Mein
liebster Ernst! Konstanz, 17.12.41
Ich
glaube fast, es bleibt dabei, daß ich immer erst abends zum schreiben komme.
Heute haben wir am Nachmittag den Sack mit Papier und eine halbe Tasche mit
Knochen weggeschafft. 65 Pfennig haben wir dafür bekommen. Davon haben die Kinder
je 25 Pfennig und ich 15 Pfennig gespart. Heute erhielt ich Deinen lieben Brief
vom 13.12. Die Briefmarken hebe ich mit auf. Das ist fein, daß Du doch noch
Puppen bekommen hast. Da sind ja dann alle Wünsche Helga`s erfüllt. Also Mehl
schickst Du mir auch. Du bist doch ein ganz lieber Kerl. Für alles sorgst Du.
Als
wir heute gegen Abend heimkamen, hatte der Briefträger bei Nußbaumers das
Weihnachtspaket von Papa abgegeben. Es war ein großes Paket und auch der Inhalt
ist sehr reichlich, so daß ich mit meinem kleinen Paket direkt beschämt bin.
Aber es gibt bei uns wirklich nicht viel zu kaufen. Die Fremden haben soviel
aufgekauft. Auch Bücher gibt es fast nicht. Du siehst ja, auch die Kuchenplatte
konnte ich nicht bekommen. Ich kann es auch nicht ändern. Vielleicht kannst Du
dort noch eine Kleinigkeit für Erna besorgen, aber da wirst Du mit der
Kleiderkarte auch in Konflikt kommen. Ach, lassen wir es eben bis nach dem
Kriege.
-
In dem Paket waren drin: (ich schreibe es nach Papa`s Aufstellung:
1.
1 Stolle (Erna hat eine für uns, für Siegfried und für Papa und Erna gebacken)
2.
1 Einkaufstasche für mich
3.
1 Stück gute Seife
4.
3 Scheuertücher
5.
3 Gabeln 3 Messer, 6 große Löffel, 6 Kaffeelöffel, 1 Zuckerlöffel (noch als Erbe
von Mama)
6.
1 silberner Drehbleistift für Dich von Papa
7.
je 1 Taschenkalender für Dich und mich
8.
Bleistifte für die Kinder und uns
9.
1 Bernsteinkette (von Mama)
10.
1 silbernes Kettchen für Helga (von Mama)
11 1 goldene Uhr von Mama für Helga (Papa
schreibt: Mama hat es mir einmal gesagt, daß diese Helga als Erbe haben soll. Du wirst sie sicher noch
aufheben, denn sie ist sehr gut und wertvoll.
12.
1 Dominospiel für die Kinder
13. 1 Sparkasse für Jörg zum zusammenbauen
(Die ist noch von uns früher)
14.
Zwei Albums für die Beiden (Papa hat die Bilder selber eingeklebt. „Deutsche
Märchen“ „Tiere unserer Heimat“
15.
4 große und ein kleines Buch für uns und die Kinder. Ich hebe mir das Auspacken
noch ein paar Tage auf. Bis zur Bescherung geht es leider nicht, da ich ja den
Kindern die Bücher mit hinlegen will. Auf dem Papier steht nicht, welche für
sie sind.
16.
Einige kleine Beutel mit Gebäck, die Erna gebacken hat.
17.
1 Glasschale für mich von Erna.
18.
3 Taschentücher für Helga von Erna.
19.
Einige Wasserfarben mit Pinsel für Jörg. (Die Farben sind ohne Kasten, eignen
sich
also zum Nachfüllen des Kastens, den ich ihm schenken werde)
Erna
hat noch ein Bild von sich mitgeschickt. Ich werde es später einrahmen. Erst
schicke ich es aber Dir zur Ansicht mit. Das
Bild ist gut getroffen.
Die
Sachen, die noch für Dich bestimmt sind, schicke ich Dir nach den Feiertagen
zu. Als Papa das Paket wegschickte, wußte er noch nicht, daß Du zu Weihnachten
nicht daheim bist.
Die
Stolle, die sie uns geschickt haben, wiegt ca. 3 Pfund. Sie ist also ziemlich
groß. Ich werde Dir sicher davon ein Stück mitschicken, wenn ich nach den
Feiertagen ein Päckchen für Dich fertig mache.
Helga
hat morgen vor den Ferien das letzte Mal Schule, während Jörg am Montag zum
letzten Mal geht. Das kommt daher, weil sie wieder in die richtige Schule
umziehen, da müssen am Freitag nur die 5.Klässler mithelfen, während die
anderen heim bleiben können.
Nachdem
es gestern Abend stürmte und regnete, hat es sich heute wieder etwas gebessert.
Aber trüb ist es immer noch. Da man nicht weiß, wie es noch wird, sind wir
heute mit unserem Papiersack mal losgezogen, es waren immerhin 30 kg. Ich
wollte dieses Paket nicht noch mit ins neue Jahr reinschleppen. Am meisten
Vergnügen hat es den Kindern natürlich gemacht, daß ich sie den ganzen Weg
zurück gezogen habe. Wir hatten doch den Wagen von Vater mit. Da haben sie es
sich richtig bequem machen können.
Jetzt
habe ich bald die erste Flasche Rotwein alle. Heute Abend will ich noch etwas
davon trinken.
Immer
wenn ich an Weihnachten denke, muß ich auch daran denken, daß Du da nicht bei
uns bist. Ich kann es immer gar nicht glauben. Nun geht es ja mit
Riesenschritten dem Fest zu. Ich bin nur froh, daß sich die Kinder so freuen
und daß ich weiß, daß sie von den Geschenken nicht enttäuscht sein werden. Denn
sie bekommen doch noch reichlich geschenkt, nicht wahr? Nun will ich aber
schließen. Es ist schon wieder nach 10 Uhr. Wenn ich jeden Abend so spät zum
Briefwegschaffen gehe, gebe ich höchstens noch mal Anlaß zu Klatsch.
Sei
nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
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