Mein
liebster Ernst! Konstanz, 6.12.41
So,
wie Du in dieser Woche vergeblich auf Post gewartet haben wirst, tue ich es in
den letzten Tagen. In dem letzten Brief, den ich erhielt, vom 30.11. schreibst
Du daß es einstweilen nur ein kurzer Gruß sein soll und daß Du an dem Tag noch
mehr schreiben wirst. Nun wartete ich immer, aber die Post läßt mich im Stich.
Ich hoffe ja, daß morgen ein Brief von Dir kommt.
Mein
Adventspäckchen wirst Du ja wohl inzwischen erhalten haben. Rechtzeitig ist es ja
scheinbar nicht eingetroffen, nachdem Du in dem Brief vom Sonntag nichts davon
erwähnst. Aber vielleicht ist es Dir auch hinterher noch lieb.
Nun
will ich Dir noch vom Nikolaus erzählen. Als die Kinder gestern im Bad waren,
habe ich die Tüten mit den Sachen, von denen ich Dir gestern schon schrieb, in
die Betten der Kinder versteckt. Nachdem ich gebadet hatte, bin ich so nebenbei
mit ins Kinderzimmer gegangen und habe die Tüten mitten aufs Bett gestellt. Ins
kalte Zimmer durften die Kinder ja sowieso nicht, weil sie die Haare gewaschen
hatten. So entdeckten sie die Sachen erst, als wir am Abend verdunkeln mußten.
Ich habe es sehr bedauert, daß Du diese große Freude nicht sehen konntest. Das
war ein Jubel. Helga sagte immer wieder, „nun hat uns der Nikolaus doch nicht
vergessen, wenn wir auch nicht mehr an ihn glauben. Es ist mir fast, als
glaubte ich noch dran, wenn ich auch weiß, wie es gemacht ist.“ Darauf Jörg: „So
ist das nicht, wie Du denkst, Mutterle kann das nicht gewesen sein. Sonst
könnte man `s ja denken, aber woher sollte sie Apfelsinen haben, die`s hier gar
nicht gibt? Diesmal war es sicher der richtige Nikolaus aus dem Walde. Der hat
sich sicher die Schuhe ausgezogen und ist leise ins Zimmer geschlichen, damit
wir nichts hören. Das war ein lieber Nikolaus.“ Helga war so lieb und hat ihm
diesen Glauben nicht zerstört, sondern hat mich erst später, als Jörg einmal
nicht da war, gefragt, ob Du die Apfelsinen geschickt hast. Gestern in ihrer
Riesenfreude, hat sie gleich 2 Zettel geschrieben, die ich Dir mitschicken
soll, Du sollst doch an der Freude auch teilhaben.
Heute
kam Dein liebes Päckchen 31 mit Käse und Mandeln. Ich habe gar nicht gewußt,
daß Mandeln mit Schale so aussehen. Ich werde es wahrscheinlich so machen, daß
ich den Kindern zu Weihnachten davon gebe.
Vor
einigen Tagen war ich auch mal in der
Stadt zum einkaufen. Da hatten Soldaten vom Lazarett Ausgang. Das ist sehr
traurig zu sehen. So viele nur mit einem Bein und alles ganz junge Menschen.
Und das sind noch die, die schon raus können. Wie wird da erst mancher noch im
Lazarett liegen. Wenn man das sieht, muß man an des Führers Wort denken: „… vielleicht
begegnet Dir einer, der mehr geopfert hat als Du.“ Wie froh ist man da, wenn
man seine Lieben noch gesund hat. Wenn man diese Soldaten sieht, empfindet man
es erst richtig, wie furchtbar es denen vom Weltkrieg gewesen sein muß, als sie
statt Dank nur Hohn und Elend erfuhren. Ich glaube ja bestimmt, daß es diesmal
anders sein wird.
Von
Kurt bekam ich einen Brief, daß er gesund sei und viel lernen müßte, da er an
einen anderen Platz gestellt worden ist. Bis jetzt war er ja Richtschütze. Was
er jetzt ist, schreibt er nicht. Er nimmt es sehr genau. Als er hier war, sagte
er, er wüßte nie, was er schreiben sollte, denn vom Dienst dürfte er doch kein
Wort schreiben.
Wir
haben diesmal an Kurt nichts für Weihnachten geschickt. Er sagte bei seinem
Hiersein, zu Weihnachten bekäme er immer so viel, daß er es nicht aufessen
könnte. Wir sollten ihm lieber später was schicken. Nun machen wir`s eben auch
so.
Nun
laß mich für heute wieder schließen. Ich hoffe, daß ich recht bald wieder einen
Brief von Dir erhalte und daß Du mich nicht strafst, daß ich mehrere Tage nicht
geschrieben habe, indem Du auch mit dem Schreiben aussetzt.
Sei
nun wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
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