Mein
liebster Ernst! Konstanz, 21.12.41
Einen
Sonntagsgruß habe ich heute von Dir bekommen, Deinen lieben Brief vom 18.12.
Die
Kinder sind sehr stolz, daß Du Dich über ihren Brief gefreut hast. Nicht wahr,
Helga schreibt schon ganz gut. Es kommt eben durch die längere Übung. Mit Jörg
seiner Schrift bin ich bis jetzt auch zufrieden.
Die
Mandarinen sind wirklich eine willkommene Abwechslung. So etwas haben wir hier
ja nicht. Die, die gestern angekommen sind, heben wir für Weihnachten auf. Da
werden sie uns auch munden.
Die
Essenkocherei für die Kinder ist nicht so schlimm. Ich habe mich schon daran
gewöhnt. Es ist ja nur 3/4 Stunde Unterschied, da stelle ich den Topf mit den
Kartoffeln mit dem Bügeleisenuntersetzer auf den Ofen. Da halten sie warm,
brennen aber nicht an. Bei Eintopf ist es ja einfach.
In
dem ersten Paket von Papa waren u,a. 1 Paar Lackschuhe von Mama, 1 Paar
Lederhausschuhe, die Helga beide bald tragen kann. 1 weißer handgestrickter
Unterrock, wieder einige Hemden, auch ein gestreiftes für Vater, 2 neue Schürzen,
1 Frottierhandtuch, die hohen Schuhe, 1 Hauskleid, 2 ältere Kleider. Aus einem
habe ich Jörg Trainingshosen gemacht. Aus dem anderen kann sicher Helga noch
was gemacht bekommen. Alte Schlüpfer, davon 2 gestrickte. Da sie so nicht mehr
zu brauchen waren, habe ich aus einem für Helga`s größte Puppe 1 Strickkleid
gemacht und habe es rosa umhäkelt. Es ist fein geworden. Aus dem anderen
bekommt Jörg`s Bär einen Strampelanzug. Es findet alles seine Verwendung.
Nun
will ich zum wichtigsten des heutigen Tages kommen, wenigstens für unsere
Kinder, unser Theaterbesuch. Die Kinder waren wieder ganz begeistert. Ihnen ist
Theater noch lieber als Kino. Es war wirklich ganz schön. Ich bin nur immer
noch von Leipzig früher verwöhnt. Aber diesen Maßstab kann man ja an das kleine
Theater nicht anlegen. Jedenfalls hat es den Kindern wunderbar gefallen und das
ist ja schließlich die Hauptsache.
Jetzt
ist doch zur Sammlung von warmen Wintersachen aufgerufen worden. Die 2 bunten
Schals von den Kindern wollte ich geben, da sie ja noch welche von Mama haben.
Doppelt brauchen wir ja nicht, wenn die Soldaten draußen frieren müssen. Von
den Pullovern werden wir ja keinen weggeben können, denn gut hast Du ja nur 1
mit und 1 ohne Ärmel. Schreibe mir darüber recht bald, da ja die Sammlung schon
am 27. anfängt.
Was
sagst Du zu dem Weihnachtsgeschenk von Vater. Denke Dir, 40 Mk. Ich habe es ihm
auszureden versucht, aber er wollte es einfach geben. Er verdiene jetzt und
habe seine Rente. Er spart übrigens als einziger in seinem Betrieb eisern, 26.-
im Monat.
Ich
will jetzt noch mit den Kindern zu ihm runter gehen. Sein Wecker ist nämlich
kaputt und die Uhr geht nicht. Da will ich ihm den kleinen Wecker borgen. Er
hat gestern vergessen, ihn mitzunehmen und zum öfteren Raufkommen tun ihm die
Füße zu weh.
Laß
mich darum für heute schließen. Verlebe die Feiertage noch recht froh und sei
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Mein
lieber Ernst! Konstanz, 22.12.41
Einen
Brief habe ich bis jetzt nicht bekommen. Vielleicht bringt der Briefträger
nachher noch einen. Er kommt nämlich jetzt immer später, da er wegen der vielen
Pakete nicht mit dem Rad, sondern mit einem Posthandwagen fährt. Das geht
natürlich bedeutend langsamer. Heute bekam ich das Zeitungspaket von Papa mit
einem schönen schwarzen Muff und einem Seidentuch von Mama.
Zu
lesen habe ich über die Feiertage, es sind wieder Berliner Illustrierte,
Koralle, Neue J.Z. Grüne Post usw. Es ist gerade richtig angekommen.
Das
Weihnachtszimmer ist nun wieder für die Kinder gesperrt. Ich habe schon soweit
vorgerichtet. Morgen schmücke ich den Baum. Für Vater werde ich morgen für
Weihnachten noch einen Kuchen backen. Er weiß noch nicht, ob er zum Backen
kommt, und wenn er es tut, kommt er doch vor den Feiertagen nicht dazu. Da
haben wir mit dem Kuchen gleich noch ein Weihnachtsgeschenk für ihn.
Bei
uns ist es seit Freitag kalt geworden, von mildem Wetter ist nichts mehr zu
spüren. So kalt, daß es nicht gut auszuhalten ist, ist es natürlich nicht. Nach
den milden Tagen vorher erscheint es nur kälter.
Ich
fahre nachher noch in die Stadt und kaufe alles ein, damit ich mich nicht die
zwei letzten Tage so rumdrängen muß. Viel ist es ja sowieso nicht, was ich noch
zu besorgen habe, denn am Ende der Woche will ich auch noch was auf den Karten
haben. Wir haben aber über die Feiertage etwas Wurst, Käse und noch Schinken
von Dir. Das reicht gut. Von dem Schinken will ich auch Vater noch was geben,
ich habe noch genügend da.
Von Dora erhielt ich heute eine Weihnachtskarte.
Sie schreibt, daß sie unseren Kindern etwas schicken wollte, daß sie aber
nichts bekommen konnte.
Wenn
Du diesen Brief erhältst, sind wahrscheinlich die Feiertage schon fast oder
überhaupt vorüber. Ob Du wohl nach Lille gefahren bist. Nun, Du wirst es mir ja
schreiben.
Gestern
habe ich mich schön verhunzt. Als ich mir gestern den Clip an meinem Schal
machen wollte, habe ich nicht den Schal sondern meinen Hals erwischt. Da habe
ich nun eine schöne Blutblase. Das kann doch nur mir passieren, nicht wahr?
Laß
mich nun schließen. Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner
Anni.
Der
Großhändler Grießer ist zu 15 000,-Mk Strafe wegen Preistreiberei verurteilt
worden. Außerdem ist ihm der Importhandel mit Obst und Gemüse entzogen worden.
Daß diese Leute doch nie genug verdienen können.
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