Dienstag, 20. Dezember 2016

Brief 257 vom 20.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                               Konstanz, 20.12.41                  

Heute bin ich nun mit Briefen wieder verwöhnt worden. Gleich 3 Briefe bekam ich von Dir, vom 14., 16. und 17.12. Ich danke Dir recht sehr dafür. Als erstes mußte ich gleich lesen, daß Du bei rohen Klößen und Sauerkraut gern einmal dabei wärst. Schweinefleisch sollte auch nicht fehlen. Du lieber Kerl, diesen Wunsch werde ich mir merken und ihn Dir bei Deinem nächsten Urlaub erfüllen.
Alle Kleider für ihre Puppe habe ich Helga noch nicht gezeigt. Ich will sie damit zu Weihnachten überraschen.
Sobald die Feldpostsperre aufgehoben ist, schicke ich die verschiedenen Kartonstücke an Dich ab. Ich habe ja alle, die sich noch verwenden lassen, aufgehoben.
Gerade kamen Deine Päckchen 38 mit Mandarinen und 39 mit Knäckebrot, Bonbons und Fruchtstangen an. Von dem Knäckebrot habe ich den Kindern schon etwas gegeben, denn sie sind ja ganz wild darauf. Ich möchte Dir für alles wieder danken.
Wenn in einem weiteren Päckchen noch Tabak ist, so werde ich den vielleicht für Papa aufheben, denn er hat ja im Januar wieder Geburtstag.
Es freut mich, daß Ihr Euch auch einen Christbaum bestellt habt. Hoffentlich bekommt Ihr einen schönen. Es soll doch auch bei Euch weihnachtlich sein. Lieber Ernst, sei nicht so traurig und laß Dir das Weihnachten nicht verderben. Mit unseren Gedanken sind wir ja auch ganz besonders zu Weihnachten bei Dir und wenn Du auch an uns denkst, sind wir doch in Gedanken beisammen verbunden. Du erlebst nun ein Weihnachten bei den Soldaten. Vielleicht wird Dir das später auch eine schöne Erinnerung. Vielleicht erleben wir dann das kommende Weihnachten zusammen, daß Du da Urlaub bekommst, denn der Krieg wird ja wohl auch dann noch nicht zu Ende sein.
Nanni wird sich sicher über  das Kaffeepäckchen freuen. 50 g haben wir jetzt zugeteilt bekommen. Aber wenn dann davon der Appetit geweckt worden ist, kann sie dann zu Deinen Päckchen greifen.
Wir wollen uns nun nicht mehr ärgern, daß Du jetzt nicht auf Urlaub kommen kannst. Wenn Du wirklich Mitte Januar kommen könntest, wäre es fein und man könnte sich jetzt schon ein wenig darauf freuen. Aber nur erst ein wenig, damit man nicht so sehr enttäuscht ist, wenn es dann nicht so wird. Es ist wirklich nicht schön, daß Du erst Ärger haben mußt, bis man den Urlaub bewilligt. Es sollte doch eigentlich so sein, daß keiner vorgezogen und keiner benachteiligt wird. Aber so ideal wird man es wohl selten antreffen. Ich weiß wohl, daß Du Dich nach dem richten mußt, was Dir befohlen wird und ich sehe es auch vollkommen ein. Ich bin doch nicht unvernünftig, oder doch? Du bist mir doch wohl nicht böse, daß ich über Dein Nichtkommen so enttäuscht war. Ich wollte Dich bestimmt nicht ärgern.
Es war kein Roman, wie ich erst annahm, der in Eurer Zeitung von Überlingen stand, sondern nur eine Novelle. Da war auch vom Haldenhof die Rede. Da habe ich gleich wieder an unsere Fahrt dorthin denken müssen.
Das Spielzeug für Jörg ist nicht ganz. Ich bin gespannt, ob er die Kanone zusammen bekommt.
Du hast wirklich mit Deinem Mehlpäckchen Pech gehabt. Aber ich weiß es ja jetzt wieder aus unserem Keller, vor den Viechern, den Mäusen, ist nichts sicher. Wenn es nicht zu schicken geht, kannst Du das Mehl ja vielleicht bei Deinem nächsten Urlaub mitbringen. Es ist mir immer willkommen.
Wie ich Dir schon vorhin schrieb, laß Dir das Weihnachten dadurch, daß Du nicht heimkommen kannst, nicht ganz verbittern. Wenn Ihr dort Pfefferkuchen usw. bekommt, so freue Dich daran und laß es Dir gut schmecken. Es ist doch schön, daß wenigstens vom Militär aus auch für die Soldaten gesorgt wird, daß es etwas festlich ist. Natürlich ist es zuhause am schönsten, aber es geht ja nicht zu ändern und Du sollst deshalb nicht ohne Freude sein, Du mein lieber, lieber Ernst.
Von Siegfried erhielt ich heute einen Brief. Es kann nun doch sein, daß er zu Weihnachten daheim ist. Er ändert sich doch scheinbar etwas, seit er verheiratet ist. Er schreibt z.B. „Ich sehne mich tatsächlich jetzt wieder einmal nach Hause, denn wenn man jung verheiratet ist, möchte man doch ein bißchen was davon haben und wenn mich Erna zu hause so umsorgt, so bin ich wirklich glücklich.“ Er schreibt auch noch, daß er jetzt bis kurz vor Leningrad war und daß dort bis 30 Grad Kälte herrscht. Bei 20 Grad Kälte im Zug sind sie mal eingeschneit und 6 Stunden festgesessen. Da sie für ihren Heizkesselwagen kein Wasser mehr hatten und auch die Lokomotive nicht mehr am Zug war, hatten sie es im Zug so kalt. Jetzt fahren sie nach dem Entladen nach Dresden zur Reparatur. Dort muß auch der Zug entlaust werden, wie jedes Mal nach der Fahrt nach Rußland.
Eben kam Vater und brachte das Weihnachtsgeschenk für uns. 15 Mark für die Kinder und 25 Mk für uns. Ich wollte es gar nicht annehmen, aber Vater gibt nicht nach. Da ich für  die Kinder nichts mehr zu besorgen habe, werde ich das Geld sparen. Unseres sicher auch, denn mehr als 65,- kann ich Dir ja sowieso nicht schicken und das tue ich vom Gehalt. Bist Du damit einverstanden?
Wie Siegfried noch schrieb, hatte Erna am 18.12. Geburtstag. Ich werde Ihr sicher in den nächsten Tagen noch schreiben. Nun möchte ich Dir nochmals ein recht frohes Weihnachtsfest wünschen. Verlebe die Tage so froh als möglich. Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Mein lieber Ernst! 
Da ich gerade hier bin, will ich Dir wenigstens meine Weihnachtsgrüße übermitteln. Da Du leider nicht hier sein kannst zu Weihnachten wünsche ich Dir vor allen Dingen gesunde und frohe Feiertage und wollen hoffen, daß wir nächste Weihnachten alle beisammen sein können und gesund sind und der Krieg zu Ende ist. Verlebe die Feiertage so gut es geht und wünsche Dir alles Gute. Herzliche Grüße Dein Vater.


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