Sonntag, 4. Dezember 2016

Brief 246 vom 3./4.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                                  Konstanz, den 3.12.41                      

Ich schreibe heute nochmals mit der Schreibmaschine, da ich vorhin gerade einen Teil meiner Post erledigt habe. Ich schicke Dir davon die Durchschläge.
Vorhin bekam ich gerade Deinen lieben Brief vom 28./29.11. Ich danke Dir sehr dafür, da hast Du wieder ziemlich viel geschrieben, wofür ich Dir gar nicht böse bin. Ich will ihn nun nach und nach beantworten.
Es ist ja nun leider nicht zu ändern, daß Du nicht kommen kannst. Ich hatte mir zwar vorgenommen, mich vorher nicht zu freuen, aber wenn dann die Absage kommt, merkt man doch erst, daß man sich doch gefreut hat. Aber Du kannst zu nichts dafür, daß Du jetzt nicht herkommen kannst. So wollen wir uns eben auf den nächsten Urlaub freuen. Wie Du schreibst, kommst Du also nicht zu Weihnachten, sondern erst nach dem Fest. Da ist es ja richtig, daß ich Dir die Weihnachtspäckchen zuschicke. Ich habe sie heute Morgen fertig gepackt und schaffe sie nachher noch fort. Es sind 3 Stück. Das klingt viel, es ist aber nicht viel drin, denn 2 Pfund sind so schnell gepackt. Du hattest aber keinen Wunsch geäußert und so konnte ich Dir also auch keinen erfüllen. Einen ganz kleinen Wunsch, den Du früher einmal geäußert hast, habe ich mir gemerkt und ihn nun erfüllt. Aber dafür hätte ich kein Paket gebraucht, es ist sehr winzig. Du schreibst ja nun, daß wir uns als gemeinsames Weihnachtsgeschenk einen Radioapparat kaufen wollen. Ich bin sehr gern damit einverstanden. Ich bin ja sonst mit allem versorgt und habe keinen Wunsch.
Wenn Du nun nicht zum Fest kommen kannst, so wird für uns ja erst richtig Weihnachten sein, wenn Du da bist. Natürlich feiern wir nachher noch Mal zusammen.
Das Spielzeug für Jörg ist nicht billig, aber wenn es gut ist, macht es ja nichts aus.
Du schreibst nun wegen dem braunen Mantelstoff für Nanni oder Erna. Du schreibst „ .... oder soll ich ihn Erna ... schicken“. Das Wort, das dazwischen gehört, kann ich nicht lesen. Schreibe mir´s doch bitte noch Mal. Ich überlasse es Dir, ob Du ihn für Nanni oder Erna nehmen willst. Vielleicht braucht Erna aber eher etwas Neues als Nanni, die ja schon älter ist und doch nicht viel fort kommt. Nun muß ich Dir aber leider schreiben, daß ich das Stoffmuster nicht mehr habe. Ich dachte ja nicht, daß ich es nochmals brauchen könnte.
Vater und Kurt kommen ja nicht so gut miteinander aus. Vater möchte eben gern einmal mit ihm reden und Kurt kann das wieder nicht vertragen. Er nimmt sich nicht die Mühe, ihm zuzuhören. Derweilen sorgt sich Vater doch so um ihn, wie vielleicht Paula nicht. Aber mir kommt es manchmal vor, als könnte sich Kurt bei Paula nicht wehren. Paula bestimmt eben einfach, während Vater bittet und dabei zieht er den Kürzeren. Es war doch schon früher so. Aber wir können es nicht ändern, Kurt muß selber wissen, was er macht. Alt genug ist er ja jetzt.
Es war mir ja eine gewisse Beruhigung, daß auch die Lehrerin gesagt hat, daß das Schreiben bei allen noch nicht so gut geht, nachdem sie die lateinischen Buchstaben gelernt haben. Ich hatte ja mit Absicht die Rede darauf gebracht, um überhaupt einmal zu hören, wie Helga in der Schule aufpaßt.
Umgezogen seid Ihr also auch. Es freut mich, daß Du jetzt einen schönen Arbeitsplatz hast. Da schafft man ja noch einmal so gern. Jetzt wird also nun richtig festgelegt, welche Arbeit jeder zu tun hat. Das wird Dir ja recht sein, wenn Du eine Aufgabe vor Dir hast, die Dir allein untersteht.
Heute kamen die Päckchen 27, 28, 29 an. Die Filzschuhe für die Kinder habe ich für Weihnachten weggelegt. Die Orangen hebe ich bis Samstag auf. Da ist doch Nikolaus. Da habe ich gleich was zum Füllen der Schuhe. Wenn auch dieses Jahr nicht der leibliche Nikolaus kommt. 5 Orangen sind gut angekommen. Eine ist etwas angefault, die esse ich. Das macht doch nichts?
Für das Öl, welches Du mir mitbringen willst, danke ich Dir. Das kann ich schon gebrauchen. Von dem letztjährigen habe ich noch 1/2 Flasche. Es hat mir schon manchmal geholfen.
Ich hatte meinem Vater doch versprochen, daß ich noch etwas zum Stein zu Mamas Grab geben wollte. Ich hatte mir erst vorgenommen, im Ganzen 20 Mk zu schicken und zwar zu Weihnachten. Das ist mir nun aber nicht möglich. Meinst Du, ich sollte vielleicht 10 Mk schicken? Gestern habe ich nämlich 20 Mk bei Vater bezahlt, so daß er nun noch 30 Mk bekommt. Dann sind wir unsere Schulden bei ihm los. Diese bezahle ich ihm nächsten Monat.
Ich mache mich nun fertig, daß ich noch zur rechten Zeit die Päckchen fortbringe.
Übrigens habe ich versucht, die Kuchenplatte für Erna zu erhalten. Es ist aber z.Zt. unmöglich, etwas Derartiges zu bekommen. Sie muß sich also bis später gedulden.
Sei nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                                       Konstanz, 4.12.41

Heute kam Dein lieber Brief vom 30.11. Du schreibst darin, daß Du meinen Brief vom 26. erhalten hast. Nachdem wirst Du ja mehrere Tage vergeblich auf Post von mir gewartet haben. Was wirst du wohl gesagt haben, daß ich Dir 4 Tage nicht geschrieben habe? Als Dein Brief damals kam, daß Du wahrscheinlich herkommen würdest, war ich gerade beim Schreiben an Dich. Ich habe den Brief gleich hingelegt und gesagt, daß ich nun nicht mehr schreiben brauche, da Du wahrscheinlich schon unterwegs bist. So dachte ich auch die nächsten Tage, bis ich doch allmählich unruhig wurde und einen Tag vor Deiner Absage wieder geschrieben habe. Na, ich ändere es doch nicht mehr, wenn ich mir auch immer wieder Vorwürfe mache, daß ich nicht geschrieben habe.
Ich habe in den letzten Tagen Herrn Kuster getroffen und sagte ihm, daß ich einmal wegen Briefmarken hinkommen würde. Er sagte mir aber, daß er keine bestellt, sondern, daß er sich die Marken mit dem Sonderstempel wieder auf der Messe besorgt hat. Ich habe es nun auch getan, weil ich sonst nicht weiß, wo ich sie holen soll. Auf der Post werden die Marken meist nicht ausgegeben. Ich habe sie immer doppelt für Dich und Kurt besorgt und habe dafür 11,50 ausgegeben. Winterhilfsmarken gibt es dieses Jahr scheinbar noch nicht. Soll ich sie später wieder so kaufen oder was soll ich machen? Die Sonderstempel verteuern die Marken ja ziemlich. Legst Du Wert darauf? Aber das können wir ja vielleicht im nächsten Urlaub besprechen.
Ich habe gestern Abend noch an Tante Agnes, Erna und Siegfried geschrieben. Heute schicke ich die Briefe mit fort. Ich schrieb an Tante Agnes gerade von Schnee und heute Nacht hat es schon geschneit. Ich habe mit Jörg heute früh Helga in die Schule gebracht. Dann bin ich in der Stadt nach Briefumschlägen herumgelaufen. Ich dachte immer, ich hätte noch ein Päckchen im Schrank und mußte feststellen, daß ich mich getäuscht hatte. Nach abklopfen aller Geschäfte habe ich nun noch 20 Stück bekommen, 2 X je 10 Stück. Alle anderen Geschäfte waren restlos ausverkauft. Wenn es dir möglich ist, so besorge mir doch bitte wieder ein paar. Aber nicht extra viel herumrennen, wenn Du sie nicht so bekommst.
Wir haben Helga doch mit dem Schlitten in die Schule gebracht. Als wir heimwärts fuhren, hatte es schon wieder viel getaut. Da war es mit dem Schlittenfahren schon aus. Aber ein wenig haben sie das Vergnügen nun doch gehabt.
Ich lege Dir heute die Durchschläge meiner Briefe, den letzten Brief von Siegfried und 2 Todesanzeigen bei. Ich weiß nicht, ob Du die Leute gekannt hast.
Sei nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen