Dienstag, 20. Dezember 2016

Brief 256 vom 18./19.12.1941


Mein lieber Ernst!                                                            Konstanz, den 18.12.41                         

Post habe ich heute keine von Dir bekommen. Nur eine Karte von Papa, daß ein drittes Paket unterwegs ist mit Zeitungen, einem Muff und einem Tuch von Mama. Da habe ich also über die Feiertage etwas zu lesen, damit es mir nicht langweilig wird.
Heute Morgen habe ich für die Kinder noch je 1 Paar Socken gekauft, damit sie sie jetzt über die Strümpfe anziehen können und später, wenn sie wieder gewachsen sind, so an bloßen Füßen.
Jetzt sind alle Weihnachtsvorbereitungen soweit getroffen. Ich wollte ja eigentlich noch verschiedenes nähen, aber ich kann einfach nicht mehr. Ich bin so kaputt, daß ich am liebsten überhaupt nichts mehr tun möchte. So habe ich jetzt die Maschine weggestellt und mache nur noch die Sachen mit der Hand fertig, die ich soweit vorbereitet habe. Es sind dies 1 gestreiftes Kleid für die zweitgrößte Puppe, 1 Dirndlkleid mit 2 Blusen (die ich noch umhäkeln muß) für die größte, 1 Strampelhöschen und Mütze für die Babypuppe. Da habe ich auch so noch genug zu tun. Helga muß eben mit dem zufrieden sein.
Ich habe heute an Papa noch einen Brief geschrieben, von dem ich Dir den Durchschlag mitschicke. Außer einer Karte, wenn ich das 3. Paket erhalte, werde ich wohl vor Weihnachten nichts mehr schreiben. An Nanni will ich noch eine Weihnachtskarte schicken, damit sie nicht ganz beleidigt ist. Ich weiß einfach nicht, was ich ihr in einem Brief schreiben sollte. Das Briefschreiben machst Du ja. Sonst glaube ich, daß ich mit den Schreiben alles erledigt habe, damit keiner sich zurückgesetzt fühlt.
Laß mich nun für heute schließe. Ich kann heute gar keinen richtigen Gedanken mehr zusammenbringen.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                      Konstanz, 19.12.41

Heute habe ich wieder keinen Brief von Dir bekommen. Von Papa kam einer, von dem Du sicher den Durchschlag bekommen hast, denn am gleichen Tag hat er an Dich geschrieben und ich erhielt den Durchschlag davon. Gleichzeitig kam ein Päckchen mit allen 10 Abzeichen, bzw. Kreiseln, die am kommenden Sonntag verkauft werden. Wir alle drei haben schon unsere Freude daran gehabt, denn sie tanzen richtig, und da es jeweils ein Pärchen mit verschiedenen Trachten ist, kann man sie zusammen tanzen lassen. Du hättest nur hören sollen, wie die Kinder heute schon darüber gelacht haben. Ich schrieb Dir ja vorgestern, daß sich die Kinder 25 Pfennig von dem fortgeschafften Papier gespart haben. Nun haben sie dazu wieder ihre Sparbüchse mit noch 30 Pfennig geplündert und sind heute Nachmittag in die Stadt gewandert, um mir noch etwas für Weihnachten zu kaufen. Sie wollen mich unbedingt beschenken. Helga wollte eigentlich Jörg um 3 Uhr von der Schule abholen, aber er kam schon 1/2 3 Uhr wieder. Es ist ihnen nur ihr künftiges Klassenzimmer in der richtigen Schule gezeigt worden, dann durften sie wieder nach hause gehen. Die Schule fängt am 6.1. wieder an. In der Schule ist jetzt große Räumerei, da können sie die Kinder die 2 Tage nicht noch brauchen. Böse sind sie ja deswegen nicht. Jörg ist ganz begeistert von dem neuen Zimmer und jetzt ist es schon 1 Treppe hoch, das ist doch was ganz besonderes.
Wie ich heute in der Zeitung gelesen habe, ist bei Uhink ein kleiner Werner angekommen.
Ich hatte mir ja gestern vorgenommen, nichts mehr vor Weihnachten zu nähen. Nun mußte ich diesem Vorsatz doch untreu werden. Ich ließ gestern Helga ihr gutes grünes Kleid anziehen, um zu sehen, ob alles für den Sonntag klappt. Da war es ihr doch vollkommen zu klein geworden. Sie hatte es längere Zeit nicht mehr angehabt. Was nun? Der Faltenrock, den sie sonst angezogen hätte, war ihr ja auch viel zu kurz geworden und ich habe ihn zum Mantel mit verarbeitet. Da habe ich mich an Deine blaue Hose, in die doch die Motten gekommen waren, erinnert. Ich hatte sie ja im Koffer verpackt liegen. Die habe ich vorgeholt und Helga ein sehr schönes Röckchen draus gemacht. Es hat gerade gereicht, damit die Mottenlöcher nicht stören. Viel größer hätte sie aber nicht sein dürfen. Das Röckchen reicht bis zu den Knien, so daß sie es auch noch nächstes Jahr tragen kann. Helga ist eben schon ziemlich groß, sie braucht bei Kleidern schon 90 cm Länge.
Mein lieber Ernst, ich weiß nicht, wie lange die Briefe jetzt kurz von Weihnachten unterwegs sind. Ich möchte Dir schon heute viele herzliche Weihnachtsgrüße senden. Verlebe die Feiertage gesund und denke recht oft an uns. Ich denke, daß wir am Heiligen Abend so zwischen ½ 6 und 6 Uhr bescheren werden. O Ernst, wie wirst Du uns fehlen. Ich kann es mir gar nicht vorstellen, daß es ein Weihnachten ohne Dich geben kann.
Vater wird wahrscheinlich wieder später am Abend heraufkommen.
Sei Du nun wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.


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