Mein
liebster Ernst! Konstanz, 10.12.41
Heute
erhielt ich Deinen lieben Brief vom 6.12., der mir ja eine große Enttäuschung
gebracht hat, denn nun ist es ja bestimmt, daß Du zu Weihnachten nich heim
kannst. Du hattest mir ja keine Hoffnung gemacht, aber trotzdem war es für mich
bitter. Ein bißchen Hoffnung hatte ich immer noch. Zu Neujahr wird es ja wohl
auch nichts werden, nicht wahr? Was ich über den dafür Verantwortlichen denke,
darf ich garnicht schreiben. Wenn man wüßte, es geht absolut nicht, würde man
sich noch hineinfinden, aber wenn man sieht, es ist nur böser Wille, da könnte
man gerade dazwischenschlagen. Vielleicht sind sie bei dem zuhause froh, wenn
er nicht da ist und er meint, bei anderen muß es ebenso sein. Hoffentlich
findet dieser Mann noch mehr Sachen, wo er anderen die Freude verderben kann.
Manchmal ist mir jetzt das Schlafen das liebste, im Traum sehe ich Dich
wenigstens öfter. Wegen mir brauchte garnicht Weihnachten sein, aber den
Kindern soll es nicht verdorben werden. Ein richtiges Fest wird es ohne Dich ja
sowieso nicht. - Briefmarken schicke ich Dir wieder mit. Wenn ich es noch
richtig weiß, habe ich Dir in der letzten Woche noch einmal 3 oder 4 geschickt,
sodaß Dir vielleicht vorübergehend geholfen ist. - Wie ich Dir ja schon
schrieb, ist es numöglich, für Erne eine Kuchenplatte zu bekommen. Ich wollte
mir ein paar Schüsseln kaufen. Auch das gibt es nicht. Wir müssen bis später
warten. - Für Helga habe ich ja einen Mantel genäht. Weißt Du, aus was ich den
gemacht habe? Erinnerst Du Dich an den Mantel, den mir Frau Lämmel mal gemacht
hatte? Der Stoff war von meiner Mutter. Da der Mantel so verhunzt war, habe ich
mir ein Kleid daraus gemacht. Dann, als die Ärmel nichts mehr waren, hat es ein
Hängerkleid gegeben. Ich ziehe es ja jetzt nicht mehr an, da ich andere Sachen
habe. Daraus ist der Mantel für Helga geworden. Wenigstens das Rumpfteil. Die
Ärmel habe ich aus Helgas Faltenrockk gemacht, der ihr viel zu klein war.
Ebenso den Kragen und die Taschen. Große, dunkelblaue Knöpfe verzieren das
Ganze . Es sieht nicht etwa zusammengestückelt aus , sondern es wirkt sehr gut,
dieses matte Braun und Blau. - Gestern und heute habe ich Schürzen für Helga
genäht. Vielleicht erinnerst Du Dich an die blau und weiß gemusterten 4 Schürzen,
die Helga vor mehreren Jahren von Kurt bekam. Paula hatte sie genäht. Die waren
ihr nun zu klein geworden und auch teilweise sehr zerrissen. Da raus sind nun 2
geworden, natürlich ganz anders in der Form. Dann habe ich ihr noch aus einem
Rest, den ich noch da hatte, eine richtige Schürze zum Schaffen gemacht. Dann
noch aus einem Kunstseidenrest, der einmal Vorhang und später ein Kleid von mir
war, eine bessere Schürze. Nun habe ich noch 2 Schürzen von mir da, die
zerrissen sind, aber für Helga doch noch was ergeben, dann ist sie wieder für
eine Weile versorgt. - Du stellst ja schöne Sachen an, gleich den Tisch mit
Radio, Lampe usw. umzuschmeißen. Du wirst sicher erleichtert gewesen sein, als
nichts weiter kaputt war. Lachen habe ich aber bei Deinem Bericht schon müssen.
Ich habe mir die Situation richtig vorstellen können. - In Siegfrieds Brief
schreibst Du, daß für Erna sicher Nr. 46 für eine Bluse richtig ist. Ich
glaube, sie braucht höchstens 42 oder 44. Erna ist doch ganz schlank. - Daß ich
16,.- Weihnachtsgeld bekomme, habe ich zwar nicht gelesen, aber gesehen, denn
gerade heute Morgen sind sie mir gebracht worden. Soll ich sie sparen, je 4 M
für Helga und Jörg und 8,- für uns? Oder soll ich Dir vielleicht alles oder die
Hälfte nächsten Monat mitschicken? Schreibe mir bitte, wie Du`s willst. - Papa
hat vergangenen Freitag noch ein Paket mit Sachen von Mama an mich abgesandt.
Er teilte es mir heute durch Karte mit. - Hast Du eigentlich den Brief von mir
schon bekommen, worin ich Dich um Umschläge bat? Ich war heute ganz erstaunt,
als schon welche bei den Zeitungen lagen, die Du geschickt hast. Ich habe doch,
glaub ich, erst später drum geschrieben. Ich danke Dir jedenfalls sehr dafür. -
In der Zeitung, die Du mir immer schickst, fängt ja jetzt ein neur Roman an,
der in Überlingen spielt. Den werde ich sicher lesen. - Jörg ist heute geimpft
worden, Helga kommt morgen dran. Bei Jörg ist wieder ein Vorderzahn
rausgegangen, der nächste schiebt sich schon durch. Jetzt sieht unser Bursche
wieder lustig aus mit seiner Zahnlücke. Man muß direkt lache, wenn man ihn
ansieht. - Laß mich nun wieder schließen. Ich will noch in die Stadt fahren, um
die Briefmarken zu besorgen. - Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von
Deiner Anni.
Mein
liebster Ernst! Konstanz, 11.12.41
Ich
komme heute erst um 5 Uhr zum schreiben, daich mir vorher die Reichtagsrede
angehört habe. Nun haben wir also auch mit Amerika Krieg. Ach, Ernst, wie lange
wird dieser Krieg noch dauern. Er war natürlich nötig, das wissen wir ja, auch
jetzt mir Amerika. Eines Tages wäre es ja doch soweit gekommen. Der Rosevelt
hat ja schon lange gehetzt. Aber manchmal hat man doch große Sehnsucht nach
Frieden, wenn man auch nicht nachgeben darf, denn von 1918 haben wir ja
gelernt. Ich habe ja eigentlich auch nichts zu klagen, ich habe Euch noch
gesund und wir haben, vor allem auch dank Deiner Liebe, noch immer reichlich
Kleidung und zu essen. Und doch ist es mir manchmal schwer. Du bist mir bitte
nicht böse, daß ich das schreibe, aber Du bist mir doch der Nächste und zu
anderen Leuten möchte ich nichts sagen. - Einen Brief habe ich heute nicht von
Dir erhalten, aber das Päckchen 32 mit dem Spielzeug für Jörg. Angesehen habe
ich es mir noch nicht, da es erst vorhin angekommen ist. Aber die Federn habe
ich Jörg gegeben. Der hat eine große Freude daran. Ich habe vorhin schon einmal
das Schreiben unterbrechen müssen, damit ich ihm einen Stutz mache. Anmalen muß
ich ihm nachher noch. Das Päckchen habe ich natürlich im Schlafzimmer
ausgepackt, damit es die Kinder nich gesehen haben. - Gestern brachte mir Vater
4 Pfund Mehl. Ich schrieb Dir ja schon
einmal davon, daß er mir welches geben wollte. Ich habe ihm dafür ein paar
Mandeln, ein paar Rosinen und 1/4 Pfund Butter gegeben. Nun habe ich heute noch
etwas Kleingebäck gebacken und Anfang nächster Woche will ich noch ein paar
Stollen backen. Aber höchstens 2 oder 3 kleine. Wenn ich den Zucker von Dir
nicht gehabt hätte, wäre es mir nicht möglich gewesen, ein paar Mal zu backen.
Das hat mir schon sehr viel geholfen. - Von Siegfried bekam ich heute eine
Weihnachtskarte. Er schreibt, da er sicher Weihnachten draußen feiert, will er
jetzt schon schreiben. Ich muß ihm auch noch eine Karte oder Brief schreiben,
ebenso auch an Alice und an Tante Agnes, sowie an Dora. An Papa schicke ich
etwas Gebäck und ein kleines Buch von äDer kleinen Büchereiä. Mehr kann man
jetzt nich schenken, denn man bekommt ja nichts weiter. - Laß mich nun für
heute schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni. - Ich
schicke Dir heute nochmal 5 20Pfg-Marken. Gestern habe ich 10 Stück
mitgeschickt.
Mein
liebster Ernst! Konstanz,
12.12.41
Um
9 Uhr ist es schon geworden und jetzt komme ich erst zum schreiben. Es war
heute so ein unruhiger Tag und ich bin eigentlich nur den ganzen Tag
herumgerannt und doch zu nichts gekommen. Am Morgen habe ich Lebensmittelkarten
geholt und eingekauft. Als ich wieder daheim war, kam Dein liebes Päckchen 34
mit Mandarinen. Da haben wir ein paar gegessen, die wunderbar geschmeckt haben.
Dann habe ich Essen gekocht und Jörg
hat gegessen, weil er zur Schule mußte, ehe Helga daheim war. Später kam Helga
und wir haben zusammen gegessen. Als ich noch beim Aufräumen war, kam der
Briefträger und brachte Dein Päckchen 33 mit Zigarren und Tabak, ein
Riesenpaket von Leipzig mit Sachen von Mama. Darunter waren auch hohe, feste
Halbschuhe, die Helga bald passen und ein Paar lederne Hausschuhe, die ihr
überhaupt schon soweit passen. Bis ich ausgepackt, sortiert und verpackt bezw.
untergebracht hatte, vering eine ganze Weile. Dann war auch noch ein Päckchen
von Frau Diez gekommen mit einem Spiel und Hemdchen für Jörg. Sie schreibt, daß
bei ihrer Tochter alle Kinder Scharlach hatten und daß ich deshalb ihren Brief
verbrennen soll, damit keine Ansteckung erfolgt. Ich habe ihn einstweilen
beiseite gelegt, denn ich muß ihn doch wenigstens beantworten. Als ich soweit
mit allem fertig war, kam Frau Ehret und sagte, daß im Königsbau Christbäume
verkauft werden. Das Gedränge sei nicht so groß. In der Standt fängt der
Verkauf am Montag an und da bringen sie einen ja immer fast um. Also sind wir
dann auch noch dahin gepilgert und haben ein kleines, sehr nettes Bäumchen für
90 Pfg erstanden. Das haben wir einstweilen im Speicher aufgehängt. Ich muß
sagen, daß ich heute Abend direkt
abgekämpft bin. Morgen muß ich noch die Lebensmittelkarten anmelden und auch
das Päckchen für Papa und Erna fertig machen. Ein paar Zeilen muß ich noch dazu
schreiben. - Einen Brief habe ich auch heute noch nicht von Dir bekommen. Das
ist mir ganz ungewohnt und ich habe gleich nicht die richtige Ruhe in mir. Das
Schönste vom Tage ist eben doch ein
Brief von Dir. - Da ich den Brief noch fortschaffen will, schließe ich nun
schon. Es wird sonst zu spät. Hoffentlich bekomme ich morgen wieder ein Brief
von Dir. - Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen