Dienstag, 20. Dezember 2016

Brief 258 vom 21./22.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                  Konstanz, 21.12.41                       

Einen Sonntagsgruß habe ich heute von Dir bekommen, Deinen lieben Brief vom 18.12.
Die Kinder sind sehr stolz, daß Du Dich über ihren Brief gefreut hast. Nicht wahr, Helga schreibt schon ganz gut. Es kommt eben durch die längere Übung. Mit Jörg seiner Schrift bin ich bis jetzt auch zufrieden.
Die Mandarinen sind wirklich eine willkommene Abwechslung. So etwas haben wir hier ja nicht. Die, die gestern angekommen sind, heben wir für Weihnachten auf. Da werden sie uns auch munden.
Die Essenkocherei für die Kinder ist nicht so schlimm. Ich habe mich schon daran gewöhnt. Es ist ja nur 3/4 Stunde Unterschied, da stelle ich den Topf mit den Kartoffeln mit dem Bügeleisenuntersetzer auf den Ofen. Da halten sie warm, brennen aber nicht an. Bei Eintopf ist es ja einfach.
In dem ersten Paket von Papa waren u,a. 1 Paar Lackschuhe von Mama, 1 Paar Lederhausschuhe, die Helga beide bald tragen kann. 1 weißer handgestrickter Unterrock, wieder einige Hemden, auch ein gestreiftes für Vater, 2 neue Schürzen, 1 Frottierhandtuch, die hohen Schuhe, 1 Hauskleid, 2 ältere Kleider. Aus einem habe ich Jörg Trainingshosen gemacht. Aus dem anderen kann sicher Helga noch was gemacht bekommen. Alte Schlüpfer, davon 2 gestrickte. Da sie so nicht mehr zu brauchen waren, habe ich aus einem für Helga`s größte Puppe 1 Strickkleid gemacht und habe es rosa umhäkelt. Es ist fein geworden. Aus dem anderen bekommt Jörg`s Bär einen Strampelanzug. Es findet alles seine Verwendung.
Nun will ich zum wichtigsten des heutigen Tages kommen, wenigstens für unsere Kinder, unser Theaterbesuch. Die Kinder waren wieder ganz begeistert. Ihnen ist Theater noch lieber als Kino. Es war wirklich ganz schön. Ich bin nur immer noch von Leipzig früher verwöhnt. Aber diesen Maßstab kann man ja an das kleine Theater nicht anlegen. Jedenfalls hat es den Kindern wunderbar gefallen und das ist ja schließlich die Hauptsache. 
Jetzt ist doch zur Sammlung von warmen Wintersachen aufgerufen worden. Die 2 bunten Schals von den Kindern wollte ich geben, da sie ja noch welche von Mama haben. Doppelt brauchen wir ja nicht, wenn die Soldaten draußen frieren müssen. Von den Pullovern werden wir ja keinen weggeben können, denn gut hast Du ja nur 1 mit und 1 ohne Ärmel. Schreibe mir darüber recht bald, da ja die Sammlung schon am 27. anfängt.
Was sagst Du zu dem Weihnachtsgeschenk von Vater. Denke Dir, 40 Mk. Ich habe es ihm auszureden versucht, aber er wollte es einfach geben. Er verdiene jetzt und habe seine Rente. Er spart übrigens als einziger in seinem Betrieb eisern, 26.- im Monat.
Ich will jetzt noch mit den Kindern zu ihm runter gehen. Sein Wecker ist nämlich kaputt und die Uhr geht nicht. Da will ich ihm den kleinen Wecker borgen. Er hat gestern vergessen, ihn mitzunehmen und zum öfteren Raufkommen tun ihm die Füße zu weh.
Laß mich darum für heute schließen. Verlebe die Feiertage noch recht froh und sei herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein lieber Ernst!                                                        Konstanz, 22.12.41

Einen Brief habe ich bis jetzt nicht bekommen. Vielleicht bringt der Briefträger nachher noch einen. Er kommt nämlich jetzt immer später, da er wegen der vielen Pakete nicht mit dem Rad, sondern mit einem Posthandwagen fährt. Das geht natürlich bedeutend langsamer. Heute bekam ich das Zeitungspaket von Papa mit einem schönen schwarzen Muff und einem Seidentuch von Mama.
Zu lesen habe ich über die Feiertage, es sind wieder Berliner Illustrierte, Koralle, Neue J.Z. Grüne Post usw. Es ist gerade richtig angekommen.
Das Weihnachtszimmer ist nun wieder für die Kinder gesperrt. Ich habe schon soweit vorgerichtet. Morgen schmücke ich den Baum. Für Vater werde ich morgen für Weihnachten noch einen Kuchen backen. Er weiß noch nicht, ob er zum Backen kommt, und wenn er es tut, kommt er doch vor den Feiertagen nicht dazu. Da haben wir mit dem Kuchen gleich noch ein Weihnachtsgeschenk für ihn.
Bei uns ist es seit Freitag kalt geworden, von mildem Wetter ist nichts mehr zu spüren. So kalt, daß es nicht gut auszuhalten ist, ist es natürlich nicht. Nach den milden Tagen vorher erscheint es nur kälter.
Ich fahre nachher noch in die Stadt und kaufe alles ein, damit ich mich nicht die zwei letzten Tage so rumdrängen muß. Viel ist es ja sowieso nicht, was ich noch zu besorgen habe, denn am Ende der Woche will ich auch noch was auf den Karten haben. Wir haben aber über die Feiertage etwas Wurst, Käse und noch Schinken von Dir. Das reicht gut. Von dem Schinken will ich auch Vater noch was geben, ich habe noch genügend da.
Von  Dora erhielt ich heute eine Weihnachtskarte. Sie schreibt, daß sie unseren Kindern etwas schicken wollte, daß sie aber nichts bekommen konnte.
Wenn Du diesen Brief erhältst, sind wahrscheinlich die Feiertage schon fast oder überhaupt vorüber. Ob Du wohl nach Lille gefahren bist. Nun, Du wirst es mir ja schreiben.
Gestern habe ich mich schön verhunzt. Als ich mir gestern den Clip an meinem Schal machen wollte, habe ich nicht den Schal sondern meinen Hals erwischt. Da habe ich nun eine schöne Blutblase. Das kann doch nur mir passieren, nicht wahr?
Laß mich nun schließen. Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Der Großhändler Grießer ist zu 15 000,-Mk Strafe wegen Preistreiberei verurteilt worden. Außerdem ist ihm der Importhandel mit Obst und Gemüse entzogen worden. Daß diese Leute doch nie genug verdienen können.

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