Dienstag, 20. Dezember 2016

Brief 262 vom 27.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                                          Konstanz, 27.12.41                         

Puh, ist aber heute ein scheußliches Wetter, kalt und dabei ein Schneetreiben, daß es einem fast zum Rad runter pustet. Daheim ist es heute schon schöner. Als ich heute vom einkaufen heimkam, war mir direkt die Lust alle. Gerade, als ich an der Haustür ankam, war auch der Briefträger da und brachte mir Deine beiden lieben Brief vom, 22.12, den einen mit Zeitungen und Deine Päckchen 42, 44, 45, mit Mandarinen, Puddingpulver und Mehl. Hab recht, recht vielen Dank dafür. Da kann ich öfter mal einen Pudding kochen, aber eingeteilt wird doch. Die Mandarinen erfreuen sich ja bei uns keines langen Lebens, die sind immer bald futsch. Wenn die Kinder welche sehen, bitten und betteln sie ja die ganze Zeit. Aber zum essen sind sie ja auch da. Mir munden sie auch.
Über die Sachen von meinem Vater habe ich mich gefreut. Deine Sachen wollte ich Dir ja gleich heute zuschicken, aber nun ist ja noch Sperre bis 4.1. Über den Kalender von Papa freust Du Dich also. Was wirst Du aber nun gesagt haben, als Du von mir zu Weihnachten auch noch einen bekommen hast? Ich konnte ja nicht wissen, daß Papa dieses Jahr wieder einen bekommen hat, nachdem es im vergangenen Jahr nicht klappte. Das war ja das kleine Geschenk von dem Du nicht mehr wußtest, daß Du Dir`s gewünscht hast.
Das Bild von Erna gefällt Dir also. Soweit ich sie kennen gelernt habe, kann man schon mit ihr auskommen. Sie ist ja am 18.12.  21 Jahre geworden. Also auch noch ziemlich jung. Wenn ich so mit ihr gesprochen habe, hatte ich gar nicht den Eindruck, viel älter zu sein, aber es sind ja immerhin 9 Jahre. Man muß nur immer die Kinder ansehen, da merkt man erst, daß man älter wird. Denke Dir, ich habe unsere Beiden gemessen. Jetzt fall aber nicht um, Jörg ist 1,33m  und Helga 1,44 m groß. Ist das nicht groß? Aber gesund sind sie und das ist das Allerwichtigste.
Die neue Regelung in der Stube kommt mir ganz praktisch vor. Hoffentlich gefällt es Dir auch. Den einen Vorteil hat es wenigstens jetzt gehabt, daß der Christbaum kein bißchen im Wege steht, so daß man sich überall gut bewegen kann.
Ich weiß auch nicht, ob es eine Schwäche oder Stärke von mir ist, das Räumen. Aber ab und zu kommen mir so die Gedanken, wie es vielleicht noch schöner und zweckmäßiger sein könnte. Da läßt es mir dann keine Ruhe, ich muß es versuchen. Klappt es, dann bin ich geneigt, die Räumerei als eine Stärke anzusehen, sieht es hinterher schlechter aus, dann empfinde ich es als eine große Schwäche, daß ich meiner Phantasie nachgegeben habe. Aber ich glaube, abgewöhnen kann ich es mir nicht gleich, wenn es mir manchmal auch quälend ist.
Ich glaube, der Salzmann läßt sich seine Einladungen auch dadurch bezahlen, daß er jetzt allerhand Wünsche äußert.
Vater kam gestern Abend herauf und brachte 2 kleine Kuchen für uns mit. Da hat er uns unseren Kuchen also eigentlich wieder zurück gegeben. Nur, daß er eben am 1.Feiertag dadurch etwas hatte. Von Frau Frick hat er 2 Pfund Fleisch und Kleingebäck geschickt bekommen. Das Letztere hat er uns mitgebracht, weil er zu viel Süßes nicht mag. Er hat noch zu dem Brief an Kurt etwas dazugeschrieben.
Du, mit den Kanonen hast Du ja Jörg eine Freude gemacht. Und die „Käpsele“, wie man hier sagt, knallen prima. Manchmal hört man hinterher überhaupt nichts mehr. Jetzt hat Jörg auch rausgefunden, daß die Granaten ja einen Schlitz haben, wo auch ein „Käpsele“ reingehört. Die Granate ist doch in der Mitte beweglich. Wenn Du sie nun mit der Spitze auf die Erde fallen läßt, schiebt sie sich zusammen und schlägt dabei auf die Kapsel, das knallt dann so schön, daß Jörg überhaupt nicht mehr damit aufhören möchte. Nur gut, daß ich noch ein paar Schachteln zurückgehalten habe, von denen er nichts weiß. Da teilt er sich`s ein bißchen ein und ich habe ein bißchen Ruhe. Von früh bis Abend sitzt Jörg ja jetzt bei seinen Soldaten.
Helga sitzt jetzt nur noch entweder bei den Puppen oder ihren Märchenbüchern. Da ist es gut, daß noch Ferien sind.
Als die Ferien anfingen, sagte Jörg: „Ich muß jeden Tag lesen und schreiben.“ Ich sagte: „Das ist recht, hoffentlich machst Du es auch.“ „Ganz bestimmt, sonst verlerne ich`s bloß.“ Jetzt versucht er sich aber doch immer zu drücken, und wenn er`s macht, dann aber so schnell und so wenig als möglich. Die Spielsachen sind doch noch stärker.
Nun laß mich für heute wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von  Deiner Anni.

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