Mein liebster Ernst! 27.12.44
Das Weihnachtsfest
ist wieder vorbei. Ich bin eigentlich froh darüber. Man darf bei einem solchen
Fest nicht zuviel nachdenken und keine Vergleiche mit früher ziehen, sonst wird
man traurig. Ich weiß nun auch, wo die
Flieger hier in der Nähe waren. Am 24., als es bei uns so sehr alles
durchgeschüttelt hat, haben sie eine Brücke in Langenargen bombadiert. Am 1.
Feiertag haben sie in Sinden Bomben geworfen. Die erste Brücke gleich nach S.
soll getroffen sein und einige Straßen der Stadt. Ich hatte es schon vorher
gehört und Resi, die ich traf, sagte es auch. Lämmels hatten an ihre mutter
telefoniert, die sagte, daß sie gut davon gekommen seim nur Wasser und Gas
hätten sie jetzt nicht. Im schweizerischen Ort Thayingen, gleich nach Singen,
haben die Flieger auch ca. 20 Bomben geworfen. Eine Ziegel und eine
Nährmittelfabrik erhielten einen Volltreffer.
Am Nachmittag waren wir in der Stadt. Wir trafen Resi. Ich soll Dir von
ihr viele Grüße ausrichten. Wir sind dann nach der Sparkasse gegangen und haben
auf unser Bücher Geld eingezahlt. Die Kinder das GEld von Siegfried und ihr
sonstiges Weihnachtsgeld, ich die 10 Mk von Vater, die 2 Mk von den
Kindern und was ich sonst noch übrig
hatte. Helga hatte 449,77, eingez. 59,,
Zinsen 9,45 = 518,22 Jörg „ 443,o8 „
63. „ 9,15 = 505,23 ich „ 1.782,39 „
70. 42,48 =
1.894,87. Hast Du Dir eigentlich schon mal unsere Sparbuchnummern
aufgeschrieben, für den Fall, daß diese SAche einmal verloren gingen? Meine
Nummer ist 19837 II, Helga hat 11532, Jörg hat 16041. Auf dem Heimweg sind wir bei Vater vorbeigegangen. Er war froh,
daß er nicht erst rauf kommen mußte. Er wollte uns Kleingebäck bringen, das er
gebacken hatte. Nun haben wirs gleich mitgenommen. Er wäre nicht so davon
begeistert, meinte er. Ein Kuchen sei ihm lieber. Sowas machte er nicht
mehr. Aber si waren gut gebacken und
schmeckten auch gut. 1 große Tüte voll hat er uns mitgegeben. Da haben wir fast
kein Abendbrot gebraucht. Zum aufheben ware sie nicht, es war mehr so
Kuchenteig. Wir sitzen abends jetzt
immer in der Stube. Das ist es so
gemütlich warm und man braucht nicht viel Heizung. So haben wir es auch heute
gemacht. Kaffee und einige belegte Brote habe ich mit rüber genommen. Das war
unser Abendbrot, da wir schon halb satt waren. Leider mußte ich ja dann wieder
raus, weil ....Doch davon habe ich Dir ja noch garnichts erzählt, weil es nicht
gerade was schönes ist. Ich hatte in letzter Zeit plötzlich schlimm unter
Madenwürmern zu leiden. Sie krochen aus und verursachten einen unerträglichen
Juckreiz. Ich mache nun eine Wurmkur. Da heißt es so Kügelchen einnehmen. Dann
muß ich Salbe einreiben und jeden Abend
ein Klistier machen. Schön ist das nicht gerade, aber doch hat die Plage schon
sehr nachgelassen. Woher ich plötzlich diese vielen Würmer bekommen habe, weiß
ich auch nicht. Dieses Theater geht nun schon die zweite Woche. Ich bin nur
froh, daß der Erfolg wenigstens da ist.
Heute sind auch die 50 Mk für Jörg von Siegfried angekommen. Wir haben
sie ja gleich mit auf die Sparkassen geschafft. Nun laß mich schließen. Bleib immer gesund und laß Dich grüßen
und fest küssen von
Deiner Annie.
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