Lieber
Ernst! Konstanz, den 26.12.41
Nun
ist auch bald der zweite Feiertag vorbei. Wir sind gerade heimgekommen. Wir
sind ein bißchen in der Sonne spazieren gegangen. Wir haben uns die sonnigen
Wegen im Wals rausgesucht. 2 Rehe sind uns über den Weg gelaufen. Die weißen
Blumen haben weithin geleuchtet.
Gestern
Nachmittag habe ich mich, wie ich Dir schon schrieb, ausgeruht. Gegen Abend
habe ich noch aus 3 starken Strumpflängen Müffchen für die Soldaten fertig
gemacht. Morgen fängt ja die Sammlung an. Die Kinder haben den ganzen
Nachmittag über gespielt und gemalt. Gegen 1/2 9 sind sie dann ins Bett. Ich
habe gestern auch nicht mehr so lange gemacht, da Vater ja nicht da war. Ich
denke, daß er heute Abend wieder herauf kommt. Heute Morgen haben wir bis gegen
9 Uhr geschlafen. Schlafen tut mir immer gut. Dann haben wir Frühstück
gegessen, dann habe ich aufgeräumt und Essen gekocht. Ich habe auch 1 Glas des
von Dir eingekochten Apfelmuses heraufgeholt. Das hat gut geschmeckt. Nach dem
Essen haben wir einmal mit dem neuen Spiel von Jörg gespielt und sind dann in
den Wald gegangen. Es war ganz schön draußen. Wo die Sonne nicht hin schien,
ist es ja ziemlich kalt, aber in der Sonne kann man es aushalten.
Heute
Morgen haben mich die Kinder gebeten, daß sie etwas von den neuen Sachen
anziehen dürfen. Jörg seine grauen Hosen und den Pullover, Helga ihr blaues
Strickkleid. Sie haben sich in den Sachen genau so stolz gefühlt, wie wir als
Kinder. Am liebsten hätten sie gar keinen Mantel angezogen, damit man die neuen
Sachen auch sieht. Ich dachte, Jörg wären die neuen Hosen etwas zu groß. Das
ist aber gar nicht der Fall. Sie passen gerade richtig.
Es
ist jetzt 5 Uhr vorbei. Ich will nachher auch gleich noch an Papa schreiben.
Ich will ihm noch für die Bücher danken und auch noch das Häkchen in der oberen
Ecke nicht vergessen, damit er weiß, daß die Handtücher usw. angekommen sind.
Heute
wurde ja keine Post ausgetragen, so daß ich auch keinen Brief von Dir bekommen
konnte. Ich hoffe aber morgen bestimmt darauf, da ich ja jetzt ein paar Tage
vergeblich warten mußte.
Nun
kommt ja bald das neue Jahr heran. Ich weiß ja nicht, wie lange jetzt, wo
besonders viel Post unterwegs ist, die Beförderung dauert. Damit aber meine
Wünsche noch rechtzeitig eintreffen, möchte ich Dir heute schon ein recht
gesundes Neues Jahr wünschen. Hoffentlich bleiben wir alle gesund und sehen uns
immer gesund wieder. Mein nächster Wunsch ist dann, daß Du recht bald auf
Urlaub kommst. Wir freuen uns ja schon so sehr darauf.
Ich
denke, daß Vater am Sylvester heraufkommen wird, damit ich nicht ganz allein
bin. Meine Gedanken werden immer bei Dir sein. Es ist schwer, ohne den liebsten
Menschen, den man hat, ins Neue Jahr zu treten, aber es geht ja so vielen so,
so daß wir nicht murren wollen.
Sei
Du, mein liebster Mann, wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner
Anni.
Ich
habe vorhin gleich noch an Kurt und Siegfried geschrieben.
Mein
liebster Ernst! Konstanz 27.12.41
Puh,
ist aber heute ein scheußliches Wetter, kalt und dabei ein Schneetreiben, daß
es einem fast zum Rad runter pustet. Daheim ist es heute schon schöner. Als ich
heute vom einkaufen heimkam, war mir direkt die Lust alle. Gerade, als ich an
der Haustür ankam, war auch der Briefträger da und brachte mir Deine beiden
lieben Brief vom, 22.12, den einen mit Zeitungen und Deine Päckchen 42, 44, 45,
mit Mandarinen, Puddingpulver und Mehl. Hab recht, recht vielen Dank dafür. Da
kann ich öfter mal einen Pudding kochen, aber eingeteilt wird doch. Die
Mandarinen erfreuen sich ja bei uns keines langen Lebens, die sind immer bald
futsch. Wenn die Kinder welche sehen, bitten und betteln sie ja die ganze Zeit.
Aber zum essen sind sie ja auch da. Mir munden sie auch.
Über
die Sachen von meinem Vater habe ich mich gefreut. Deine Sachen wollte ich Dir
ja gleich heute zuschicken, aber nun ist ja noch Sperre bis 4.1. Über den
Kalender von Papa freust Du Dich also. Was wirst Du aber nun gesagt haben, als
Du von mir zu Weihnachten auch noch einen bekommen hast? Ich konnte ja nicht
wissen, daß Papa dieses Jahr wieder einen bekommen hat, nachdem es im
vergangenen Jahr nicht klappte. Das war ja das kleine Geschenk von dem Du nicht
mehr wußtest, daß Du Dir`s gewünscht hast.
Das
Bild von Erna gefällt Dir also. Soweit ich sie kennen gelernt habe, kann man
schon mit ihr auskommen. Sie ist ja am 18.12.
21. Jahre geworden. Also auch noch ziemlich jung. Wenn ich so mit ihr
gesprochen habe, hatte ich gar nicht den Eindruck, viel älter zu sein, aber es
sind ja immerhin 9 Jahre. Man muß nur immer die Kinder ansehen, da merkt man
erst, daß man älter wird. Denke Dir, ich habe unsere Beiden gemessen. Jetzt
fall aber nicht um, Jörg ist 1,33m und
Helga 1,44 m groß. Ist das nicht groß? Aber gesund sind sie und das ist das
Allerwichtigste.
Die
neue Regelung in der Stube kommt mir ganz praktisch vor. Hoffentlich gefällt es
Dir auch. Den einen Vorteil hat es wenigstens jetzt gehabt, daß der Christbaum
kein bißchen im Wege steht, so daß man sich überall gut bewegen kann.
Ich
weiß auch nicht, ob es eine Schwäche oder Stärke von mir ist, das Räumen. Aber
ab und zu kommen mir so die Gedanken, wie es vielleicht noch schöner und
zweckmäßiger sein könnte. Da läßt es mir dann keine Ruhe, ich muß es versuchen.
Klappt es, dann bin ich geneigt, die Räumerei als eine Stärke anzusehen, sieht
es hinterher schlechter aus, dann empfinde ich es als eine große Schwäche, daß
ich meiner Phantasie nachgegeben habe. Aber ich glaube, abgewöhnen kann ich es
mir nicht gleich, wenn es mir manchmal auch quälend. ist.
Ich
glaube, der Salzmann läßt sich seine Einladungen auch dadurch bezahlen, daß er
jetzt allerhand Wünsche äußert.
Vater
kam gestern Abend herauf und brauchte 2 kleine Kuchen für uns mit. Da hat er
uns unseren Kuchen also eigentlich wieder zurück gegeben. Nur, daß er eben am
1.Feiertag dadurch etwas hatte. Von Frau Frick hat er 2 Pfund Fleisch und
Kleingebäck geschickt bekommen. Das Letztere hat er uns mitgebracht, weil er zu
viel Süßes nicht mag. Er hat noch zu dem Brief an Kurt etwas dazugeschrieben.
Du,
mit den Kanonen hast Du ja Jörg eine Freude gemacht. Und die „Käpsele“, wie man
hier sagt, knallen prima. Manchmal hört man hinterher überhaupt nichts mehr.
Jetzt hat Jörg auch rausgefunden, daß die Granaten ja einen Schlitz haben, wo
auch ein „Käpsele“ reingehört. Die Granate ist doch in der Mitte beweglich.
Wenn Du sie nun mit der Spitze auf die Erde fallen läßt, schiebt sie sich
zusammen und schlägt dabei auf die Kapsel. Das knallt dann so schön, daß Jörg
überhaupt nicht mehr damit aufhören möchte. Nur gut, daß ich noch ein paar
Schachteln zurückgehalten habe, von denen er nichts weiß. Da teilt er sich`s
ein bißchen ein und ich habe ein bißchen Ruhe. Von früh bis Abend sitzt Jörg ja
jetzt bei seinen Soldaten.
Helga
sitzt jetzt nur noch entweder bei den Puppen oder ihren Märchenbüchern. Da ist
es gut, daß noch Ferien sind.
Als
die Ferien anfingen, sagte Jörg: „Ich muß jeden Tag lesen und schreiben.“ Ich
sagte: „Das ist recht, hoffentlich machst Du es auch.“ „Ganz bestimmt, sonst
verlerne ich`s bloß.“ Jetzt versucht er sich aber doch immer zu drücken, und
wenn er`s macht, dann aber so schnell und so wenig als möglich. Die Spielsachen
sind doch noch stärker.
Nun
laß mich für heute wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt
von Deiner Anni.
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