Mein liebster Schatz
! 26.10.44
Es ist Mittag und
ehe ich mit Helga in die Stadt gehe, schreibe ich Dir noch. Bis zum Mittagessen
war ich im Garten hinterm Haus. Gestern Vormittag hatte ich schon angefangen
die Brombeeren zu verschneiden und heute Morgen habe ich diese Arbeit beendet
und die Ranken noch angebunden. Nachdem die Kinder aufgestanden waren, haben
wir Frühstück gegessen, dann bin ich wieder in den Garten gegangen. Ich habe
einen Graben um den Baum gegraben und Gülle reigeschüttet. Dann habe ich noch
den Garten umgegraben, wobei mir Helga geholfen hat. Das umgraben war nicht
sehr schwer, denn oben stehen ja Erdbeeren und 1 Beet Grünkohl. Unten steht
Kraut, das ich noch nicht rausgetan habe und wahrscheinlich auch stehen lasse.
An die Stachelbeeren und brombeeren habe ich auch Gülle getan. Der kleine
Garten wär also fertig. Morgen beginne ich vielleicht drüben im Garten. Heute habe ich drei liebe Briefe erhalten,
die Du im Erholungsheim geschrieben hast. Wie ich lesen kann, gefiel es Dir
dort sehr gut. Das mach mich sehr gefreut.
Nun ist also ein weiteres Päckchen an uns unterwegs. Ich hoffe, daß es
ankommt. Hier auf der Strecke sind eben sehr viel Tieffliegerangriffe, da kann
manches verloren gehen. Warum ißt Du
nur die Bonbons nicht selber? Ich habe Dir doch schon einmal geschrieben, ich
freue mich so, wenn du selber auch etwas extra‘s hast. Du mußt doch uns nicht
alles schicken. Ja, bei Papa und Lotte
hast Du einen Stein im Brett, da Du zum Geburtstag gratuliert hast. Da muß ich
mich direkt verkriechen. Papa schreibt heute in einem kurzen Schreiben (er
sandte mir Clopapier, welches er ins Zeitungspaket zu packen vergaß) u.a.
„Lotte hat sich sehr, wirklich sehr gefreut, daß er (also Du) es war, der trotz
seiner Nöte da draußen ihres Geburtstages gedacht hatte und ihr einige Zeilen
geschrieben hat.! Na, was sagst Du nun?
Meinst Du wirklich im Ernst, daß unsere Leute in sowjetischer
Gefangenschaft ordentlich behandelt würden? Ich kann es nicht glauben. Schon
wenn man hier die sowj. Gefangenen sieht, da schüttelt man sich bei dem
Gedanken, in deren Hände zu geraten. Und wie die Russen bei uns hausen und
hausten, berechtigt eigentlich auch nicht zu der Hoffnung, daß sie ordentlich
mit unseren Soldaten verfahren. Im vorigen Krieg waren schließlich die
Gegensätze noch nicht so kraß und doch, wie schrecklich haben es die meisten
Gefangenen gehabt. Die Kinder haben
heute Deinen lieben Brief an sie auch erhalten. Helga hat sich über Dein Lob
sehr gefreut, daß sie eine tüchtige kleine Hausfrau während meines Krankseins
war. Die Kinder werden Dir in den nächsten Tagen sicher einen Brief schreiben.
Sie haben eben jetzt auch wenig Zeit. Den halben Tag schaffen sie, Helga bei
mir, Jörg beim Leirer, abends machen wir noch Aufgaben. Die knappe freie Zeit
spielen sie eben noch gern. Es ist
jetzt richtig herbstlich geworden. Du kennst das ja, der Himmel ist verhängt,
der Wind weht, alles sieht so düster und wir gefroren aus. Ich gehe nun mit Helga in die Stadt. Ich
will sehen, ob wir die Photografien bekommen, dann will ich 2 Töpfe holen, die
ich habe löten lassen. Mit der Zeit geht eben alles kaputt. Ein Buch will ich mir in der Leihbücherei
auch wieder holen und dann will ich auch nach Schuhcreme schauen. Nun mache ich wieder Schluß und grüße Dich
und möchte Dich recht fest abküssen.
Deine Annie.
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