Sonntag, 11. Dezember 2016

Brief 249 vom 7.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                             Konstanz, 7.12.41                                             

Ich kann jetzt auch sagen, „Du sammelst feurige Kohlen auf meinem Haupt.“ Ich bekomme Deinen lieben langen Brief vom 1./2.12., in dem Du die Hoffnung aussprichst, bald wieder einen Brief zu bekommen und ich habe 4 Tage nicht geschrieben und weiß, daß Du noch ein paar Tage hast vergeblich warten müssen. Das tut mir sehr weh. Ich könnte mich richtig ohrfeigen, daß ich in meiner großen Freude nicht geschrieben habe. Hoffentlich bist Du mir nicht mehr böse, denn ich denke, daß Du Dich erst wohl sehr geärgert haben wirst.
Die Filzschuhe für die Kinder sind ja schon angekommen. Sie werden sicher passen. Anprobieren kann ich sie ja noch nicht, wenn sie für Weihnachten bestimmt sind. Wenn Du ja noch ein paar besorgst, nimm sie nur nicht viel kleiner, die Kinder können lieber noch ein paar Strümpfe drunter ziehen. Für Helga nimm sie nicht kleiner. Ich bin ja mit Filzschuhen gut versorgt, wenn Du sogar noch ein Paar für mich dort hast.
Bei dem Cognac hatte ich mir auch schon gedacht, daß Du ihn hättest brauchen können, wenn Du den Kurs mitgemacht hättest, da Du da keine große Flasche mitschleppen brauchst. Vielleicht kannst Du sie noch nächstes Jahr brauchen. Vor mir ist der Cognac ja sicher, ich habe noch nicht einmal die erste Flasche Rotwein ausgetrunken. Ich muß mich mal wieder dahinter setzen. Ich habe nur nicht viel Genuß davon, vor allen Dingen allein.
Wenn man es so überlegt, haben wir schon allerhand Geld dort ausgegeben. Aber wir waren ja vorher mit Kleidung usw. sehr schlecht versorgt, weil wir früher einfach das Geld nicht hatten. Wir habe uns ja auch vorgenommen, nicht mehr viel zu kaufen, wenn wir die Sachen besorgt haben, die wir aufgeschrieben haben. Man muß die Sachen  ja auch richtig versorgen können, damit sie nicht kaputt gehen. Ich glaube Dir gern, daß Du Dich manchmal fragst, wo das Geld geblieben ist. Aber Du hast sehr recht, wenn Du schreibst, daß Du mir durch Deine Besorgungen viel geholfen hast. Ich habe noch nie lange auf der Bezugscheinstelle warten müssen, wie es so viele jetzt müssen, wo wegen Wintersachen Hochbetrieb ist. Ich bin auch sehr froh darüber und möchte Dir immer wieder für Deine viele Mühe danken.
Ich bin auch der Meinung, daß wir uns bei Papa, Siegfried und Erna in nichts hineinmischen. Ich hoffe, daß sie schon miteinander auskommen werden.
Von den Inspiroltabletten werde ich also vorläufig keine mehr besorgen.
Zu essen habt Ihr ja bei Eurem Besuch wieder genug bekommen, bei den Leuten geht es noch nicht knapp zu. Ich gönne es Dir ja gern, daß Du wieder einmal richtig futtern konntest. Vor allen Dingen ist es eine schöne Abwechslung im Einerlei.
Kennen es die Leute in Frankreich gar nicht, daß man rohes Hackfleisch essen kann? Ich kann es mir vorstellen, wie enttäuscht Du warst, als Du das Essen ganz anders bekamst, als Du Dir`s vorgestellt hast. Die Frau wird aber gedacht haben, daß sie Dir`s ganz besonders gut gemacht hat. Na, wenigstens hast Du noch die Hälfte richtig bekommen. Es freut mich, daß Du jetzt ein schönes Zimmer für Dich hast, denn ich weiß, daß Du da viel lieber arbeitest.
Ich will heute mit den Kindern ins Kino gehen. Es wird „Der gestiefelte Kater“ gespielt. Helga und Jörg freuen sich schon sehr und können es kaum erwarten. Es fängt um 2 Uhr an.
Heute Morgen kam der Brief vom Nikolaus, der große Freude ausgelöst hat. Helga wird Dir sicher in den nächsten Tagen schreiben und Dir davon berichten.
Jörg versucht jetzt immer verschiedene Worte zu schreiben. Was dabei herauskommt siehst Du an beiliegendem Zettel. Aber man sieht doch den Eifer.
Ich habe gestern gelesen, daß von der Front zur Heimalt keine Sperre besteht. Es dürfen Päckchen usw. gesandt werden. Von hier zur Front dürfen aber die Briefe nur 5o g schwer sein und Päckchen sind bis zum 25. gesperrt.
Laß mich nun für heute schließen. Ich muß noch Essen kochen, damit wir rechtzeitig fort kommen.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.


Mein liebster Ernst!                                                         Konstanz, 7.12.41 abends

Ich fange heute Abend schon mit dem Brief an, denn ich will Dir von heute Nachmittag erzählen. Wie ich Dir schon schrieb, waren wir im Kino in „Der gestiefelte Kater.“ Du, das war der erste Märchenfilm, von dem ich restlos begeistert war. Die Möglichkeiten, die sich gerade bei Verwandlungen bieten, waren wirklich märchenhaft ausgenutzt. Erst sieht man zum Beispiel den Menschenfresser in natürlicher Gestalt. Während er dann den Zaubertrank trinkt, verwandelt er sich  in einen Löwen. Wie das gemacht ist, ist ganz prima. Genau so, wie sich dann die Bänke, Stühle, der Bär usw. beim Tode des Menschenfressers in Menschen zurückverwandeln. Auch der Kater war fein dargestellt. Dazwischen waren wirklich wunderbare Natur- und Tieraufnahmen eingeflochten, aber so, daß es wirklich in die Handlung paßten. Man glaubte wirklich, ein Märchen zu erleben.
Ich war doch von den anderen Märchenfilmen, die wir früher gesehen hatten, so enttäuscht. Ich hatte es nur wirklich überlegt, ob wir heute gehen wollten. Der heutige Film ist von der deutschen Märchenfilm-Produktion hergestellt. Wenn die noch mehr so Filme machen, dann ist es recht.
Vorher kam noch ein Film von den Hohensteiner Puppenspielern. „Die blaue Blume“ wurde gespielt. Das war auch prima. Erst geistern durch die Bäume verschiedene Geister. Dann kommt eine Hexe und erzählt, daß die Menschen die blaue Blume suchen, sie aber nicht finden sollen, damit sie schlecht bleiben. Dann kommt die Prinzessin aus dem Märchenland und will die blaue Blume für ihren Vater holen. Die Hexe nötigt sie ins Haus, daß sie vor dem Rückweg ausruht. Während sie ins Haus gehen, kommt von der anderen Seite der Kasper und sagt, daß er alles gesehen hat und genau aufpassen wird. Während er verschwindet, kommt die Hexe mit einem großen Kessel, in dem sie den Zaubertrank braut. Sie rührt mit einem Holzlöffel und  plötzlich steigt Dampf daraus hervor. Während sie dann fortgeht, rührt der Löffel immer weiter, bis sie zurückkommt und den Topf zum Abkühlen herausstellt. Während der Zeit erscheint wieder kurz der Kasper und sagt, er will doch sehen , was die Hexe vor hat. Nun kommt die Hexe und schaut hinter alle Bäume und sagt, es sei ihr doch, als sei jemand da gewesen. Nun ist es ja nur Kino, aber alle Kinder haben laut gerufen „Es war niemand da.“ Dann bringt die Hexe einen Tisch, ein Tischtuch und zuletzt 2 Gläser, aber aus Holz, und erzählt, daß in dem einen, das sie rechts hinstellt, Gift in dem Trank drin ist, damit die Prinzessin stirbt. Während sie die Prinzessin holt, kommt der Kasper und vertauscht die Gläser. Dann trinken die Hexe und die Prinzessin und die Hexe stirbt unter furchtbaren Leibschmerzen. Der Kasper trägt sie zur Knochensammlung. Vor ihrem Tod schreit die Hexe nach dem Drachen, der auch erscheint. Der war wirklich fein gemacht und die Töne, die er ausgestoßen hat, waren direkt zum fürchten. Kasper, der die Prinzessin hinter einen Baum gezogen hat, kommt langsam hervor, legt das Gewehr an und schießt ihn ab. Der windet sich noch eine kurze Zeit und stößt schauerliche Töne aus. Die nächste Szene spielt beim König. Er kommt mit einem Bedienten, der ihm die Schleppe trägt und fragt nach der Prinzessin. In dem Moment erscheint sie mit der blauen Blume und erzählt, daß der Kasper ihr geholfen habe. Aber genau wolle sie es erst später nach und nach erzählen, sonst würde er sich zu sehr aufregen. Jetzt wollten sie erst fröhlich sein und auch ein wenig tanzen. Dann gehen sie in ein anderes Zimmer, wo 4 Hofdamen im schönsten Klatsch miteinander stehen. Als der König kommt, drehen sie sich schnell um und verbeugen sich, Der König kommt, stellt nun Kasper als Held vor und sagt, daß sie zur Errettung der Prinzessin lustig sein und tanzen wollen. Dann tanzt Kasper mit der Prinzessin und dann ist Schluß.
Alles ging so ruhig zu und doch waren alle Kinder mit Begeisterung dabei. Ich weiß ja nicht, ob Dir meine lange Schilderung recht ist, aber ich dachte, vielleicht interessiert es Dich, wenn Ihr jetzt auch nicht spielt.
Nach dem Kino sind wir noch zur Post und haben den Brief an Dich eingesteckt. Nachher sind wir heim gegangen. Es fing unterwegs schon etwas an zu nieseln, aber als wir dann daheim waren, fing es fest an zu regnen. Da waren wir froh, daß wir daheim waren. So ist dieser Sonntag ganz unterhaltend vorbei gegangen. Ich hoffe ja, daß Du heute schon Post von uns bekommen hast, damit Du nicht ohne jede Nachricht von uns sein mußtest. Ich werde auch froh sein, wenn ich Deinen Bescheid habe, daß Du wieder laufend Briefe von uns bekommst.
Nun will ich schlafen gehen. Gute Nacht, mein lieber Mann. Wach ganz gesund wieder auf.

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