Donnerstag, 19. März 2020

Brief 847 vom 21.2.45


Du mein allerliebster Ernst !                                                                             21.2.45     

 Nun bist Du schon wieder fast 5 Stunden von uns fort. Du kannst Dir denken, wie es bei uns aussieht. Wir sind alle traurig und vermissen Dich so sehr.  Der Abschied ging so rasch. Hoffentlich bist Du richtig in den Zug gekommen, nachdem Du vorher noch auf dem Trittbrett stadest. Denn edas ist mit dem Gepäck und dem Gewehr und die schweren Stiefel doch sicher nicht einfach.  Wir konnten es erst garnicht glauben, daß Du nun wirklich fort warst. Das ist immer so unabänderlich, wenn der Zug davon fährt und man steht da und kann nichts ändern.  Wir sind langsam heim gegangen. Vater ging mit bis zur Haustür, trotzdem es uns lieber gewesen wär, wenn er gleich heimgegangen wär. Aber er meint es ja auf seine Art auch gut. Wie Du gesagt hattest, sind wir schlafen gegangen. Die Kinder in mein Bett, ich in Deins an die Stelle, wo ich vorher gelegen hatte. Deinen Platz hatte ich frei gelassen. Nun konnte ich ja nicht mehr den Kopf an Deine Schulter legen. Wir haben nochmals vom ganzen Urlaub gesprochen, was wir an jedem Tag gemacht haben. Unter vielem Weinen sind die Kinder dann doch eingeschlafen. Als sie so atmeten, meinte ich ganz plötzlich, das seist Du. Aber es war ja nur eine kurze Täuschung. Du warst fortgefahren. Ich habe dann auch etwas vor mich hingedämmert. Oft bin ich munter geworden, wenn Du in Immendingen ankommen und abfahren solltest, als Du ungefähr in Tuttlingen sein mußtest und als Du dort abfuhrst. Da bin ich dann auch aufgestanden. Nun ist es wieder so trübselig hier. Helga weint sich fast die Augen aus.  Man kann ihr Gesichtchen schon fast nicht mehr erkennen. Ach Ernst, es ist auch fast nicht auszuhalten ohne Dich, der Du doch unser ganzes Glück bist, der Mittelpunkt, um den sich unsere Liebe sammelt. Man darf gar nicht darüber nachdenken, daß Du schon wieder fortgefahren bist. Ich meine, ich müßte Dich wieder zurückholen können. Alles frohe Glück geht ja mit Dir.  Aber trotzdem wollen wir mit Fre ude an diese Urlaubstage denken, wenn auch der Abschied so schwer ist. Es waren frohe, ungetrübte Tage, die wir zusammen erleben durften. Wahrhaftfrohe Tage, glückliche Stunden. Weißt Du noch, wie Du am Sonntag kamst. Ich schloß die Haustür auf, da standest Du davor.  Welch riesige Freude war das. Wie sind die Kinder rausgesprungen. Ich konnte mich nicht satt sehen an Dir. Und nun ist Dein Platz wieder leer. Nur Deine Jacke hängt noch an der Stuhllehne. Nein ich kenn es nicht ansehen. Wir gehen noch in die Stadt, damit wir etwas abgelenkt werden. Ernst mein Ernst, wenn ich Dich doch zurückholen könnte.  Ich würde es ja so sehr gern tun.  Jörg hat sich so über den Apfel gefreut, den Du ihm noch gegeben hast. Gel, mein lieber Ernst, wenn Du auch meine beiden Äpfel nicht mehr..... (unleserlich)   geben hätte. Das weißt Du doch, ganz bestimmt.  Helga schreibt auch an Dich. Jörg sagt, er wüßte nichts zu schreiben, aber Du wüßtest doch, daß er Dich ganz fest gern hat. Und das weißt du ja auch.  Laß mich jetzt schließen. Mein Wunsch ist, daß Du vorerst ganz gesund in Leipzig ankommst und daß es Dir auch weiterhin ganz gut geht und daß Du es nicht zu schwer hast.  Ich grüße und küsse Dich, mein liebster Mann und bitte Dich immer wieder, komm uns ganz gesund wieder, denn wir brauchen Dich. Deine Annie. Liebes, allerliebstes Vaterle!   Ich weiß jetzt gerade nicht zu schreiben, aber viele Grüße und viele feste Küsse. Liebstes Vaterle. Dein Jörg.

 Du herzliebster Ernst!                                                                                             21.2.45

Gerade bin ich vom Nähen gekommen. Als ich die Wohnung betrat, hat es mich wieder übermannt. Es ist so furchtbar einsam ohne Dich. Wie konntest Du nur wieder fort gehen, Du Liebster. Deine Sachen sind hier und Du bist so weit weg gefahren. Immer noch bist Du auf der Fahrt und ich hoffe nur, daß sie gut verläuft. Wir haben uns heute garnichts gekocht, dennn wir haben Alle keinen Appetit. Du fehlst ja so sehr. Als wir gestern verdunkelten, da warst Du noch hier. Wir haben noch gemütlich zusammen gesessen und haben Kaffee getrunken. Wir wollen noch keine Traurigkeit aufkommen lassen. Dann durfte Helga noch einmal die Musik holen und verschiedene Platten spielen. Sie war ja schon so traurig geworden. Du hast so lieb mit ihr und auch mit Jörg gesprochen. Später haben wir noch Eisenbahn zusammen gespielt.  Was war das nochmals für ein Jubel. Und dann haben wir noch alle zusammen gesungen. Wie war auch der Spaziergang am Nachmittag noch so herrlich. Wie sagt Jörg jetzt immer und immer wieder, daß Du so lieb bist und ihme erlaubt hast, daß seine Bären mit essen. Wie lieb war es, daß Du ihm erlaubt hast, das Holz zu habeken. Heute Morgen haben wir dran gedacht, wie wir zusammen die Kirche angesehen haben, wie wir zusammen am Schwanenteich standen. Ach, nur liebe Sachen sind es, die wir mit Dir verleben. So ungetrübt sind die Tage mit Dir. Weißt Du noch, wie wir zusammen Hauspäne holten und wie wir dann zusammen zum zweiten Mal mit dem Rad gefahren sind? Weißt Du noch, wie wir zusammen im Kino waren? Der Sonntag Nachmittag war doch auch ganz gemütlich, nicht wahr? Ach, man kann ja nicht aufhören mit aufzählen der schönen Stunden, die wir zusammen erlebten. Jede Stunde war schön.  Helga hat Dir gerade auch geschrieben. Sie hat so sehr geweint und ich habe zu ihr gesagt, sie soll nur so an Dich schreiben, als wenn Du hier wärst und sie mit Dir redet. Jetzt hat sie es auch getan und ihr ist ein wenig leichter. Da wir es immer noch so schwer daheim aushalten, schaffen wir nachher noch den Brief in die Stadt.  Heute Vormittag waren wir in der Stadt. Auf der Sparkassen habe ich das Wehrmachtsgeld getauscht bekommen, auf der Deutschen Bank das serbische Geld.  Dann haben wir die Bücher beim Geß verkauft, die wir rausgesucht hatten. 7,8o M habe ich erhalten. Das Buch „Mein Kampf“ habe ich nicht verkauft. Vielleicht kann es Jörg noch brauchen. Ein Buch „Wir ritten für Deutsch Ostafrika“ habe ich bekommen.  Ein weiteres habe ich noch zugut. Also bis jetzt 2 Bücher. den kleinen Film habe ich beim Bachschmidt zum entwickeln und abziehen abgeben können. Wenn sie was sind, werden sie auf 6 ½ X 9 vergrößert. Den anderen Film werde ich am Samstag über 8 Tage gegen einen mit Holzspule umtauschen können. Ich hoffe, daß es klappt. Als wir heim kamen, habe ich gegen den Hustenreiz ein Bonbon gegessen.  Plötzlich denke ich, was ist denn da los. Da ist mir im Unterkiefer der rechte zweithintere Backenzahn ganz abgebrochen. Er war schon stark plombiert. Nun muß ich morgen ½ 12 Uhr zum Beck kommen. Mal sehen, ob er ihn zieht oder ob man einen Stiftzahn draufmachen kann. Auf der Sparkasse haben wir heute auch Geld eingezahlt. Bei mir 100 Mk, ich habe nur 2054, Mk, bei Helga 8,Mk (651,22) bei Jörg 7, (637,23) Bei Jörg waren 5, von Dir, 50 Pfennig von ihm und 1,50 von Resi fürs besorgen vom Blumenstock.  Als wir heute heim gingen, kamen wir ans Bettelgäßle. Da stand ein Wachposten, sonst war niemand da, da es Mittagspause war. Plötzlich rief der Poste Jörg an, er sollte einmal hinkommen. Als Jörg hinkam, zeigte der Posten auf ein Flugzeug und sagte, Jörg sollte es mitnehmen. Er sagte noch was, daß Mädels es haben wollten, aber die sollten es nicht bekommen. Jetzt hat nun Jörg ein Russenflugzeug. Hast Du was dagegen?   Nun steht Dein Bild wieder vor uns auf dem Tisch und ich kann Dich nur so ansehen. Du siehst ja so lieb aus.  Laß Dich nun wieder grüßen und ganz herzlich küssen von 

Deiner Annie.   
Grüße bitte Papa usw.

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