Donnerstag, 19. März 2020

Brief 849 vom 27.12.44


Mein liebster Ernst!                                                                                             27.12.44   

 Das Weihnachtsfest ist wieder vorbei. Ich bin eigentlich froh darüber. Man darf bei einem solchen Fest nicht zuviel nachdenken und keine Vergleiche mit früher ziehen, sonst wird man traurig.  Ich weiß nun auch, wo die Flieger hier in der Nähe waren. Am 24., als es bei uns so sehr alles durchgeschüttelt hat, haben sie eine Brücke in Langenargen bombadiert. Am 1. Feiertag haben sie in Sinden Bomben geworfen. Die erste Brücke gleich nach S. soll getroffen sein und einige Straßen der Stadt. Ich hatte es schon vorher gehört und Resi, die ich traf, sagte es auch. Lämmels hatten an ihre mutter telefoniert, die sagte, daß sie gut davon gekommen seim nur Wasser und Gas hätten sie jetzt nicht. Im schweizerischen Ort Thayingen, gleich nach Singen, haben die Flieger auch ca. 20 Bomben geworfen. Eine Ziegel und eine Nährmittelfabrik erhielten einen Volltreffer.  Am Nachmittag waren wir in der Stadt. Wir trafen Resi. Ich soll Dir von ihr viele Grüße ausrichten. Wir sind dann nach der Sparkasse gegangen und haben auf unser Bücher Geld eingezahlt. Die Kinder das GEld von Siegfried und ihr sonstiges Weihnachtsgeld, ich die 10 Mk von Vater, die 2 Mk von den Kindern  und was ich sonst noch übrig hatte.  Helga hatte 449,77, eingez. 59,, Zinsen 9,45   =       518,22 Jörg      443,o8       63.      9,15    =       505,23 ich    „ 1.782,39        70.      42,48   =      1.894,87. Hast Du Dir eigentlich schon mal unsere Sparbuchnummern aufgeschrieben, für den Fall, daß diese SAche einmal verloren gingen? Meine Nummer ist 19837 II, Helga hat 11532, Jörg hat 16041.  Auf dem Heimweg sind wir bei Vater vorbeigegangen. Er war froh, daß er nicht erst rauf kommen mußte. Er wollte uns Kleingebäck bringen, das er gebacken hatte. Nun haben wirs gleich mitgenommen. Er wäre nicht so davon begeistert, meinte er. Ein Kuchen sei ihm lieber. Sowas machte er nicht mehr.  Aber si waren gut gebacken und schmeckten auch gut. 1 große Tüte voll hat er uns mitgegeben. Da haben wir fast kein Abendbrot gebraucht. Zum aufheben ware sie nicht, es war mehr so Kuchenteig.  Wir sitzen abends jetzt immer in der Stube.  Das ist es so gemütlich warm und man braucht nicht viel Heizung. So haben wir es auch heute gemacht. Kaffee und einige belegte Brote habe ich mit rüber genommen. Das war unser Abendbrot, da wir schon halb satt waren. Leider mußte ich ja dann wieder raus, weil ....Doch davon habe ich Dir ja noch garnichts erzählt, weil es nicht gerade was schönes ist. Ich hatte in letzter Zeit plötzlich schlimm unter Madenwürmern zu leiden. Sie krochen aus und verursachten einen unerträglichen Juckreiz. Ich mache nun eine Wurmkur. Da heißt es so Kügelchen einnehmen. Dann muß ich Salbe  einreiben und jeden Abend ein Klistier machen. Schön ist das nicht gerade, aber doch hat die Plage schon sehr nachgelassen. Woher ich plötzlich diese vielen Würmer bekommen habe, weiß ich auch nicht. Dieses Theater geht nun schon die zweite Woche. Ich bin nur froh, daß der Erfolg wenigstens da ist.  Heute sind auch die 50 Mk für Jörg von Siegfried angekommen. Wir haben sie ja gleich mit auf die Sparkassen geschafft.  Nun laß mich schließen. Bleib immer gesund und laß Dich grüßen und fest küssen von 

Deiner Annie.

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