Sonntag, 11. Dezember 2016

Brief 251 vom 10./11./12.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                                        Konstanz, 10.12.41                 

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 6.12., der mir ja eine große Enttäuschung gebracht hat, denn nun ist es ja bestimmt, daß Du zu Weihnachten nich heim kannst. Du hattest mir ja keine Hoffnung gemacht, aber trotzdem war es für mich bitter. Ein bißchen Hoffnung hatte ich immer noch. Zu Neujahr wird es ja wohl auch nichts werden, nicht wahr? Was ich über den dafür Verantwortlichen denke, darf ich garnicht schreiben. Wenn man wüßte, es geht absolut nicht, würde man sich noch hineinfinden, aber wenn man sieht, es ist nur böser Wille, da könnte man gerade dazwischenschlagen. Vielleicht sind sie bei dem zuhause froh, wenn er nicht da ist und er meint, bei anderen muß es ebenso sein. Hoffentlich findet dieser Mann noch mehr Sachen, wo er anderen die Freude verderben kann. Manchmal ist mir jetzt das Schlafen das liebste, im Traum sehe ich Dich wenigstens öfter. Wegen mir brauchte garnicht Weihnachten sein, aber den Kindern soll es nicht verdorben werden. Ein richtiges Fest wird es ohne Dich ja sowieso nicht. - Briefmarken schicke ich Dir wieder mit. Wenn ich es noch richtig weiß, habe ich Dir in der letzten Woche noch einmal 3 oder 4 geschickt, sodaß Dir vielleicht vorübergehend geholfen ist. - Wie ich Dir ja schon schrieb, ist es numöglich, für Erne eine Kuchenplatte zu bekommen. Ich wollte mir ein paar Schüsseln kaufen. Auch das gibt es nicht. Wir müssen bis später warten. - Für Helga habe ich ja einen Mantel genäht. Weißt Du, aus was ich den gemacht habe? Erinnerst Du Dich an den Mantel, den mir Frau Lämmel mal gemacht hatte? Der Stoff war von meiner Mutter. Da der Mantel so verhunzt war, habe ich mir ein Kleid daraus gemacht. Dann, als die Ärmel nichts mehr waren, hat es ein Hängerkleid gegeben. Ich ziehe es ja jetzt nicht mehr an, da ich andere Sachen habe. Daraus ist der Mantel für Helga geworden. Wenigstens das Rumpfteil. Die Ärmel habe ich aus Helgas Faltenrockk gemacht, der ihr viel zu klein war. Ebenso den Kragen und die Taschen. Große, dunkelblaue Knöpfe verzieren das Ganze . Es sieht nicht etwa zusammengestückelt aus , sondern es wirkt sehr gut, dieses matte Braun und Blau. - Gestern und heute habe ich Schürzen für Helga genäht. Vielleicht erinnerst Du Dich an die blau und weiß gemusterten 4 Schürzen, die Helga vor mehreren Jahren von Kurt bekam. Paula hatte sie genäht. Die waren ihr nun zu klein geworden und auch teilweise sehr zerrissen. Da raus sind nun 2 geworden, natürlich ganz anders in der Form. Dann habe ich ihr noch aus einem Rest, den ich noch da hatte, eine richtige Schürze zum Schaffen gemacht. Dann noch aus einem Kunstseidenrest, der einmal Vorhang und später ein Kleid von mir war, eine bessere Schürze. Nun habe ich noch 2 Schürzen von mir da, die zerrissen sind, aber für Helga doch noch was ergeben, dann ist sie wieder für eine Weile versorgt. - Du stellst ja schöne Sachen an, gleich den Tisch mit Radio, Lampe usw. umzuschmeißen. Du wirst sicher erleichtert gewesen sein, als nichts weiter kaputt war. Lachen habe ich aber bei Deinem Bericht schon müssen. Ich habe mir die Situation richtig vorstellen können. - In Siegfrieds Brief schreibst Du, daß für Erna sicher Nr. 46 für eine Bluse richtig ist. Ich glaube, sie braucht höchstens 42 oder 44. Erna ist doch ganz schlank. - Daß ich 16,.- Weihnachtsgeld bekomme, habe ich zwar nicht gelesen, aber gesehen, denn gerade heute Morgen sind sie mir gebracht worden. Soll ich sie sparen, je 4 M für Helga und Jörg und 8,- für uns? Oder soll ich Dir vielleicht alles oder die Hälfte nächsten Monat mitschicken? Schreibe mir bitte, wie Du`s willst. - Papa hat vergangenen Freitag noch ein Paket mit Sachen von Mama an mich abgesandt. Er teilte es mir heute durch Karte mit. - Hast Du eigentlich den Brief von mir schon bekommen, worin ich Dich um Umschläge bat? Ich war heute ganz erstaunt, als schon welche bei den Zeitungen lagen, die Du geschickt hast. Ich habe doch, glaub ich, erst später drum geschrieben. Ich danke Dir jedenfalls sehr dafür. - In der Zeitung, die Du mir immer schickst, fängt ja jetzt ein neur Roman an, der in Überlingen spielt. Den werde ich sicher lesen. - Jörg ist heute geimpft worden, Helga kommt morgen dran. Bei Jörg ist wieder ein Vorderzahn rausgegangen, der nächste schiebt sich schon durch. Jetzt sieht unser Bursche wieder lustig aus mit seiner Zahnlücke. Man muß direkt lache, wenn man ihn ansieht. - Laß mich nun wieder schließen. Ich will noch in die Stadt fahren, um die Briefmarken zu besorgen. - Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                                    Konstanz, 11.12.41

Ich komme heute erst um 5 Uhr zum schreiben, daich mir vorher die Reichtagsrede angehört habe. Nun haben wir also auch mit Amerika Krieg. Ach, Ernst, wie lange wird dieser Krieg noch dauern. Er war natürlich nötig, das wissen wir ja, auch jetzt mir Amerika. Eines Tages wäre es ja doch soweit gekommen. Der Rosevelt hat ja schon lange gehetzt. Aber manchmal hat man doch große Sehnsucht nach Frieden, wenn man auch nicht nachgeben darf, denn von 1918 haben wir ja gelernt. Ich habe ja eigentlich auch nichts zu klagen, ich habe Euch noch gesund und wir haben, vor allem auch dank Deiner Liebe, noch immer reichlich Kleidung und zu essen. Und doch ist es mir manchmal schwer. Du bist mir bitte nicht böse, daß ich das schreibe, aber Du bist mir doch der Nächste und zu anderen Leuten möchte ich nichts sagen. - Einen Brief habe ich heute nicht von Dir erhalten, aber das Päckchen 32 mit dem Spielzeug für Jörg. Angesehen habe ich es mir noch nicht, da es erst vorhin angekommen ist. Aber die Federn habe ich Jörg gegeben. Der hat eine große Freude daran. Ich habe vorhin schon einmal das Schreiben unterbrechen müssen, damit ich ihm einen Stutz mache. Anmalen muß ich ihm nachher noch. Das Päckchen habe ich natürlich im Schlafzimmer ausgepackt, damit es die Kinder nich gesehen haben. - Gestern brachte mir Vater 4 Pfund Mehl. Ich schrieb Dir  ja schon einmal davon, daß er mir welches geben wollte. Ich habe ihm dafür ein paar Mandeln, ein paar Rosinen und 1/4 Pfund Butter gegeben. Nun habe ich heute noch etwas Kleingebäck gebacken und Anfang nächster Woche will ich noch ein paar Stollen backen. Aber höchstens 2 oder 3 kleine. Wenn ich den Zucker von Dir nicht gehabt hätte, wäre es mir nicht möglich gewesen, ein paar Mal zu backen. Das hat mir schon sehr viel geholfen. - Von Siegfried bekam ich heute eine Weihnachtskarte. Er schreibt, da er sicher Weihnachten draußen feiert, will er jetzt schon schreiben. Ich muß ihm auch noch eine Karte oder Brief schreiben, ebenso auch an Alice und an Tante Agnes, sowie an Dora. An Papa schicke ich etwas Gebäck und ein kleines Buch von äDer kleinen Büchereiä. Mehr kann man jetzt nich schenken, denn man bekommt ja nichts weiter. - Laß mich nun für heute schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni. - Ich schicke Dir heute nochmal  5  20Pfg-Marken. Gestern habe ich 10 Stück mitgeschickt.

Mein liebster Ernst!                                                           Konstanz, 12.12.41

Um 9 Uhr ist es schon geworden und jetzt komme ich erst zum schreiben. Es war heute so ein unruhiger Tag und ich bin eigentlich nur den ganzen Tag herumgerannt und doch zu nichts gekommen. Am Morgen habe ich Lebensmittelkarten geholt und eingekauft. Als ich wieder daheim war, kam Dein liebes Päckchen 34 mit Mandarinen. Da haben wir ein paar gegessen, die wunderbar geschmeckt haben. Dann  habe ich Essen gekocht und Jörg hat gegessen, weil er zur Schule mußte, ehe Helga daheim war. Später kam Helga und wir haben zusammen gegessen. Als ich noch beim Aufräumen war, kam der Briefträger und brachte Dein Päckchen 33 mit Zigarren und Tabak, ein Riesenpaket von Leipzig mit Sachen von Mama. Darunter waren auch hohe, feste Halbschuhe, die Helga bald passen und ein Paar lederne Hausschuhe, die ihr überhaupt schon soweit passen. Bis ich ausgepackt, sortiert und verpackt bezw. untergebracht hatte, vering eine ganze Weile. Dann war auch noch ein Päckchen von Frau Diez gekommen mit einem Spiel und Hemdchen für Jörg. Sie schreibt, daß bei ihrer Tochter alle Kinder Scharlach hatten und daß ich deshalb ihren Brief verbrennen soll, damit keine Ansteckung erfolgt. Ich habe ihn einstweilen beiseite gelegt, denn ich muß ihn doch wenigstens beantworten. Als ich soweit mit allem fertig war, kam Frau Ehret und sagte, daß im Königsbau Christbäume verkauft werden. Das Gedränge sei nicht so groß. In der Standt fängt der Verkauf am Montag an und da bringen sie einen ja immer fast um. Also sind wir dann auch noch dahin gepilgert und haben ein kleines, sehr nettes Bäumchen für 90 Pfg erstanden. Das haben wir einstweilen im Speicher aufgehängt. Ich muß sagen, daß ich heute Abend  direkt abgekämpft bin. Morgen muß ich noch die Lebensmittelkarten anmelden und auch das Päckchen für Papa und Erna fertig machen. Ein paar Zeilen muß ich noch dazu schreiben. - Einen Brief habe ich auch heute noch nicht von Dir bekommen. Das ist mir ganz ungewohnt und ich habe gleich nicht die richtige Ruhe in mir. Das Schönste vom Tage ist eben  doch ein Brief von Dir. - Da ich den Brief noch fortschaffen will, schließe ich nun schon. Es wird sonst zu spät. Hoffentlich bekomme ich morgen wieder ein Brief von Dir. - Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

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