Samstag, 17. Dezember 2016

Brief 255 vom 17.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                                    Konstanz, 17.12.41                               

Ich glaube fast, es bleibt dabei, daß ich immer erst abends zum schreiben komme. Heute haben wir am Nachmittag den Sack mit Papier und eine halbe Tasche mit Knochen weggeschafft. 65 Pfennig haben wir dafür bekommen. Davon haben die Kinder je 25 Pfennig und ich 15 Pfennig gespart. Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 13.12. Die Briefmarken hebe ich mit auf. Das ist fein, daß Du doch noch Puppen bekommen hast. Da sind ja dann alle Wünsche Helga`s erfüllt. Also Mehl schickst Du mir auch. Du bist doch ein ganz lieber Kerl. Für alles sorgst Du.
Als wir heute gegen Abend heimkamen, hatte der Briefträger bei Nußbaumers das Weihnachtspaket von Papa abgegeben. Es war ein großes Paket und auch der Inhalt ist sehr reichlich, so daß ich mit meinem kleinen Paket direkt beschämt bin. Aber es gibt bei uns wirklich nicht viel zu kaufen. Die Fremden haben soviel aufgekauft. Auch Bücher gibt es fast nicht. Du siehst ja, auch die Kuchenplatte konnte ich nicht bekommen. Ich kann es auch nicht ändern. Vielleicht kannst Du dort noch eine Kleinigkeit für Erna besorgen, aber da wirst Du mit der Kleiderkarte auch in Konflikt kommen. Ach, lassen wir es eben bis nach dem Kriege.

- In dem Paket waren drin: (ich schreibe es nach Papa`s Aufstellung:
1. 1 Stolle (Erna hat eine für uns, für Siegfried und für Papa und Erna gebacken)
2. 1 Einkaufstasche für mich
3. 1 Stück gute Seife
4. 3 Scheuertücher
5. 3 Gabeln 3 Messer, 6 große Löffel, 6 Kaffeelöffel, 1 Zuckerlöffel (noch als Erbe von Mama)
6. 1 silberner Drehbleistift für Dich von Papa
7. je 1 Taschenkalender für Dich und mich
8. Bleistifte für die Kinder und uns
9. 1 Bernsteinkette (von Mama)
10. 1 silbernes Kettchen für Helga (von Mama)
11  1 goldene Uhr von Mama für Helga (Papa schreibt: Mama hat es mir einmal gesagt, daß diese Helga als Erbe    haben soll. Du wirst sie sicher noch aufheben, denn sie ist sehr gut und wertvoll.
12. 1 Dominospiel für die Kinder
 13. 1 Sparkasse für Jörg zum zusammenbauen (Die ist noch von uns früher)
14. Zwei Albums für die Beiden (Papa hat die Bilder selber eingeklebt. „Deutsche Märchen“ „Tiere unserer Heimat“
15. 4 große und ein kleines Buch für uns und die Kinder. Ich hebe mir das Auspacken noch ein paar Tage auf. Bis zur Bescherung geht es leider nicht, da ich ja den Kindern die Bücher mit hinlegen will. Auf dem Papier steht nicht, welche für sie sind.
16. Einige kleine Beutel mit Gebäck, die Erna gebacken hat.
17. 1 Glasschale für mich von Erna.
18. 3 Taschentücher für Helga von Erna.
19. Einige Wasserfarben mit Pinsel für Jörg. (Die Farben sind ohne Kasten, eignen
sich also zum Nachfüllen des Kastens, den ich ihm schenken werde)

Erna hat noch ein Bild von sich mitgeschickt. Ich werde es später einrahmen. Erst schicke ich es aber Dir zur Ansicht mit. Das  Bild ist gut getroffen.
Die Sachen, die noch für Dich bestimmt sind, schicke ich Dir nach den Feiertagen zu. Als Papa das Paket wegschickte, wußte er noch nicht, daß Du zu Weihnachten nicht daheim bist.
Die Stolle, die sie uns geschickt haben, wiegt ca. 3 Pfund. Sie ist also ziemlich groß. Ich werde Dir sicher davon ein Stück mitschicken, wenn ich nach den Feiertagen ein Päckchen für Dich fertig mache.
Helga hat morgen vor den Ferien das letzte Mal Schule, während Jörg am Montag zum letzten Mal geht. Das kommt daher, weil sie wieder in die richtige Schule umziehen, da müssen am Freitag nur die 5.Klässler mithelfen, während die anderen heim bleiben können.
Nachdem es gestern Abend stürmte und regnete, hat es sich heute wieder etwas gebessert. Aber trüb ist es immer noch. Da man nicht weiß, wie es noch wird, sind wir heute mit unserem Papiersack mal losgezogen, es waren immerhin 30 kg. Ich wollte dieses Paket nicht noch mit ins neue Jahr reinschleppen. Am meisten Vergnügen hat es den Kindern natürlich gemacht, daß ich sie den ganzen Weg zurück gezogen habe. Wir hatten doch den Wagen von Vater mit. Da haben sie es sich richtig bequem machen können.
Jetzt habe ich bald die erste Flasche Rotwein alle. Heute Abend will ich noch etwas davon trinken.
Immer wenn ich an Weihnachten denke, muß ich auch daran denken, daß Du da nicht bei uns bist. Ich kann es immer gar nicht glauben. Nun geht es ja mit Riesenschritten dem Fest zu. Ich bin nur froh, daß sich die Kinder so freuen und daß ich weiß, daß sie von den Geschenken nicht enttäuscht sein werden. Denn sie bekommen doch noch reichlich geschenkt, nicht wahr? Nun will ich aber schließen. Es ist schon wieder nach 10 Uhr. Wenn ich jeden Abend so spät zum Briefwegschaffen gehe, gebe ich höchstens noch mal Anlaß zu Klatsch.
Sei nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

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