Mein liebster Ernst
! Konstanz, 4.12.44
Vor einiger Zeit
haben wir die Weihnachtspäckchen an Dich abgeschickt. Heute soll nun auch der
Brief folgen. Ich hoffe, daß alles gut in Deine Hände kommt und Dir auch ein
wenig Freude bereitet. Wir dachten ja
vor einem Jahr, daß wir dieses Weihnachtsfest zusammenverleben könnten. Leider
ist das nun nicht der Fall. Wir müssen also weiter warten. Fro wollen wir ja
sein, daß wir wenigstens alle noch gesund sind. Wie oft denkt man an die
gemeinsam verlebten Weihnachtsfeste zurück.
Damals waren die Kinder noch kleiner. Ich sehe mir manchmal das Bild an,
welches wir an einem Weihnachtsfest aufgenommen haben. Es waren doch schöne
Jahre. Meist konnten es die Kinder garnicht erwarten, bis sie ins Zimmer
durften. Wie glücklich haben sie nachher auf den Baum geschaut. Wir hatte immer
unsere Freude daran. Die Geschenke wurden ja auch nicht verachtet. Alles wurde gezeigt,
was der Weihnachtsmann gebracht hatte. Wir haben ja auch immer zugesehen, daß
wir Helga und Jörg Sachen schenkten, an denen sie ihre Freude hatten, vor allem
Spielsachen. Da sind sie ja nie zu kurz gekommen. Vieles davon haben sie jetzt
noch und können damit spielen, wenn es auch nichts zu kaufen giebt. Die Kinder
freuen sich auch dieses Jahr auf das Fest. Sie wissen ja, daß es keine großen
Geschenke geben kann. Aber ein wenig werde auch ich versuchen, ihnen Freude zu
bereiten, indem ich wenigstens alles festlich gestalte. Sollte es keinen
Weihnachtsbaum geben, so werde ich vielleicht einen größeren Adventskranz
binden. Aber Du wirst uns fehel, lieber
Ernst. Für mich ist es ja kein richtiges Fest, wenn Du nicht dabei bist. Du
hast es aber noch viel schwerer, denn Du hast nicht einmal die Kinder bei Dir,
die einen doch über manches hinweg bringen. Aber Du kannst versichert sein,
immer sind meine Gedanken bei Dir. Mit großer Liebe denke ich an Dich. Das weiß
Du sicher auch. Gerade zum Weihnachtsfest möchte ich Dir immer wieder sagen,
wie unendlich lieb ich Dich habe. Durch Dich bin ich ja so glücklich geworden.
Dafür kann ich Dir garnicht genug danken. Die bisher verlebten Jahre waren so
schön. Hoffentlich haben wir auch noch viele gemeinsame Jahre vor uns. Daß Du
und die Kinder gesund bleibt, das ist mein größter Wunsch auch zu
Weihnachten. Als Geschenk konnten wir
Dir dieses Jahr nur wenig schicken. Du weißt ja, daß es nicht anders ging. Ich
hoffe, daß Du noch nicht ganz enttäuscht bist.
Nun wünsche ich Dir eine frohe Weihnacht, soweit dies jetzt möglich ist.
Verlebe das Fest gesund und laß Dir auch weiterhin nie etwas passieren. . Laß
Dich grüßen und küssen, immer und immer wieder, Du mein liebster Mann, von
Deiner Annie.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen