Mein liebster
Ernst! 21.10.44
Wieder ist eine
Woche zu Ende. Am Vormittag war wieder Putztag. Gegen Mittag kam Vater und zeigte mir das Fenstertischchen für
Paula. Vom schaffen kamen wir auf Politik zu sprechen. Vater meinte, in Deinem
Urlaub hätte er in aller Ruhe mit Dir darüber reden können, aber mit mir sei
das ausgeschlossen. Ich würde mich
immer zu sehr aufregen. Ich hätte schließlich auch nicht den Überblick. Ich kann es auch nicht richtig anhören, wenn
Vater so redet, Du weißt es ja. Ich sagte zu ihm:“ Ob ich nicht den Überblick
habe, ist mir ganz gleich. Ich halte mich ans nächstliegende und das ist jetzt
schaffen und Durchhalten. Wenn es dann heißt, die schaffen, wenn sie nicht
müssen, sind dumm, so will ich gern zu denen gehören. Es muß auch solche geben. Manche leisten viel mehr als ich und
bringen große Opfer. Wie mancher hat
seine Wohnung und alle SAchen verloren.“ Ich bin nun mal so, daß ich nach denen
sehe, die etwas tun und nicht nach denen, die nichts tun. Du tust Deine Pflicht
draußen, ich hier. Man hat doch in Frankreich gesehen, wie verächtlich es ist,
wenn die Leute nur an sich denken. Da sind sie nur vorm Feind gerannt und haben
überhaupt nicht daran gedacht, Widerstand zu leisten. Du schriebst ja auch, wie
froh du seist, nicht mehr zu denen zu gehören.
Heute war Jörg nicht schaffen. ER wollte am Nachmittag gehen. Da bekam
er noch Befehl zum Dienst und hat sich beim Leirer entschuldigt. gleichzeitig hat er aber noch gefragt, ob er
seinen Lohn bekommt. 10,Mk hat er
einstweilen bekommen. Ich war mit Helga
und Ingrid in der Stadt und habe verschiedenes eingekauft. Heimzu sind wir mit
dem Zug gefahren. Zum laufen wärs mir zuviel geworden. Jörg etwartete uns schon
daheim. Ich habe dann Abendbrot gemacht. Es gab Bratkartoffeln, wurstbrot und
für die Kinder etwas, was Du ihnen man gemacht hast. Weißbrot in Milch
geweicht, auf einen Teller gestürzt und Zucker darüber. Das hatten sie sich
schon so lange wieder einmal gewünscht. Es hat ihnen dann auch sehr gut
geschmeckt. Vorhin kam Vater noch. Er liest die Zeitung, Helga spielt mit ihrer
kleinen Puppe, der sie jetzt viel Kleider und Mützen näht und Jörg liegt auf
der Erde auf seinen Decken und liest. Dabei spielt das Radio. Morgen werden
unsere Kinder in die Jugendfilmstunde gehen. Was gespielt wird, wissen sie noch
nicht. Es ist ¼ 12 Uhr und Vater ist
jetzt gegangen. Ich verschwinde nun auch im Bett. Zuvor bekommst Du aber noch
viele liebe Grüße von
Deiner Annie.
Als ich vorhin Vater an die Haustür brachte, habe ich nach dem großen
Bär hinauf gesehen und an Dich ganz fest gedacht. Vielleicht hast auch Du
gerade hingesehen und an uns gedacht.
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