Donnerstag, 19. März 2020

Brief 858 vom 9.3.45


Mein liebster Ernst!                                                                                               9.3.45    

Du bist mir bitte nicht böse,daß ich gestern Abend nicht mehr geschrieben habe. Ich kam nach 8 Uhr vom Kino heim. Da hatten mir die Kinder einen schönen Begrüßungstisch aufgebaut. Dabei stand „Guten Abend, liebes Mutterle“ ein Strauß und ein Kränzchen von künstlichen Blumen war dabei und eine brennende Kerze und unter dem Tisch spielte die Musik. Vater war auch da. Er hat sich dann lange mit mir unterhalten. Als er dann ehim ging, sind wir alle Drei gleich ins Bett gegangen. Ich war auch so müd. Heute erhielt ich seit Deiner Abfahrt die erste Nachricht von Dir. aBer nicht aus Leipzig, sondern aus Hamburg. Es sind die Briefe Nr. 27 und 28 vom 26. und 27.2. Daran hätte ich nun doch nicht gedacht, daß Du doch noch nach Hamburg fahren würdest und hinterher wieder nach Leipzig kämst. Einen kurzen Besuch hattest Du doch noch in Leipzig gemacht. Ich konnte mir schon denken, daß alles noch so war.  wie wirs uns gedacht hatten. Denn wenn ich in Papas Briefen schon lese „Lotte hat eben auch immer ihre Sorgen als Hausfrau“, dann kann ich mir ihre Leidensmiene schon vorstellen. Wir anderen leben jetzt auch nicht im Paradies. ABer ob man deshalb immer jammern muß, das glaube ich nicht. Bei Erna bist Du also gut aufgenommen worden. Ich hatte mirs schon gedacht.  Daß Dich die Leute in Hamburg so gut aufgenommen haben, das setzt mich schon mehr in Erstaunen. Und Du hast nur einer Frau unterwegs geholfen? Es gibt doch noch eigenartige Sachen. Scheinbar hatten die Leute aber in allen Sachen keinen Mangel. So ist es ihnen wahrscheinlich nicht so schwer gefallen. Das Gute hat es ja gehabt, daß Du die Tage in Hamburg Dich um nichts sorgen mußtest. Etwas weh tut es ja, daß Dich fremde Leute gast besser bewirten konnten als uns das daheim möglich war. Aber leider beherrsche ich ja die Kunst des organisierens nicht, das weißt Du ja. Ein Minus, welches sich aber wohl nicht gleich beheben lassen wird.  Wenn ja meine Briefe an Dich so lange brauchen, wie die von Dir hierher, dann hast Du noch keine Nachricht von mir in Leipzig vorgefunden.  An vAter werde ich die Grüße ausrichten. Ob Du wohl jetzt noch in Leipzig bist?  Ich hatte gestern eine Karte an Papa geschrieben, damit er auch einmal einige persönliche Zeilen von mir bekommt, denn wenn Du nicht mehr in L. sein solltest, hat er ja nur immer Briefe zum Weiterleiten.  Ich hoffe Dich auch weiterhin gesund, nachdem erst gestern auch Leipzig wieder angegriffen worden ist. Und eins bitte ich Dich, behalte uns auch weiterhin lieb. Denn wenn dies nicht der Fall wär, so wär es besser zu sterben. Ein treues Herz brauche ich doch.  Laß Dich auch heute wieder recht herzlich grüßen und in Liebe küssen von 

Deiner Marianne.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen