungen erlegen
ist. Um diesen Mann ist es auch sehr schade.
Von morgen ab will ich wieder im Ziegelhof mit nähen beginnen. Da muß
ich ja nicht viel laufen, sondern kann die ganze Zeit sitzen. 16.10. Den Brief habe ich heute garnicht
weggeschickt, denn er kam mir so fad vor. Aber heute habe ich mehr zu
schreiben, denn stell Dir vor, ich habe heute fünf Briefe von Dir erhalten,
fünf liebe Grüße. Ich habe mich riesig gefreut, ganz riesig. Vor allem gratuliere ich Dir zum Gefreiten .
Fein ist das. Am liebsten würde ich Dir einen ganz festen Kuß geben. Ich habe
mich sehr gefreut, trotzdem Du mir als Grenadier genau so lieb warst. Ich habe
ja nicht die Uniform gern, sondern den lieben Kerl, der drin steckt. Und der
hat sich ja nicht verändert, nicht wahr? Du bist genau mein liebster Mann
geblieben. Doch nun will ich erst mal
sagen, welche Briefe ich bekommen habe. Es sind die Nummer 77, 79, 80, 81, 82
vom 3., 5., 7., und 9.10. Nun bist Du
schon wieder im vordersten Graben und immer heißt es jetzt Kämpfe am Narew.
Wahrscheinlich wird das auch bei Euch dort sein. Ich bin immer mit meinen
Gedanken bei Dir und hoffe Dich immer gesund.
Es muß ja dort schlimm mit den Fliegen sein. Ich werde schon nervös,
wenn einige Flieben einen pisacken. Aber ich glaube, das müßte man sich dort
abgewöhnen. Man muß eine harte Pelle bekommen.
Die Karte an Siegfried schicke ich fort. Ich werde gleich von mir einige
Zeilen beifügen, denn ich hatte ja eine Karte erhalten. Ich danke Dir, daß Du nichts dagegen hast,
daß ich nähen gehe. Da gehe ich nochmal so gern, wenn ich weiß, Du bist gern
damit einverstanden. Heute war ich das erste Mal im Ziegelhof. Es hat mir
wieder gut gefallen. Eigentlich hätte ich in die Petershauser Schule müssen,
dort nähen die Freiwilligen, im Ziegelhof die Verpfichteten. Aber es soll
wahrscheinlich in einem Nebenzimmer noch eine Abteilung für freiwillige
Helferinnen eingerichtet werden. Ich werde ja sehen, wies wird.. Ich glaube nicht, daß der Haushalt und vor
allem die Kinder durch mein Schaffen irgendwie leiden. Jörg ist ja nachmittags
auch nicht da und Helga wird auch bald schaffen. Dann finden wir uns erst
abends wieder zusammen. Die Kürzung der
Brotration ist ja nicht so erheblich. Wir hatte eine zeitlang schon mal
weniger, und die Kinder haben ja nicht gekürzt bekommen. Mit den Kartoffeln, die wir haben, kommen
wir sicher aus. Der Garten hat ja
viell geholfen. Von Resi könnte ich auch keine erhalten, weil sie sich einen
Bezugsschein für direkten Bezug vom Land besorgt hat. Da hat sie den
allgemeinen Bestellschein abliefern müssen. Aber wie gesagt, mir langen sie. Du
bist ja sehr lieb, daß Du uns in einem Päckchen eine Tafel Schokolade und
Bonbons mitgeschickt hast, aber Du lieber, böser Mann, Du sollst die Sachen
doch behalten. Du hast doch sonst garnichts. Für diesmal danke ich Dir recht
sehr. ABer gel, lieber Schatz, nächstes Mal behältst Du‘s. Wir können Dir ja
jetzt garnichts schicken, wo nur 100 g Päckchen mit Marken frei sind. Da freue
ich mich, wenn Du wenigstens einmal ein Stück Schokolade oder ein paar Bonbons
essen kannst. Für diesmal sollst Du einen recht festen Kuß von mir bekommen.
Hoffentlich kommt alles gut an. Hier werden ja jetzt soviel Züge beschossen. Wohnst Du mit Deinem Feldwebel in einem
besonderen Bunker? Oder habe ich das falsch verstanden? Das erklärst Du mir
bitte ma noch genau, nicht wahr? Daß man das eigentlich durchalten kann, in 4
Tagen fast nur 5 Stunden schlafen. Du weißt ja, wie bald ich abends immer
einschlafe. Aber unter den Umständen, unter denen Ihr jetzt lebt, wächst man
wohl über sich hinaus. Daß Du Gefreiter
geworden bist, hatte ich auf dem Briefumschlag noch nicht gelesen. Wenn ich
einen Brief von Dir erhalten, so sehe ich ja an der Schrift, daß er von Dir
ist. Da schaue ich auf keine Adresse
mehr, sondern mache ihn schnell auf, damit ich lesen kann, was Du mir
schreibst. Die Hand unserer kleinen
Helga ist wieder heil geworden. Wir haben auch immer Seifenbäder gemacht. Am Samstag fragte der Gauggel wieder, ob ich
Zigaretten hätte. Ich bekäme dafür Nüsse. Ich sagte ihm, daß ich erst welche
auf meine Karte holen müßte. Sonst meint er, ich habe immer welche da. Heute
habe ich fragen lassen, ob er noch Nüsse hat. Ein Pfund habe ich bekommen und
habe ihm dafür 12 schwarze Zigaretten gegeben. Die sind nicht so teuer. Wenn
ich was dafür erhalte, gebe ich eher was her.
Heute haben wir im Garten die Bohnenstangen raus gemacht. Ein bißchen
muß man ja mit dem Abräumen beginnen. Apfelringe habe ich auch nochmals
geschnitten. Überall habe ich jetzt schon die Beutel hängen. Aber wir werden
sie schon verwenden können. Da habe ich keine Angst. Nun schließe ich wieder. Ich grüße und küsse Dich oft, fest und
herzlich und denke immer an Dich Deine Annie.
Liebes Vaterle ! In e4ster Linie danke ich Dir erst mal für die vielen
Grüße und Küsse, welche Du uns immer mitschickst. In dem Brief vom 9.10.
schriebst Du, ob meine Hände wieder
gesund sind. Ja, die sind wiedeer gesund. Wir haben so viele Seifenbäder gemacht,
daß alles weggegangen ist. Bloß daß jetzt an dem einen Finger der Fingernagel
abgeht. Aber das macht nichts. Übrigens, ich gratuliere Dir zur Beförderung zum
Gefreiten. Das ist ja pfundig. Heute rief uns Mutter rauf und fragte, ob wir
etwas auf dem Briefumschlag merken würden. Ich dachte erst an eine neue
Feldpostnummer, aber da schaute Jörg schon darauf und merkte gleich, daß Du
Gefreiter bist. Also ich gratuliere nochmals. So nun muß ich aufhören, denn ich
muß nun abtrocknen. Viele Grüße und
Küsse von Deiner Helga. Liebes Vaterle ! Wie Dir Mutterle schon schrieb, bin
ich jetzt beim Gärtner Leirer da im Riesenbergweg, wo es mir gut gefällt. Es
sind keine gerade schweren Arbeiten. Ich habe mir eine Leiter für meine
Soldaten gemacht, die ist 1,50 m lang. Ich habe Räder drangemacht, ich kann sie
an ein selbstgebautes Auto anhängen, welches ich Dir doch gezeigt habe. Die
Leiter und das Auto habe ich aus dem „Merkur“Baukasten gemacht. Die Leiter ist
an der Seite aus Metallstäben in der Mitte aus Schnüren. Vile 1000 Grüße und
10000000000000000 mal 9000000000000000000000000 Küsse von
Deinem Jörg.
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