Donnerstag, 19. März 2020

Brief 869 vom 10.4.45


Mein liebster Ernst!                                                                                                10.4.45 

Gestern Abend kam ich nicht zum schreiben. Zuerst war ich am Nachmittag in der Stadt gewesen zum einkaufen. Bei Tengelmann sah der Laden traurig aus. Das haben wir nicht, das ist noch nicht aufgerufen, wer weiß, ob wir das reinbekommen. Dazu hatte Frau Heß ihre Stirn in Falten gezogen. Na, dachte ich, das kann ja gut werden. Aber versuchen wollte ich es doch noch mal wo anders und siehe da, beim Hensler wurde ich mit aller Höflichkeit bedient. „Was wünschen Si bitte, Gries, Haferflocken, Grütze, Spätzle?“ Ich habe mich für Gries und Haferflocken entschieden. Haben sie Zucker, fragte ich dann.  Nein, aber morgen kommt er rein.  Vielleicht fragen Sie nochmals nach.“ In der Molkerei bekan ich anstandslos ½ Pfund Butter. Es klappte also alles tadellos auch ohne wehleidige Miene. Heute Morgen habe ich auch Zucker bekommen. es geht also auch so.  Als ich heim kam, habe ich im Garten nochmals Möhren und Spinat ausgesät, dazu Rot und Weißkraut, Wirsing, Blumen Rosen und Grünkohl, Lauch , Sellerie, Kohlrüben, Kohlrabi, Petersilie, Dill und bohnenkraut. Heute Morgen habe ich weiter umgegraben. Fertig habe ich die Beete für die Dahlien, Stangeund Buschbohnen, Gurken. Morgen grabe ich weiter, damit ich bald die Frühkartoffeln in die Erde bringe.  Nachher gehe ich noch zur Abschiedsfeier in die Stadt. Vielleicht kommen wir zum schaffen ehr wieder zusammen als wir denken.  Helga liegt noch auf dem Sofa. Ihr tun die Bronchien fast nicht mehr weh. Aber heute soll sie nur noch liegen bleiben. Gestern hatten wir Alarm. Da kamen weit über 100 F lugzeuge vorbei. Wo die wohl wieder hin sind? Ihr habt wahrscheinlich auch oft Alarm, denn sie reden ja immer von Angriffen im mitteldeutschen Raum.  bleib Du immer gesund. Behalte uns lieb und laß Dich oft und fest grüßen und küssen von 

Deiner Annie. 

Brief 868 vom 7.4.45


 Mein liebster Ernst!                                                                                               7.4.45      

 Von gestern Nachmittag war nicht mehr viel zu berichten, darum konnte ich davon auch keinen Brief schreiben. Ich hatte meine Wäsche aufgehängt, die ich auch fast trocken bekommen habe. Dann haben wir noch gebadet.  Ich hatte doch Setzzwiebeln bekommen. Ich habe nun zu Vater gesagt, er soll sich auch welche besorgen, ich setze sie ihm dann auf ein besonderes Beet. Er kann sie dann selber ernten. Er hat nun auch welche gebracht.  Heute Morgen bin ich zeitig aufgestanden und habe zu putzen angefangen. Ich mußte ja von der ganzen Woche nachholen, denn in den letzten Tagen bin ich garnicht dazu gekommen. Immer hatte ich anderes zu tun.  Zu Mittag war ich dann endlich mit dem meisten fertig. Am Nachmittag habe ich noch eingekauft. Ich bin gleich mit dem Rad gefahren, da war ich bald wieder daheim und kontne das Abendbrot richten. Wir hatten Kartoffelsalat mit Kresse, dazu Schwarzbrötchen und hinterher noch Jeder 3 Quarkkeulchen. Da sind wir gut satt geworden. Morgen mittag gibt es Kartoffeln, Festtagskraut und Hackfleisch.  Als ich heute in der Stadt war, las ich in der Zeitung, daß Leipzig wieder angegriffen worden ist. Hoffentlich ist underen Angehörigen nichts geschehen. Ich bekomme ja gar keine Nachricht.  Auch von Dir kommt nun seit einer Woche kein Brief an. Und ich warte doch so darauf.  Vielleicht wird es in der nächsten Woche besser. Du weiß ja selber, wie es ist, wenn man so umsonst wartet. Man darf garnicht nachgrübeln, sonst mach man sich alles noch schwerer. Wenn Du nur noch gesund bist. Das ist meine feste Hoffnung, daß es so ist.  Morgen bleiben wir daheim Viel Flickarbeit liegt für mich bereit. Das ist eine Sonntagsarbeit. Vielleicht kommt Resi auch mit Stopfarbeit her. Die Zeit wird wieder schnell genug vergehen. Man kann nie soviel schaffen wie man wollte.  Nun laß mich schließen. In der Hoffnung, recht bald wieder einen lieben Brief von Dir zu erhalten, grüße und küsse ich Dich immer und immer wieder 

Deine Annie.

Brief 866 vom 25.3.45


 Mein liebster Ernst!                                                                                              25.3.45     

Die Kinder schreiben Dir gerade einen Osterbrief. Da will ich doch auch nicht zurückstehen. Meine Osterwünsche für Dich sind ja genau so herzlich gemeint, das weißt Du ja. Soweit es in der jetzigen Zeit möglich ist, wünsche ich Dir ein frohes Fest. Wenn Du noch in Döbrichau bist, wirst Du doch sicher auch einen freien Tag haben.  Wie Dir Jörg schon schrieb, werden wir einen Kuchen und Teigeierle backen. Etwas anderes gibt es jetzt nicht. Sollten wir noch die aufgerufenen Eier vor Ostern erhalten, so werde ich natürlich Jedem 2 oder 3 Stück kochen und färben. Dir können wir dieses Mal ja leider nichts schicken, was mir sehr leid tut. Hoffentlich geht es bei Dir über die Feiertage nicht so knapp her.  Gestern Nachmittag habe ich noch im Garten geschafft. Ich habe Zwiebeln gesteckt und in den kleinen Garten noch mist rüber geschafft. Da kann ich vielleicht morgen umgraben. Ich möchte jeden Tag etwas tun, damit ich nach und nach fertig werde. Ganz so eilig ist es ja noch nicht.  Gerade sind wir mal in den Garten runter gelaufen. Über die ausgesäten Beeten hatten wir Reisig gelegt. Aber das allein schreckte die Vögel nicht. Nun haben wir noch Netzte drüber gespannt und ich hoffe, daß nicht alles aufgefressen wird, ehe es überhaupt wächst.  Unsere Stare fliegen in ihrem Kasten wieder aus und ein. Unsere Stachelbeersträucher haben Blätter und die Blü+ten schauen schon durch. Es ist doch Frühling, wenn auch vielleicht noch manche kalten Tage kommen. Wir haben in den Vasen auch schon immer kätzchen und Veilchen stehen, liebe Frühlingsboten.  Laß mich nun schließen. Mit lieben Sonntagsgrüßen und Küssen bin ich immer 

Deine Annie.

Brief 865 vom 21.3.45


 Mein liebster, bester Schatz!                                                                                           21.3.45 

Wie ich Dir heute schon kurz mitteilte, erhielt ich 7 liebe Briefe von Dir. Es sind die nummern 36/42 vom 8./ 14.3. Du kannst dir vorstellen, welch riesige Freude es für mich war. Nun will ich sie Dir auch beantworten.  Ich hatte meinen vorigen Brief gerade beendet, als ich anfing, Deine lieben Briefe zu lesen. Im ersten las ich gleich, daß Du evtl. eine Röhre besorgen könntest und dazu die nummer der Röhre brauchst. Ich habe sie Dir gleich noch im vorigen Brief geschrieben. Fein wäre es ja, wenn Du eine Röhre bekämst, aber ich will mich nicht zu früh freuen.  Wir danken Dir auch sehr für die gesandten Urlaubermarken. Du bist doch nicht böse, wenn wir sie jetzt schon mit verwenden. Wenn man in den Wald geht, hat man doch ziemlich Hunger. Zu Brot und Zubrot verwende ich da etliche Marken, da kkönnen wir uns was mitnehmen. Es sind schon 640 g Weiß und 1600g Schwarzbrot und 200g Fleisch auf den Karten. Hab also nochmals recht vielen Dank für die Übersendung. Wegen der Rationskürzung mach Dir keine Sorgen. Wir werden uns durchschlagen wie so viele andere auch.  Heute ist es gerade einen Monat her, seit Du weggefahren bist. Es war auch ein Mittwoch. Schon wieder ein Monat vorbei. Wie waren doch die Tage schön, als Du hier warst und wie schwer war der Abschied. Man darf garnicht so drüber nachdenken. Da wird einem alles doppelt schwer. Lieber ERnst, ich wollte Dir ja auch Deine anderen Briefe beantworten, aber ich kann es jetzt nicht mehr. Ich bin so müd.  Seit 5 Uhr bin ich nun munter und morgen wollen wir nochmals ins Holz, wenn das Wetter hält. Nimm heute also bitte mit diesen Zeilen vorlieb.  22.3. Wir haben uns heute etwas Zeit genommen und sind erst um 12 Uhr aus dem Wald gekommen. ¾ 6 Uhr sind wir forgegangen. Wie gestern, so haben wir auch heute den Wagen voll Holz gebracht, dazu 3 große und 1 kleinen Sack auch voll Holz. Nun haben wir wirklich ziemlich viel da. Für den Winter reicht es natürlich noch nicht, aber ich kann doch oft damit kochen. Morgen ruhen wir unsere Füße eimal wieder aus. In der nächsten Woche holen wir vielleicht einmal nur Zapfen.  Nachher werde ich wieder etwas Holz hacken und versorgen. Wir wissen bald nicht mehr wohin damit. Unten im Verschlag ist schon alles aufgeschichtet, jetzt fange ich oben an, wo die Steine stehen. Du wirst wissen, wo ich meine. Ich würde Dir gern einmal unser vieles Holz zeigen. Du würdest Dich sicher freuen, meinst Du nicht?  Auf das neue Bild von Dir freue ich mich schon sehr, auch wenn Du darauf unrasiert bist. Das macht fast garnichts.  Von dem Rat Kauen ist noch kein Brief eingegangen.  Von unseren Kartoffeln habe ich nichts abgeben müssen. Nur die ZusatzBrotkarte (anstelle von Kartoffeln) ist eingezogen worden. Aber ich hatte schon das meiste davon gekauft. Laß mich nun wieder schließen. Helga fährt nachher gleich in die Schule und nimmt den Brief mit.  Bleib gesund, mein liebster Ernst und laß Dich grüßen und küssen von ganzem Herzen von 

Deiner Annie.

Brief 864 vom 20.3.45


Mein liebster Ernst!                                                                                                 20.3.45  

Nachdem ich auf einmal mehrere Briefe von Dir bekommen hatte, hat mich die Post scheinbar wieder vergessen, denn ich warte jetzt wieder einmal vergeblich.  Meine letzten Briefe waren immer ziemlich kurz. Du mußt das entschuldigen. Aber Du hast ja gelesen, daß ich ziemlich viel Arbeit hatte und habe. Da wirst Du mir sicher nicht böse sein. Ich bin ja so froh, daß ich einmal einen guten Holzplatz gefunden habe, da möchte ich es auch ausnutzen. Morgen fahre ich vielleicht einmal mit den Kindern mit dem Wagen hinaus. D.h., wenn das Wetter gut ist. Es hat sich heute etwas bewölkt. Es waren heute zwar noch andere Leute an dem Platz, aber ich denke, daß wir schon noch was finden werden.  Am Nachmittag war ich ja wieder beim nähen. Davon ist nich viel zu berichten. Es ist ja immer das gleiche. Wir haben uns ganz schön unterhalten bei der Arbeit.  21.3.    5 Uhr morgens Einen ganz frühen Morgengruß bekommst du heute. Ich bin vorhin gerade aufgestanden. ½ 6 Uhr wecke ich die Kinder und um 6 Uhr ziehen wir los. Ich schlafe doch sonst gern, aber jetzt habe ich ein richtiges Holzfieber, oder wie ich es nennen soll. Im Traum sehe ich kleines und großes und dürres und anderes Holz. Ich habe heute Nacht nur halb geschlafen. Es ist so, als ob man einen Ausflug machen wollte und schaut deshalb auf die Uhr, damit man nicht verpaßt.  Wenn ich mit dem Rad fortgefahren bin, kam ich manchmal an Soldaten vorbei, die scheinbar genau so untergebracht sind wie Ihr. Sie standen dann mit hochgeschlagenen Mantelkragen und hin und her trapfend an der Gulaschkanone.  mittags 12 Uhr.  Vorhin sind wir heim gekommen. Wir hatten den Wagen voll Holz und einen kleinen Sa ck mit Zapfen und 2 kleinere Wurzeln. Wir freuen uns riesig, daß wir so viel gefunden haben. Im Haus möchten sie gar zu gern wissen, wo wir waren, aber ich bin froh, daß ich auch einmal einen guten Holzplatz habe. Die anderen haben ja auch schon so viel Holz.  Als wir heim kamen, fanden wir 7 Briefe von Dir vor, vom 8./14.3. Ich muß sie erst noch lesen und beantworte sie heute abend. Ich möchte nur, daß dieser Brief heute mit fort kommt.  Laß mich jetzt schließen und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von 

Deiner Annie.

Brief 863 vom 19.3.45


Du liebster Ernst!                                                                                                      19.3.45    

Vom Vormittag habe ich Dir ja schon geschrieben. Ich war im Wald und habe 2 Sack Holz und einen Rucksack voll Zapfen geholt. Ich war wieder bei unserer Fußballwiese und will morgen vielleicht nochmals gehen. Ich hatte den Kindern gesagt, wenn wie aus der Schule kommen, sollen sie gleich Feuer machen und Kartoffeln schälen, damit ich gleich Essen kochen kann. Als ich heim kam, saßen sie unserem Haus gegenüber auf dem Brunnen und hatten den Schlüssel vergessen. Da war ich je wenig erfreut. Aber wir sind dann doch noch zur Zeit fertig geworden.  Am Nachmittag war ich im Nähen. Hinterher habe ich daheim gleich Essen gekocht und dann haben wir das geholte Holz noch gehackt und eingeschichtet. Bis auf die wenigen nassen Stücke. Jetzt haben wir gerade noch abgewaschen und nun gehen wir gleich schlafen, damit ich morgen früh ausgeruht bin.  20.3. Heute Morgen bin ich wieder nach unserer Wiese gefahren. Jetzt bin ich gerade heim gekommen und habe wieder 2 Sack Holz, 1 rucksack Zapfen und oben auf dem Sack noch einzelne dürre Holzstücke mitgebracht. Die geben auch wieder Hitze für 1 Essen. Jörg war daheim. Er hatte schon Feuer gemacht und Kartoffeln aufgesetzt. Das hat mich natürlich sehr gefreut. Am Morgen bin ich schon ½ 5 Uhr aufgestanden. Ich war gestern Abend zeitig ins Bett gegangen und dadurch wurde ich so zeitig munter und konnte auch nicht mehr einschlafen. Da bin ich lieber aufgestanden und habe etwas geschafft.  Doch nun ist es schon wieder Zeit zum fortgehen ins Nähen.  Laß mich darum mit vielen lieben Grüßen und Küssen schließen 

Deine Annie.

Brief 863 vom 18.3.45


Mein allerliebster Ernst!                                                                                             18.3.45     

 Eigentlich wollte ich gestern Abend noch schreiben, aber ich war dann so müd, daß ich überhaupt nicht mehr konnte. Ich war ja am Morgen am Tabor, dann mit dem Rad bei Hegne und am Nachmittag in der Stadt. Da läßt sich das schon verstehen. In der Stadt habe ich ja das meiste von dem, war ich wollte, nicht bekommen. Aber es mützt nichts, man muß doch immer wieder nachfragen.  Nun möchte ich noch Deine lieben Briefe fertig beantworten. Ich kann garnicht begreifen, daß Papa das auf die Dauer aushält, wenn Lotte immer jammert. Mama war doch gerade das Gegenteil und wenn sie sich ja einmal erlaubte, über etwas zu klagen, da hat Papa gleich geschnauzt. Ich denke nur daran, was mir Alice erzählte. Sie waren bei den Eltern in Mockau. Mama war es nicht gut und sie bat, daß sie daheim bleiben dürfte.  Papa war erbost, daß sie nicht mit spazieren gehen wollte und sagte: Was hast Du denn dauernd. Wenn Du überhaupt nichts vertragen kannst, dann stirb lieber.“ Mama hat ihn nur groß angeschaut und ist raus gegangen. Draußen hat sie geweint und Alice hat Papa dann Vorwürfe gemacht. Er hat ja nachher eingesehen, daß er Unrecht hatte. Aber Lotte ist so viel jünger und jammert ihm jetzt dauernd die Ohren voll. Die Verbindung zwischen Leipzig und konstanz ist scheinbar nach beiden Richtungen hin nicht besonders gut, denn auch wir mußten ja lang auf Nachricht von Dir warten. Wie es scheint, wird aber Feldpost schneller befördert. Hoffentlich hast Du nicht mehr so lange auf Nachricht warten müssen.  Es hat mich interessiert, daß sich der Hans Krall hat ferntrauen lassen. Ich habe garnicht gedacht, daß das auch in der Gefangenschaft geht  Du bist ein lieber Kerl, daß Du sogar an meine Taschentücher gedacht und mir ein halbes Dutzend gekauft hast. Wie bist Du dazu bekommen ohne Punkte? Jedenfalls danke ich Dir recht sehr dafür. Wieso bist Du eigentlich länger in Hamburg geblieben?  Ich dachte, es wär garnicht anders gegangen. Un hättest Du schon eher forfahren können?  Unsere Stadt ist jetzt wirklich eine richtige Lazarettstadt geworden. Alle Hotels, die Krone, Hecht usw. sind Lazarette, eins für Augenverletzte, das ander für Amputierte, das dritte für Nervensachen. Und so geht es weiter. Auch die Schulensind als Lazarette eingerichtet. Unterwegs sieht man auch viele verwundete Soldaten.  Jetzt kommen hier öfter die großen schweizer Lazarettwagen und Lastwagen durch. Sie holen die Schweizer aus dem Reich nach der Schweiz. Die Autos haben weiße Planen mit eienm großen schweizer Kreuz darauf. Es fährt immer eine ganze Kolonne zusammen.  Heute Nachmittag wil Helga mit Ingrid und ihrer Schulfreundin Hilde Zeller ins kino gehen. Der Meineidbauer wird gespielt. Mich hat Resi gefragt, ob ich nicht ein bißchen zu ihr hinkommen will. Jörg geht vielleicht mit.  Laß mich nun wieder schließen. Ich grüße und küsse Dich recht herzlich 

Deine Annie. 

Liebes Vaterle, denke Dir, ich gehe heute mittag mit der Ingrid und Hilde ins Kino. „Der Meineidbauer“ wird gespielt. Die Hauptsache ist, daß wir rein kommen. ABer es wird schon klappen. Viele Grüße und tausend Küsse von Deiner Helga. 

Liebers Vaterle! Da Helga heute nachmittag ins Kino geht, gehe ich mit Mutterle zu Tante Resi, sonst bin ich so allein daheim. Viele Grüße und 1000.000.000.000.000 Küsse von Deinem Jörg.

Brief 862 vom 15.3.45


 Mein lieber Ernst!                                                                                                    15.3.45   

Immer noch freue ich mich über Deine lieben Briefe, die wir heute erhielten. Du hättest den Jubel sehen müssen, als sie ankamen. Immer hatten wir uns gefragt, ob Du wohl dem Angriff auf Leip zig entkommen bist. Nun kamen diese Briefe.  Jörg meinte „man war immer so bedrückt und wußte nicht warum. Jetzt merkt mans aber. Nun bin ich wieder ganz froh und glücklich, daß Vaterle gesund ist.“ Wirklich, wir hatten uns große Sorge gemacht.  Ich war heute in der Stadt wegen Samen.  Beim Gauggel stand eine riesige Menschenmenge. Ich erfuhr dann, daß es beim Burth auch welchen gibt und bin gleich dorhin gefahren. Nicht einmal 10 Minuten mußte ich dort warten und habe doch fast alles bekommen.  In der Bücherei habe ich mir heute das Buch „Bestie Ich in Mexiko von Löhndorff geholt. Mal sehen, wie es mir gefällt.  16.3. Heute Morgen hatte ich Putzfest. Ich habe wieder einmal alle Böden gescheuert, nicht nur gewischt. Nun sollte man sie wachsen können, aber es geht auch so. Das ist ja jetzt nicht das Wichtigste.  Helga hat mir beim kochen geholfen. Sie hat fast den ganzen Kartoffelsalat allein gemacht, die Kartoffeln geholt, abgewaschen, aufs Feuer gesetzt, geschält, geschnitten und Essig und Öl drangetan. Das andere mußte ich noch tun, denn an die Gewürze traut sie sich noch nicht so heran.  Jetzt hat Helga gerade nur nachmittags oder vormittags Schule, als an den letzten Tagen der Woche. Da ist sie so froh, daß sie eine Weile Zeit zum spielen hat. Es ist jetzt auch gerade so sonniges Wetter. Man merkt den Frühling schon ein wenig. Jörg ist natürlich auch draußen zu finden. Er at wieder dseinen ganzen Auto und Motorradpark mitgenommen. Ich schrieb Dir vor ein paar Tagen, daß Jörg so oft das Bett naß macht. Jetzt haben wirs so gemacht, daß Jörg ohne Keilkissen, also flach liegt.  Seitdemmuß er nachts fast nicht mehr raus und hat auch nicht naß gemacht. Mal sehen, obs anhält. Ich und Jörg, wir wären sehr froh darüber. Er ist jetzt schon immer so froh, wenn er mir früh meldenkann, das Bett ist trocken.  Laß mich nun schließen. Bleib ganz gesund und sei auch heute wieder ganz herzlich und lieb gegrüßt und geküßt von 

Deiner Annie.

Brief 861 vom 13.3.45


 Mein liebster Ernst!                                                                                                      13.3.45     

Wie ich Dir heute früh schon schrieb, erhielt ich von Papa den Bescheid, daß das Haus und die Wohnung fast ganz zerstöärt sind. Haben sie nun alles verloren? Ich hoffe, daß ich darüber bald Nachricht bekomme.  Bei einer Frau aus Hamburg habe ich mich heute erkundigt, wie lange man wohl von L. nach Hamburg färht und diese meinte, wenn Du am 27. abends weggefahren bist, seiest Du sicher am 28. noch nicht in Leipzig gewesen. Wenn es doch so wäre, daß Dir nicht geschehen ist. Ich mache mir doch immer Sorge um Dich.  Ich war ja wieder beim nähen. Als ich heim kam, bin ich mit Jörg zum Großvater runter gegangen. Wir wollten ihm die Stehlampe bringen, da sein Licht in der Küche kaputt ist, aber auch der Stecker ist entzwei. Das Licht brennt nicht. So haben wir also nur die gewaschene Wäsche dagelassen und sind wieder heim gepilgert. Großvater war nicht daheim gewesen und so habe ich ihm alles auf einen Zettel aufgeschrieben, aus das von Papa. Gegen 8 Uhr kam er nun ectra noch rauf und dachte, ich hätte schon weiteren Bescheid. Da mußte ich ihn aber enttäuschen. Vorhin ist er nun wieder heim gegangen.  14.3. Gestern hatten wir endlich mal wieder einen schönen, sonnigen Tag. Heute morgen ist nun ganz dicker Nebel. Sicher wird es wieder schön.  Bei uns herrscht schon Freude auf heute abend. Da gibt einen einen Kartoffelkuchen. Da sind unsere kleinen Leckermäuler gleich bei der Hand. Morgen früh gibt es sogar Weißbrot. Erst sollte es Brötchen und Weißbrot nur für kranke Leute geben. Aber nun ist es doch nicht wahr. Auf die Brötchenmarken gibt es nun kein Mehl. Das ist ja dann auch gleich, wenn man Weißbrot hat. Wir haben ja extra Mehlmarken  Ich muß Dich mal noch was fragen. Jörg macht jetzt wieder mal so oft das Bett naß. Im Buch steht, es könnte von Erkältung usw., aber auch von Wurmkrankheit kommen. So sehr viel Würmer hat er nun in letzter Zeit nicht mehr gehabt. Meinst Du, es kommt doch davon? Oder soll ich mal beim Doktor fragen, was da los ist?  Ich selbst bin jetzt meine Würmer wieder los, wenn sie nur nicht wiederkommen.  Laß mich jetzt schließen. Ich muß schaffen, damit ich rechtzeitig bis Mittag fertig werde.  Bleib immer gesund und laß Dich recht oft und herzlich grüßen und küssen von 

Deiner Annie.

Brief 860 vom 12.3.45


Mein liebster Ernst !                                                                                                  12.3.45   

Eine neue Woche hat begonnen. Aber der Brief oder die Karte aus Leißzig von Dir ist immer noch nicht angekommen. Überhaupt nichts habe ich von Dir erhalten. Nur von dem Obergefr. Hirscher habe ich beiliegenden Brief b ekommen. Am Vormittag habe ich mal wieder alle drei Räder geputzt und eingeölt. Sie sehen wieder wie neu aus. Für wie lange? Nach dem üutzen mußte ich ans kochen denken, denn es dauert ja jetzt auf dem Herd immer ein bißchen länger. Heute gab es Kartoffelklöße und Soße, also keine rohen Klöße. Nach dem Essen bin ich nähen gegangen. Ich habe wieder einmal Geld bekommen, 11Mk. Als ich vom nähen heim kam, mußte ich gleich Abendbrot kochen, da Jörg um 7 Uhr im Führerdienst sein mußte. Wir hatten Roggenmehlbrei mit Zucker und Brot. Nach dem Abendbrot hat Helga noch einen kleinen Spaziergang gemacht. Sie kam ganz erfrischt und munter heim. Ich habe noch einen Teil der Wäsche gebügelt. Jetzt ist das Feuer ziemlich runtergebrannt. Darum habe ich aufgehört. ½ 9 Uhr war auch Jörg vom Dienst wieder daheim.  13.3. Heute erhielt ich Deine liebe Karte vom 23.2. Gleichzeitig eine Karte von Papa, in dem er mitteilt, daß das Haus und die Wohnung fast ganz zerstört sind. Du glaubst nicht, was ich mir für Sorgen mache, ob Du schon beim Angriff in Leipzig warst. Hoffentlich nicht. Hoffentlich bist Du noch ganz gesund. Du wirst ja geschaut haben, als Du an das zerstörte Haus kamst. Gottlob leben sie noch und mein größter Wunsch ist nur, daß auch Du ganz gesund bist und daß Dir nichts geschehen ist.  Ich bin ganz in Sorge und kann jetzt garnichts mehr schreiben. Weißt Du, ich  bin etwas aufgeregt. Laß Dich recht herzlich grüßen und küssen von 

Deiner Annie.

Brief 859 vom 10.3.45


 Mein allerbester Ernst!                                                                                               10.3.45    

 Nun habe ich wieder Ruhe. Ich hatte ja die ganze Nacht und am Morgen solch Zahnweh. Der Beck hat dann am Zahn und am Zahnfleisch mit einem Häkchen herumgefahren. Das hat schrecklich weh getan. Er meinte dann, eine Betäubung hätte bei dem Zahn keinen Wert. Er hat nur das Zahnfleisch eingepinselt, aber das hat trotzdem weh getan. Nun hat er den Zahn gezogen. Das hat auch nicht gerade gut getan.  Er zeigte sich, daß an der Wurzel ein richtiger Eiterbeutel hing und der Beck meinte, daß er schon glaubte, daß ich da Schmerzen hatte. Es wäre auch auch gut gewesen, daß er keine Einspritzung gemacht hat. Nun habe ich den Quälgeist los.  (unleserlich) eine Quarkstolle und 7 Brötchen. Diesmal habe ich im Kohlenherd gebacken und es ist ganz gut gegangen. Wie froh bin ich, daß ich den guten Ofen habe.  Jörg war am Nachmittag im Dienst, Helga von 4  6 Uhr in der Schule. Zum ersten Mal, daß sie am Samstag Nachmittag Unterricht hatten.  Vater hat mir gestern die lange schmale Roßhaarmatratze gegeben, die er noch im Keller hatte. Ich beziehe sie und mache davon eine Rückwand fürs Sofa, weißt Du, unterm Fenster lang. Da  zieht es dann nicht mehr und man kann sich gut anlehnen. Heute traf ich Frau Uhink. Als ich sie auch nach ihrem Mann fragte, fing sie an zu weinen. Sie hat seit 4 Monaten keine Nachricht von ihm. Er war in Holland auf Vlissingen. Dort ist scheinbar alles überschwemmt worden und was aus der Einheit ihres Mannes geworden ist, weiß man noch nicht. Frau Uhink meinte, das WArten mache einen ganz mürbe. Damit hat si ja nur zu recht. Ich habe ja im vergangenen Jahr auch 7 Wochen auf Nachricht gewartet und kenne das Warten daher auch ein wenig. Wenn man so wartet, möchte man am liebsten eine langen Schlaf tun und dann so erwachen, wie es in einem Lied von Reuter heißt, das Papa früher sang und an welches ich jetzt im Nähen erinnert wurde: Ich möcht erwachen im Sonnenschein und es müßt alles wie früher sein keine Not und Elend keine Müh und Plage, die Leute müßten verwundert fragen hast lange geschlafen, hast viel versäumt Du sprachst vom Kriege, Du hast geträumt.  11.3. Es ist nun wieder Sonntag Abend. Der Tag ist ruhig vorbei gegangen. Am vormittag gab es die übliche Arbeit. Nachmittags habe ich gestopft und zwischendurch immer wieder gebügelt. Ich muß ja jetzt die Eisen auf dem Herd heiß machen, da geht es lagsamer. An den anderen Tagen brauche ich früh den Herd zum kochen, nachmittags bin ich meist nich da. Entweder ich bin beim nähen , oder ich muß einkaufen gehen. So muß ich diese Arbeit mit auf den Sonntag verschieben.  Ingrid erschien wieder pünktlich am Nachmittag zum spielen. Sie blieb bis ½ 7 Uhr hier. Erst haben die Kinder mit den Puppen gespielt und Jörg mit seinen Soldaten, später spielten sie Mühle und Schwarzer Peter. Ingrid war zwei Mal der schwarze Peter, was unseren Beiden ungeheures Ve rgnügen bereitete. Nachdem Ingrid nun heim gegangen war, haben wir Abendbrot gegessen. Es gab eine Suppe und hinterher einige Brote.  Morgen früh haben wir ja nochmals Kuchen, da freuen wir uns alle drauf.  Die Matratze von Vater habe ich heute auch bezogen. Sie steht nun auf dem Sofa unterm Fenster. Die Kinder haben es ausprobiert und sagen, es ließe sich jetzt viel besser auf dem Sofa sitzen. Da muß es doch wahr sein, nicht wahr?  Von Jörg schicke ich Dir heute 2 Veilchen mit, die er mir mit den Worten „ein erster Frühlingsgruß“ brachte. Außerdem noch ein Buchzeichen. Es ist aus Klebpapier von einem Spiel zusammengesetzt. Jörg hofft, daß Du Dich über alles freust. Mir hat Jörg die ersten Gänseblümchen gebracht. In dieser Beziehung ist er sehr aufmerksam.  Ich weiß ja nicht, ob ich Dich mit meinen Gedanken noch in Leipzig suchen kann. Auf jeden Fall hoffe ich, daß es Dir gut geht und daß Du gesund bist. Das ist mein großer Wunsch für Dich.  Ich mache nun für heute wieder Schluß und gehe schlafen. Dich, mein liebsterErnst grüße und küsse ich von ganzem Herzen. 

Deine Annie.

Brief 858 vom 9.3.45


Mein liebster Ernst!                                                                                               9.3.45    

Du bist mir bitte nicht böse,daß ich gestern Abend nicht mehr geschrieben habe. Ich kam nach 8 Uhr vom Kino heim. Da hatten mir die Kinder einen schönen Begrüßungstisch aufgebaut. Dabei stand „Guten Abend, liebes Mutterle“ ein Strauß und ein Kränzchen von künstlichen Blumen war dabei und eine brennende Kerze und unter dem Tisch spielte die Musik. Vater war auch da. Er hat sich dann lange mit mir unterhalten. Als er dann ehim ging, sind wir alle Drei gleich ins Bett gegangen. Ich war auch so müd. Heute erhielt ich seit Deiner Abfahrt die erste Nachricht von Dir. aBer nicht aus Leipzig, sondern aus Hamburg. Es sind die Briefe Nr. 27 und 28 vom 26. und 27.2. Daran hätte ich nun doch nicht gedacht, daß Du doch noch nach Hamburg fahren würdest und hinterher wieder nach Leipzig kämst. Einen kurzen Besuch hattest Du doch noch in Leipzig gemacht. Ich konnte mir schon denken, daß alles noch so war.  wie wirs uns gedacht hatten. Denn wenn ich in Papas Briefen schon lese „Lotte hat eben auch immer ihre Sorgen als Hausfrau“, dann kann ich mir ihre Leidensmiene schon vorstellen. Wir anderen leben jetzt auch nicht im Paradies. ABer ob man deshalb immer jammern muß, das glaube ich nicht. Bei Erna bist Du also gut aufgenommen worden. Ich hatte mirs schon gedacht.  Daß Dich die Leute in Hamburg so gut aufgenommen haben, das setzt mich schon mehr in Erstaunen. Und Du hast nur einer Frau unterwegs geholfen? Es gibt doch noch eigenartige Sachen. Scheinbar hatten die Leute aber in allen Sachen keinen Mangel. So ist es ihnen wahrscheinlich nicht so schwer gefallen. Das Gute hat es ja gehabt, daß Du die Tage in Hamburg Dich um nichts sorgen mußtest. Etwas weh tut es ja, daß Dich fremde Leute gast besser bewirten konnten als uns das daheim möglich war. Aber leider beherrsche ich ja die Kunst des organisierens nicht, das weißt Du ja. Ein Minus, welches sich aber wohl nicht gleich beheben lassen wird.  Wenn ja meine Briefe an Dich so lange brauchen, wie die von Dir hierher, dann hast Du noch keine Nachricht von mir in Leipzig vorgefunden.  An vAter werde ich die Grüße ausrichten. Ob Du wohl jetzt noch in Leipzig bist?  Ich hatte gestern eine Karte an Papa geschrieben, damit er auch einmal einige persönliche Zeilen von mir bekommt, denn wenn Du nicht mehr in L. sein solltest, hat er ja nur immer Briefe zum Weiterleiten.  Ich hoffe Dich auch weiterhin gesund, nachdem erst gestern auch Leipzig wieder angegriffen worden ist. Und eins bitte ich Dich, behalte uns auch weiterhin lieb. Denn wenn dies nicht der Fall wär, so wär es besser zu sterben. Ein treues Herz brauche ich doch.  Laß Dich auch heute wieder recht herzlich grüßen und in Liebe küssen von 

Deiner Marianne.

Brief 857 vom 5.3.45


 Mein liebster Ernst!                                                                                                  5.3.45    

Wie immer, so ist auch heute von dem Tag, an dem ich nähen gehe, nicht viel zu berichten. Der Vormittag geht mit der alltäglichen Arbeit schnell dahin. Der Nachmittag ist mit nähen ausgefüllt. Dann bleibt nur noch der Abend.  Als ich heim kam, habe ich das Essen, das ich am Mittag angekocht in die Kochkiste gestellt hatte, herausgeholt und wir hatten schon unser Abendbrot. Es gab Wirsing. Die Kinder haben hinterher ihre Aufgaben gemacht, besonders Helga, da sie heute 2 mal Unterricht hatte, von 8  12 und 2  4 Uhr. Ich habe gestrickt und schon ist es Zeit zum schlafengehen. Nur aufräumen muß ich noch fertig. Morgen muß Helga auch wieder von 8  12 und 3  5 Uhr in die Schule. Ich finde es viel. 2 mal in die Stadt und wieder heim fahren und abends noch Aufgaben. Jetzt wollen sie scheinbar alles nachholen, was bisher ausfallen mußte.  6.3. Der Vormittag ist heute mit schustern vergangen. Die Schuhe von Jörg waren sehr kaputt. Helgas Schuhe mußten genäht werden, bei meinen mußten Lederstückchen drauf. Nun ist es auch schon ½ 12 Uhr und ich muß das Essen fertig kochen. Es gibt Rahmkartoffeln.  Von Papa kamen heute Zeitungen vom 26.1.  und ein Brief vom 19.2. an. Von Dir wieder nichts. Aber wenn erst die Briefe vom 19.  kommen, so kann ich ja auch noch nicht damit rechnen. Es heißt wieder warten.  Leider ist der Winter wieder bei uns eingekehrt. Es schneit. Das ist jetzt weniger schön. Aber ändern kann man ja nichts daran. Das einzige gute ist dabei, daß die Flieger nicht so kommen. In der Nacht hatten wir ja wieder Voralarm, aber es kam bald Entwarnung.  Laß mich nun schließen, Du liebster, bester Ernst. Bleib immer gesund und laß Dich herzlich und fest grüßen und immer wieder küssen von 

Deiner Annie. 

Brief 856 vom 3.3.45


Du mein liebster Mann!                                                                                       3.3.45      

Diese Woche ist nun ganz herumgegangen, ohne daß ich eine Nachricht von Dir erhalten habe. Wenn ich wenigstens erst einmal wüßte, wie Du nach Leipzig gekommen bist. Es ist so quälend, garnichts zu wissen. Man muß immer sehen, wie man sich ablenkt, damit man nicht ins Grübeln kommt. Aber ich will dir ja nichts vorjammern, sondern ich will auch weiter warten. Ich sehe Dich ja immer noch mit uns zusammen sitzen, wie Du manchmal etwas vorgelesen hast. Oder wie Du mit uns am letzten Abend gesungen hast. Und ich sehe Dich immer wieder, wie wir auf dem Bahnhof standen und Du hieltest meine Hand. Auf dem Bahnsteig konnten wir noch kurz Abschied nehmen. Ich hatte immer Angst, daß Du auf dem Trittbrett ausrutschen würdest. Nun bewegen sich meine Gedanken immer um Dich und ich sehne mich nach Dir.  Wie ich dir schon schrieb, waren wir am Vormittag im Wald. Wir haben 1 ½ Sack Hauspäne und kleines Holz bekommen und sind sehr froh darüber.  Am Nachmittag waren wir in der Stadt. Unser Urlaubsfilm ist garnichts geworden. Das ist so schade. Den Film mit der Metallspule konnte ich gegen einen mit Holzspule umtauschen. Das war beim Bachschmidt. Beim Hepp habe ich dann auch einen Film erhalten.  Nun habe ich zwei filme da und während des Urlaubs konnten wir gar keinen bekommen.  Es ist manchmal verrückt.  Als Du fort fuhrst, hast du ja die Kinder gebeten, sich nicht mehr so viel zu zanken. Das hat einige Tage geholfen, aber dann wurde es wieder schlimm. Jörg kann es nicht lassen, Helga zu fuchsen, sie regt sich auf und wird gereizt. Wenn ich zu Jörg was sage, brüllt er auch los. Das  kann Helga wieder nicht hören, sie mischt sich ein, was ich ihr schon oft verboten habe. Ich werde ja schließlich allein fertig. Helga hat natürlich auch ihre Fehler und so ist der Krach fertig. Ich habe die Kinder oft vermahnt. Nun ist mir heute die Geduld gerissen.  Es hat Wichse gegeben. Als Jörg ein großes Theater machen wollte, habe ich ihm den Mund zugehalten. Es ist ja jetzt bös auf mich, aber ich konnte nichts anderes tun.  Meinst Du nicht auch? Ich kann mich doch nicht anschreien lassen. Es tut mir richtig weh, wenn ich so hart sein muß, das kannst Du mir glauben. Aber ich muß durchgreifen, da hilft alles nichts,. Was lustiges muß ich Fir aber auch schreiben. Du hast doch hier mal gesungen:“Und da saß ich mit de Emma uff de Banke“ usw. Jetzt singt Jörg immer „Gegenüber zog sich Eener aus zum Baden“ (Mutterle, kennst Du‘s weiter? „Nein“ mhmhmh.....“und de Emma sagte traut, bist ooch so schen gebaut mhmh...“ Ich sage Dir, das klingt wunderbar. Heute war es aber kalt. 6 Grad unter 0 hatten wir heute Morgen. Bei Tag hat es öfter geschneit. Man ist das jetzt garnicht mehr gewöhnt.  Ich lese jetzt ein Buch „Anna, das Mädchen aus Dalarm“ von Lagerlöf. Da kommt solch ein scheinheiliges , boshaftes und hinterhältiges Frauenzimmer vor wie es Frau Junghans bei uns war. Mit genau so glatten worten schleicht sie sich in die Ehe ein, ist nirgends zu packen und kann dem Mann genau so schön tun und ihn übertölpeln wie Frau J. Mein ganzer Haß ist von neuem aufgelodert.  Heute habe ich gelesen, daß es ab 15.3. beim Gauggel Samen zu kaufen gibt. Da werde ich gleich hingehen. Bis jetzt war es ja schon so warm wie im Frühling und man dachte an die Gartenarbeit. Heute nun kam der Rückschlag, daß es sogar schneite. 4.3. Sonntag  Am Vormittag hatten wir wieder Alarm. viele Flieger kamen vorbei. Wo hin werdne sie wohl geflogen sein? Inzwischen haben wir nun gegessen. gerade ist Ingrid zum spielen gekommen. Sie hat wieder ein altes Kleid bei ihrer Mutter aufgestöbert. Nun geht es wieder ans Verkleiden. Helga ist ein Fräulein von früher. Sie hat einen langen weißen Leinenrock, eine Bluse mit Gürtel und eine schwarze Mütze an. Die Haare sind in Hochfrisur gelegt. Sie sieht wirklich echt aus.  Ingrid hat ein rosa kleidchen und eine riesige Haarschleife an. Das spielen mit dem Verkleiden ist ihnen doch ein riesiger Spaß. Jörg hat sich seine Kaserne rausgeholgt und spielt nun friedlich. natürlich geht es ohne basteln nicht ab. Da mußten Laufbretter und Fahnen ausgeschnitten werden .Mit dem Spielzeug an und für sich kann er nichts tun.  Inzwischen ist es nun Abend geworden. Die Kinder sind vorhin ins Bett gegangen. Am Nachmittag hatten wir noch Quartett und „Mensch hau ab“ gespielt. Gegen 6 Uhr ist Ingrid heim gegangen. Nach dem Essen habe ich noch ein bißchen gelesen, die Kinder haben gespielt. Nun gehe ich auch schlafen und hoffe, daß ich von Dir träume.  Schlaf Du auch gut, mein lieber Schatz, und wach ganz gesund wieder auf. Laß Dich recht herzlich grüßen und oft, oft innig küssen von 

Deiner Annie.

Brief 855 vom 1.3.45


Mein liebster, bester Ernst!                                                                                    1.März 1945    

Wieder ist ein Tag vorbei gegangen und immer noch habe ich keine Post von Dir. Vielleicht dürfte ich nicht so ungeduldig sein, denn es ist ja erst eine Woche her, seit Du evtl. in Leipzig sein kannst. Aber ich sehne mich so nach einem lieben Gruß von Dir. Wenn Du nur den Angriff auf Leipzig gut überstanden hast. Manchmal meint man, man müßte eine gute Nachricht herbeizwingen können.  Während des heutigen Tages hatten wir 2 Mal Alarm und 1 mal Voralarm. Es ist wieder gut vorbei gegangen. Tagsüber hatte ich große Wäsche, den ganzen Tag hatte es Hochnebel, nur gegen Abend heiterte es sich auf. Ich habe aber trotzdem die Hälfte trocken bekommen. Nun haben wir uns auch eine Kochkiste gemacht. Wir haben die Polyphonkiste dazu genommen. Eingeweiht haben wir sie auch schon. Während der Nacht kochen weiße Bohnen darin. Weißt Du, was wir jetzt auch benutzen? Den Tauchsieder, den Du einmal gekauft hast. Meinen Gasanteil habe ich schon soweit aufgebraucht durchs bügeln und kochen. Zum Kaffee aufwärmen nehme ich den Tauchsieder, wenn ich noch kein Feuer machen will. So kommen wir schon durch. Man muß sich nur erst umstellen.  Jörg hatte heute schon den dritten Tag keine Schule wegen den Alarmen.  Er nimmt es ja nicht tragisch. Aber besser wäre es doch, er hätte Unterricht. Lieber Ernst! Ich muß jetzt schlafen gehen. Ich bin so müd, mir fallen schon die Augen zu. 2.3. Nun habe ich wieder ausgeschlafen. Wir hatten während der Nacht keinen Alarm. Heute sind wir etwas zeitiger aufgestanden, denn ich will nachher die Lebensmittelkarten holen und noch in die Stadt gehen, um Geld zu holen und verschiedenes zu besorgen. Etwas Geld zahle ich auch noch ein.  Nun laß mich wieder schließen. Vielleicht erlebe ich beim Heimkommen, daß ein lieber Brief von Dir da ist.  Sei recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von 

Deiner Annie.

Brief 854 vom 28.2.45


Du mein allerliebster Schatz!                                                                                28.2.45    

Vom Morgen hatte ich Dir ja im vorigen Brief schon geschrieben.  Wir hatten Holz gehackt und die Hauspäne eingeschüttet. Am Nachmittag war ich nun im nähen. Davon ist ja immer nicht viel zu berichten. Man tut eben seine Arbeit, unterhält sich vielleicht etwas dabei und schon ist der Nachmittag herum. Unterbrochen wird er meist nur duch mehrmaligen Voralarm. Auch heute wieder.  Vorhin habe ich noch große Wäsche eingeweicht, d.h, allzu groß ist sic nicht. Ich kann in einem Tag gut damit fertig werden. Vater kam vorhin auch noch mit seinen Sac hen, als wir gerade beim Abendbrot saßen. Jetzt sitzt er neben mir und liest Zeitung. Die Kinder sitzen auch am Tisch und lesen in einem Buch. So ist es ganz friedlich hier. Nur Du fehlst , Du weißt garnicht wie sehr. Dein Bild schaue ich immer wieder an und ich wünsche sehr, daß recht bald ein lieber Brief von Dir eintrifft, damit ich weiß, Du bist gut angekommen. Aber auch damit die Verbindung zwischen Dir und uns wieder hergestellt isT.  Ich sehen mich so danach. Heute vor einer Woche bist Du früh weggefahren und es ging so schnell, daß wir Dich nicht mehr sahen. Ach Ernst, wenn ich Dich nur wieder herholen könnte. Wenn es nur ginge. Ob Du wohl schon wieder von Leipzig fort bist? Vielleicht kannst Du doch noch eine Weile dort sein. Und vielleicht bekomme ich nun doch bald einen Brief von Dir.  Gel, ich habe nur lauter Wünsche. Aber ich will auch nicht undankbar sein. Es waren doch wunderschöne Tage, die wir zusammen verlebten. Wie vielen ist das jetzt nicht vergönnt.  Es ist jetzt ¾ 12 Uhr.  Wir haben Voralarm. Man hört auch mehrere Flieger. Die Kinder habe ich einstweilen noch im Bett gelassen. Ich gehe immer mal zur Haustür um zu horchen Vielleicht kann ich auch bald wieder schlafen gehen.  1.3. Der Alarm hatte nicht sehr lange gedauert.  Heute Morgen las ich in der Zeitung, daß Wohngebiete von Leipzig angegriffen worden sind. Du kannst Dir vorstellen, daß ich in großer Sorge um Dich bin. Gestern Nacht hatte ich solch schweren Traum, der mich ganz niederdrückte und heute steht nun noch vom Angriff was in der Zeitung. Ich gäbe sonst was drum, wenn ich jetzt die Nachricht von Dir hätte, daß Du gesund bist. Du mußt doch gesund sein, Du mein liebster, allerliebster Ernst. Das ist doch mein allergrößter Wunsch.  Laß mich nun wieder schließen, Du mein allerliebster Mann, und laß Dich herzlich grüßen und immer und immer wieder küssen von 

Deiner Annie.

Brief 853 vom 27.2.45


Du mein allerliebster Ernst!                                                                                      27.2.45     

Ob Du diesen Brief wohl bald erhältst.? Ich warte ja auch auf Post von Dir, aber es heißt, es käme keine,da die Bahnstrecken bei uns wiederholt zerstört seien. Ich weiß es ja nicht, aber sein könnte es schon. Die Flieger sind ja jetzt immer hier in der Nähe, heute hatten wir auch wieder 4 mal Voralarm und 1 mal Alarm.  Heute war ein sehr sonniger Tag. Ich habe da gleich alle Hauspäne ausgebreitet und konnte schon eine ganze Menge davon am Abend  versorgen Die anderen habe ich zugedeckt noch liegen gelassen, denn es verspricht morgen wieder schön zu werden.  Die Kinder hatten wird am Nachmittag Schule und so waren wir alle ausgeflogen, denn ich war ja beim Nähen. Heute Abend war Vater wieder mal hier. Er fragte auch gleich, ob ich Nachricht von Dir hätte. Aber damit war es ja nichts.  Ich habe jetzt das Buch „Khaiberpaß“ von Löhndorff angefangen zu lesen. Es ist wirklich sehr interessant und schön geschrieben. Wir brauchen den Kauf nicht zu bereuen.  Wenn man Dich erst hier gehabt hat, dann ist es sehr schwer, wenn plötzlich alles so still ist und dann dazu auch keine Nachricht von Dir kommt. Ich weiß es ja, daß es sicher an der Bahn liegt, aber leicht zu ertragen ist es doch nicht. Es war ja so wunderschön, als Du hier warst. Wie im Frieden war es, so herrlich. Wenn Du nur ganz gesund bist und Du alles gut überstehst, ich wünsche es ja immer von ganzer Seele. Du bist doch unser Allerliebstes. _ laß Dich heute wieder recht herzlich grüßen und küssen, viele viele hunert ma von 

Deiner Annie.

Brief 852 vom 26.2.45


 Mein liebster Ernst!                                                                                        26.2.45    

Montag Gerade bin ich vom Nähen gekommen. Es ist mir heute ganz gut von der Hand gegangen und ich habe 4 ½ Z. fertig bekommen. Wir hatten ganz nette Unterhaltung, ich brauchte nur zuhöhren. Damit es uns nicht ganz zu wohl wurde, hatten wir wenigstens 4 mal Voralarm. Aber das ist ja nicht schlimm, wenn sonst alles ruhig bleibt. Aus der heutigen Zeitung schicke ich Dir einen Artikel mit, der Dich vielleicht auch interessiert.  Sonst ist vom Tage eigentlich nicht viel zu berichten. Doch halt, eins schon. Das Damenrad war doch kaputt, also der Reifen. Ich habe es heute nun so gemacht, daß ich einfach das Vorderrad von Deinem Rad mit dem von meinem Rad ausgewechselt habe. Da können wir nun alle ohne Anstrengung fahren, und wenn wir wollen, ist das Rad ja schnell wieder umgetauscht. Hast du etwas dagegen. Dann schreibe es bitte.  Nachher zum Abendbrot gibt es unser Lieblingsessen, eine Brotsuppe. Es dauert nur noch ein Weilchen, da ich doch nicht mit Gas kochen kann. Einstweilen haben wir ein gutes Butterbrot gegessen, damit wir nicht verhungern.  Heute Morgen habe ich erst mal unseren Lausejungen vermöbelt, da er einfach seine Sachen nicht aufräumen wollte.  Überall stand was rum, besonders auf dem Tisch. Und als Du hier warst, hatte er doch so schön alles versorgt. Aber wir waren qwieder die besten Freunde, denn es hat ihm dann selber gefallen, als es schön sauber war. Vorhin empfing er mich gleich mit dem Ruf „Mutterle, ich habe gleich wieder alles weggeräumt. Sieht es nicht sauber aus? „ Das mußte ich ihm ja bestätigen. Augenblicklich schnitzt er wieder an einem Einbaumboot. Er muß eben immer etwas zu basteln haben, der kleine Kerl.  Helga ist vorhin gerade aus der Schule gekommen. Sie hat mich abgeholt und wir sind zusammen heim gelaufen. Eigentlich wollte sie gleich die Aufgaben anfangen, aber sie ist etwas abgespannt. Da soll sie sich nur erst mal ausruhen. Von der Schule will sie Dir nachher noch selbst schreiben.  Vater war seit Deiner Abfahrt noch nicht wieder hier. Vielleicht kommt er heute.  Ich hatte schon auf Nachricht von Dir gewartet, aber umsonst. Vielleicht mu0 ich auch so noch eine Weile warten, da die Bahnstrecke von hier aus verschiedentlich bombadiert worden sein soll, so bei Singen, Engen usw. Froh wäre ich ja, wenn ich bald einen lieben Gruß von Dir bekäm und wüßte, daß Du gut angekommen bist, denn ich denke ja immer an Dich, Du mein allerliebster, allerbester, schönster Schatz.  Laß mich nun schließen. Wenn Du noch in Leipzig bist, so grüße Alle von mir. Sicher wirst Du es auch so schon getan haben. Dich aber, mein lieber Ernst, grüße und küsse ich ganz fest und innig 

Deine Annie.   

Liebes Vaterle! Ich habe ein kleines EinbaumBoot. Helga hat mir „Germanen“ gemalt, ich habe sie ausgeschnitten und angemalt. Dreizehn „Germanen“ passen in das Bott. Heute habe ich mir noch eine Kleineres gemacht, wo bloß drei reingehen. Für dieses hat mir Helga „Neger“ gemacht. Die „Germanen“ verfolgen manchmal die „Neger“ oder umgekehrt. Viele Grüße und Küsse und Gute Nacht Dein Jörg.  Liebes Vaterle! Jetzt habe ich schon 4 Zweien hintereinander im Rechnen bekommen. Freut Dich das? Ich habe heute nachmittags Schule gehabt und morgen habe ich wieder nachmittags, von 3  6 Uhr Schule. Jetzt mache ich morgen Vormittag meine Aufgaben. Heute abend wäre es doch falsch geworden. viele Grüße und tausend Küsse von Deiner Helga.

Brief 851 vom 25.2.45


Du herzliebster Ernst !                                                                           25.2.45     

Sonntag Eigentlich sollte der beiliegende Brief schon heute Morgen fortkommen. ABer es ist nich dazu gekommen. Wir sind etwas später aufgestanden. Nachdem wir Frühstück gegessen und etwas aufgeräumt hatte, (Helga hat die Kinderbetten gemacht) ging ¾ 11 Uhr Alarm los. Es kamen viele Flugzeuge, u#immer und immer wieder welche. Der Alarm zog sich bis ¼ 4 Uhr hin. Während einiger Pausen , als man nichts hörte, habe ich Kartoffeln geschält, den Hackbraten gemacht und später haben wir gegessen. Nach dem Alarm haben wir dann aufgeräumt. Jörg ist zum spielen raus gegangen. Helga hat in der Wohnung gespielt. Sie hatte gestern so fleißig Aufgaben gemacht, damit sie heute einmal spielen könnte. Sie hat sich wie am vergangenen Sonntag angezogen, dann hat sie ihre ganzen Puppengeschirre geholt und wollte kochen. Eine Kartoffel bekam sie, etwas Hackfleisch hatte sie sich aufgehoben, dann gab ich ihr noch ein bißchen süßen Quark und 1 Brot. Dann hat Helga den Apfel von Dir mit Jörg geteilt. Da ihr dies alles noch nicht langte, hat sie das ganze Schränkchen ausgekramt. 1 bittere Mandel, einige Wacholderbeeren, 1 Süßstoff, etwas Senf und etwas Mohn hat sie noch ans Licht gebracht. Damit hat sie fabelhaftes Essen bereitet.  Kartoffeln mit Hackfleisch und Senf überbacken, geröstetes Brot, Apfelschnitze mit Quark und Brotwürfel mit süßer Milch. Ist das vielleicht nichts? Helga war den ganzen Nachmittag über richtig glücklich.  Jörg war mit seinen Freunden im Vorraum. Da haben sie geschnitzt. Da nach ihrer Meinung nicht das richtige Holz da war, wollten sie schnell in den Wald gehen und welches holen. So schnell ist es dann doch nicht gegangen. Sie haben noch so im Wald gespielt. Da es heute ziemlich kühl war, kam Jörg ganz durchfroren heim. Aber es hat ihm so gut gefallen.  Ich habe während des ganzen Nachmittags Strümpfe gestopft. Bei Deinem Hiersein hast Du ja meine volle Flicktruhe gesehen. Ca. 15 Paar Strümpfe habe ich gestopft. Dann war der Nachmittag rum.  Als Jörg heim kam, haben wir gleich ABendbrot gegessen. Vorhin haben wir noch aufgeräumt und nun sitze ich beim schreiben, Helga malt für Jörg Germanen für sein Einbaumboot und Jörg schneidet sie aus. Dabei hören wir auf das Radio von Leimenstolls. Für die Kinder ist bald Schlafenszeit, schon nach 9 Uhr.  Als ich heute Deine Jacke ausbürstete, fand ich 50 Pfennig darin. Ich habe sie mit in meine Kasse genommen, womit Du hoffentlich einverstanden bist.  Denkst Du auch noch an den vorigen Sonntag?  Morgens hatte sich Resi für den Nachmittag angesagt. Wir hatten ziemlich zu tun und Du fragtest, ob wir wohl fertig würden. Resi kam gerade einige Minuten zu früh, aber es klappte dann doch alles und der Nachmittag war sehr schön geworden. Das ist nun schon wieder eine Woche her. Wenn ich Dich doch hier her holen könnte, Du allerliebster Ernst. Die Kinder wollen noch einen Gruß unter den Brief schreiben. Laß mich deshalb schließen. Mit vielen lieben und innigen Grüßen und Küssen bin ich immer 

Deine Annie.  

Liebes Vaterle!   Ich gehe jetzt gerade ins Bett. Aber ich will Dir doch noch einen Gruß mitschicken. Viele Grüße und Küsse und Gute Nacht Deine Helga.  Liebes Vaterle! Auch von mir noch viele Grüße und 100 000 000 Küsse von Deinem Jörg.

Brief 850 vom 24.2.45


Du liebster, allerbester Ernst!                                                                                           24.2.45      

 Es ist Samstag. Vor einer Woche hatten wir Lämmels besucht. Wir sind hinterher an der Seestraße entlang gelaufen und dann noch in die Stadt gegangen. Ich drängte später aufs Heimgehen, denn ich hatte doch den Hefeteig für die Rohrnudeln stehen. Der war so gut aufgegangen, daß das Essen zur allgemeinen Zufriedenheit ausfiel. Ja, das ist nun schon wieder eine Woche her.  Heute war ich am Vormittag in der Stadt und am Nachmittag daheim. Schon am Vormittag hatten wir Alarm und Voralarm. Am Nachmittag hörten wir Flugzeuggeräusch. Wir schauen zum Fenster raus. Da kurven zwei schnelle Jäger ziemlich hoch über Stromeyer herum, während ein anderes Flugzeug langsamer und viel tiefer drüber rum fliegt. Wir sind uns im Zweifel, ob es Feinde sind, da kein Alarm erfolgte. Plötzlich biegen alle 3 Flieger ab und fliegen nach der Schweiz. In diesem Moment gibt es bei uns Alarm. Das hätte nicht mehr viel genutzt, wenn sie angegriffen hätten. Aber sicher haben sie aufgeklärt und die zwei Jäger waren der Schutz.  Gestern soll ja Singen und Ra dolfzell angegriffen worden sein. Die auch Dir bekannten Werke sollen einige Trffer erhalten haben. Ich sage „sollen“, denn ich kann ja nur das schreiben, was ich gehört habe.  Unsere Kinder haben mir heute beim schaffen geholfen. Sie haben zusammen die Treppe gekehrt und gewischt, während ich meine Wäsche gebügelt habe. Über dem bügeln und Abendessen kochen ist der Nachmittag vorbei gegangen. So ist also nicht viel zu berichten. Aber meine Gedanken waren den ganzen Tag bei Dir. Ob Du wohl noch in Leipzig bist? Es ist so eigenartig, wenn Du erst gerade hier bei uns warst, dann fährst Du fort und man weiß nicht bestimmt, wo Du bist. Die Gedanken suchen überall. Jetzt in Leipzig. Aber ob auch stimmt? Die Hauptsache ist, daß es Dir gut geht, soweit dies jetzt möglich ist. Und das erhoffe ich von ganzer Seele für Dich. Bleib nur auch immer gesund, daß wir uns immer wiedersehen. Jetzt laß Dich. mein lieber Schatz, recht herzlich grüßen und innig und fest lieb küssen von 

Deiner Annie.   

 ¾ 12 Uhr. Jetzt haben sie uns wieder aus dem Bett gejagt, und ich war so schön eingeschlafen. Es ist aber wieder gut vorbei gegangen. Darüber wollen wir froh sein.

Brief 849 vom 23.2.45


Du mein allerliebster Ernst!                                                                                              23.2.45     

Weiß Du, was heute ankam? Dein Brief vom 26.1. Nr. 15.  abgestempelt in Lüneburg am 28.1. 21 Uhr. Vor dort bis hierher hat er also ungefähr einen Monat gebraucht. Da hätte ich lange warten können. Inzwischen hast Du mir ja alles persönlich erzählen können. Gefreut habe ich mich über den Brief aber doch.  Heute habe ich mich wieder richtig in die Arbeit gestürzt. Den ganzen Tag über hatte ich zu tun. Ich habe geputzt und gewaschen. So ist wenigstens auch dieser Tag vorüber gegangen. Wir hatten auch wieder 1 Mal Alarm und 4 Mal Voralarm. Beim Alarm hat es in der weiteren Umgebung einige Male mächtig gewummert.  Gestern Nachmittag bin ich noch in die Stadt gegangen. Ich habe Helga von der Schule abgeholt, damit sie mitgehen konnte. Jörg war daheim. ½ 8 Uhr waren wir wieder daheim Jörg wartete schon mit riesigem Hunger auf uns. Wir haben dann auch bald gegessen und hinterher sind wir gleich schlafen gegangen.  Am heutigen Nachmittag sind die Kinder zusammen in die Stadt gegangen. Es war so schönes Wetter. Zum spielen hatte Helga niemand, da habe ich ihr gesagt, sie sollte schön langsam in die Stadt laufen. Sie mußte noch etwas für die Schule besorgen. Jörg hat sich ihr dann angeschlossen. Als sie heim kamen, brachten sie großen Hunger mit. Das Abendbrot war aber schon gerichtet, sodaß sie nicht vor Hunger umfallen brauchten.  Nun bist Du schon wieder drei Tage von uns fort. Wie doch die Zeit fliegt. Am meisten aber doch die Urlaubstage.  Vielleicht bekommen wir bald Nachricht von Dir, daß Du gut in Leipzig angekommen bist.  Meine Gedanken sind ja immer bei Dir. Ob Du wohl jetzt mit Papa zusammen sitzt? Oder bist Du in der Kaserne? Oder mußt Du evtl. schon wieder weiterfahren? Na, Du hast mir ja sicher gleich geschrieben und bald werde ich wieder einen lieben Brief von Dir in den Händen halten können. Ich freu mich schon darauf, das darfst Du glauben. Wenn ich jetzt hier so allein sitze, muß ich an die wunderschönen Urlaubstage denken. Da warst Du mit hier und alles war so schön. Denkst Du noch an den Abend, als wir die Flasche Sekt getrunken haben? Mir war es ganz lustig zumute geworden. Das war doch auch ein schöner Abend. Ach, es war einfach alles herrlich, als Du hier warst. Deine Gegenwart allein macht schon froh und glücklich. Nun muß mir wieder Dein Bild genügen, aber auch darauf schaust Du mich mit Deinen lieben Augen an. Helga meinte vorgestern unter Tränen: „Vaterle hat so liebe Augen, richtige Trostaugen.  Wenn er mit uns gesprochen hat, hat er uns immer so lieb angesehen.“ Du weißt ja, wir haben Dich alle lieb.  Laß mich nun wieder schließen. Bleib gesund, damit Du uns gesund wieder kommst, und laß es Dir gut gehen. Ich schicke Dir recht viele liebe Grüße und innige Küsse 

Deine Annie.

Brief 848 vom 22.2.45


Du mein allerliebster Ernst !                                                                                       22.2.45      

 Gestern war ziemlich trübes Wetter und die Flieger sind nicht gekommen. Hoffentlich war es auch bei Dir auf der Fahrt so, damit Du gut nach Leipzig gekommen bist. Ich habe ja immer daran gedacht. Gestern Abend haben wir noch den Brief an Dich auf die Post gebracht. Da hat es auch in der Fer ne so gewummert und mein Wunsch war nur, daß Du überall gut durchkommst.   Als wir heim kamen, waren wir zum Umfallen müde, gerade richtig, damit wir nicht lage zum Nachdenken kamen. Wir sind gleich ins Bett gegangen und haben fest geschlafen. Mein erster Gedanke warst Dui und ich habe Dich leise beim Namen gerufen. Aber Du warst fort. Wir sind dann Alle gleich aufgestanden.  Nun haben wir heute bei ziemlich klarem Wetter schon zum zweiten Mal Alarm, vorher 2 mal Voralarm. Beim zweiten Alarm war ich gerade auf dem Heimweg beim Petershauser Bahnhof. Da kam ein Flieger, ich schaue rauf, wie er einen Kreis über der St adt fährt, fahre dabei links an das Gebüsch und mich schmeißt es doch runter. Es ist aber alles gut gegangen. Beim Damenrad hätte ich ja noch abspringen können. Aber so ging es nicht gut.  Die Arbeiter aus der Fabrik waren alle auf dem Weg zum Wald und ich bin auch schnell heimgefahren. Da hatten die Kinder schon die meisten Sachen runter getan. Jetzt ist immer noch Alarm und viele Flieger sind über uns weg geflogen Hoffentlich nicht nach Leipzig. Das ist jetzt wieder meine Sorge. Dir soll nie, nie etwas geschehen.  Der Zahnarzt hat mir vorn den abgebrochenen Zahn nur abgeschliffen. Er meinte erst, man sollte ihn rausziehen. Ich frage, ob man nicht einen Stiftzahn draufmachen kann. Er ist der Meinung, es würde sich nicht lohnen. Aber man könnte den Zahn noch drin lassen, bis er mal weh tut, dann müßte er gezogen werden. Mir kam es vor, als hätte er es heute etwas eilig, darum habe ich den Zahn noch nicht ziehen lassen. Was ratest Du mir? Wenn der Zahn auch hinten ist, so sieht so ein Sturzel doch nicht schön aus. Oder meinst Du, man könnte später vielleicht doch noch was machen. Gezogen ist er ja schnell. Außerdem hat der Beck mir noch einen anderen Zahn plombiert, so wie Plombe locker geworden war.  Heute erhielt ich ich einen Brief von Papa, in dem er bedauert, daß Du noch nicht vorbei gekommen bist. Sie hätte immer gewartet.  Vielleicht hat es nun doch geklappt.  Außerdem erhielt ich gleich 2 liebe Päckchen von Dir, Nr. 12 und 13 mit 10 Rollen Drops, 3 Beutel Bonbons, 1 Schatel Weinsäurezucker und 1 Tafel Schokolade.  wir waren doch wirklich sprachlos über so viele schöne Sachen.  Einen großen Teil legen wir mit zur eiserenen Ration. Wie hast Du Dir das alles auch abgespart. Du hast Dir bestimmt gar nichts gegönnt. Du sorgst ja immer so für uns. Du ganz lieber Ernst.   Bis 3 Uhr hatten wir nun Alarm. Eigentlich mit kurzen Unterbrechungen seit ¾ 11 Uhr. Nun ist mal wieder Ruhe. Helga ist in der Schule, Jörg ist wieder mal draum rum gekommen und spielt jetzt hinterm Haus. Ich gehe noch in die Stadt, hole Helga dabei ab und dann kaufen wir zusammen ein.  Wenn alles gut gegangen ist, bist du ja nun schon in Leipzig. Vielleicht hast Du heute schon Gelegenheit Papa zu besuchen. Ob dort auch solch Frühlingswetter ist? Ich glaube, es wird Zeit, daß ich ins Freie komme. Das Alleinsein macht ganz traurig. Bleib ganz gesund, Du allerliebster ernst und laß Dich herzlich grüßen und oft, oft küssen von 

Deiner Annie.

Brief 847 vom 21.2.45


Du mein allerliebster Ernst !                                                                             21.2.45     

 Nun bist Du schon wieder fast 5 Stunden von uns fort. Du kannst Dir denken, wie es bei uns aussieht. Wir sind alle traurig und vermissen Dich so sehr.  Der Abschied ging so rasch. Hoffentlich bist Du richtig in den Zug gekommen, nachdem Du vorher noch auf dem Trittbrett stadest. Denn edas ist mit dem Gepäck und dem Gewehr und die schweren Stiefel doch sicher nicht einfach.  Wir konnten es erst garnicht glauben, daß Du nun wirklich fort warst. Das ist immer so unabänderlich, wenn der Zug davon fährt und man steht da und kann nichts ändern.  Wir sind langsam heim gegangen. Vater ging mit bis zur Haustür, trotzdem es uns lieber gewesen wär, wenn er gleich heimgegangen wär. Aber er meint es ja auf seine Art auch gut. Wie Du gesagt hattest, sind wir schlafen gegangen. Die Kinder in mein Bett, ich in Deins an die Stelle, wo ich vorher gelegen hatte. Deinen Platz hatte ich frei gelassen. Nun konnte ich ja nicht mehr den Kopf an Deine Schulter legen. Wir haben nochmals vom ganzen Urlaub gesprochen, was wir an jedem Tag gemacht haben. Unter vielem Weinen sind die Kinder dann doch eingeschlafen. Als sie so atmeten, meinte ich ganz plötzlich, das seist Du. Aber es war ja nur eine kurze Täuschung. Du warst fortgefahren. Ich habe dann auch etwas vor mich hingedämmert. Oft bin ich munter geworden, wenn Du in Immendingen ankommen und abfahren solltest, als Du ungefähr in Tuttlingen sein mußtest und als Du dort abfuhrst. Da bin ich dann auch aufgestanden. Nun ist es wieder so trübselig hier. Helga weint sich fast die Augen aus.  Man kann ihr Gesichtchen schon fast nicht mehr erkennen. Ach Ernst, es ist auch fast nicht auszuhalten ohne Dich, der Du doch unser ganzes Glück bist, der Mittelpunkt, um den sich unsere Liebe sammelt. Man darf gar nicht darüber nachdenken, daß Du schon wieder fortgefahren bist. Ich meine, ich müßte Dich wieder zurückholen können. Alles frohe Glück geht ja mit Dir.  Aber trotzdem wollen wir mit Fre ude an diese Urlaubstage denken, wenn auch der Abschied so schwer ist. Es waren frohe, ungetrübte Tage, die wir zusammen erleben durften. Wahrhaftfrohe Tage, glückliche Stunden. Weißt Du noch, wie Du am Sonntag kamst. Ich schloß die Haustür auf, da standest Du davor.  Welch riesige Freude war das. Wie sind die Kinder rausgesprungen. Ich konnte mich nicht satt sehen an Dir. Und nun ist Dein Platz wieder leer. Nur Deine Jacke hängt noch an der Stuhllehne. Nein ich kenn es nicht ansehen. Wir gehen noch in die Stadt, damit wir etwas abgelenkt werden. Ernst mein Ernst, wenn ich Dich doch zurückholen könnte.  Ich würde es ja so sehr gern tun.  Jörg hat sich so über den Apfel gefreut, den Du ihm noch gegeben hast. Gel, mein lieber Ernst, wenn Du auch meine beiden Äpfel nicht mehr..... (unleserlich)   geben hätte. Das weißt Du doch, ganz bestimmt.  Helga schreibt auch an Dich. Jörg sagt, er wüßte nichts zu schreiben, aber Du wüßtest doch, daß er Dich ganz fest gern hat. Und das weißt du ja auch.  Laß mich jetzt schließen. Mein Wunsch ist, daß Du vorerst ganz gesund in Leipzig ankommst und daß es Dir auch weiterhin ganz gut geht und daß Du es nicht zu schwer hast.  Ich grüße und küsse Dich, mein liebster Mann und bitte Dich immer wieder, komm uns ganz gesund wieder, denn wir brauchen Dich. Deine Annie. Liebes, allerliebstes Vaterle!   Ich weiß jetzt gerade nicht zu schreiben, aber viele Grüße und viele feste Küsse. Liebstes Vaterle. Dein Jörg.

 Du herzliebster Ernst!                                                                                             21.2.45

Gerade bin ich vom Nähen gekommen. Als ich die Wohnung betrat, hat es mich wieder übermannt. Es ist so furchtbar einsam ohne Dich. Wie konntest Du nur wieder fort gehen, Du Liebster. Deine Sachen sind hier und Du bist so weit weg gefahren. Immer noch bist Du auf der Fahrt und ich hoffe nur, daß sie gut verläuft. Wir haben uns heute garnichts gekocht, dennn wir haben Alle keinen Appetit. Du fehlst ja so sehr. Als wir gestern verdunkelten, da warst Du noch hier. Wir haben noch gemütlich zusammen gesessen und haben Kaffee getrunken. Wir wollen noch keine Traurigkeit aufkommen lassen. Dann durfte Helga noch einmal die Musik holen und verschiedene Platten spielen. Sie war ja schon so traurig geworden. Du hast so lieb mit ihr und auch mit Jörg gesprochen. Später haben wir noch Eisenbahn zusammen gespielt.  Was war das nochmals für ein Jubel. Und dann haben wir noch alle zusammen gesungen. Wie war auch der Spaziergang am Nachmittag noch so herrlich. Wie sagt Jörg jetzt immer und immer wieder, daß Du so lieb bist und ihme erlaubt hast, daß seine Bären mit essen. Wie lieb war es, daß Du ihm erlaubt hast, das Holz zu habeken. Heute Morgen haben wir dran gedacht, wie wir zusammen die Kirche angesehen haben, wie wir zusammen am Schwanenteich standen. Ach, nur liebe Sachen sind es, die wir mit Dir verleben. So ungetrübt sind die Tage mit Dir. Weißt Du noch, wie wir zusammen Hauspäne holten und wie wir dann zusammen zum zweiten Mal mit dem Rad gefahren sind? Weißt Du noch, wie wir zusammen im Kino waren? Der Sonntag Nachmittag war doch auch ganz gemütlich, nicht wahr? Ach, man kann ja nicht aufhören mit aufzählen der schönen Stunden, die wir zusammen erlebten. Jede Stunde war schön.  Helga hat Dir gerade auch geschrieben. Sie hat so sehr geweint und ich habe zu ihr gesagt, sie soll nur so an Dich schreiben, als wenn Du hier wärst und sie mit Dir redet. Jetzt hat sie es auch getan und ihr ist ein wenig leichter. Da wir es immer noch so schwer daheim aushalten, schaffen wir nachher noch den Brief in die Stadt.  Heute Vormittag waren wir in der Stadt. Auf der Sparkassen habe ich das Wehrmachtsgeld getauscht bekommen, auf der Deutschen Bank das serbische Geld.  Dann haben wir die Bücher beim Geß verkauft, die wir rausgesucht hatten. 7,8o M habe ich erhalten. Das Buch „Mein Kampf“ habe ich nicht verkauft. Vielleicht kann es Jörg noch brauchen. Ein Buch „Wir ritten für Deutsch Ostafrika“ habe ich bekommen.  Ein weiteres habe ich noch zugut. Also bis jetzt 2 Bücher. den kleinen Film habe ich beim Bachschmidt zum entwickeln und abziehen abgeben können. Wenn sie was sind, werden sie auf 6 ½ X 9 vergrößert. Den anderen Film werde ich am Samstag über 8 Tage gegen einen mit Holzspule umtauschen können. Ich hoffe, daß es klappt. Als wir heim kamen, habe ich gegen den Hustenreiz ein Bonbon gegessen.  Plötzlich denke ich, was ist denn da los. Da ist mir im Unterkiefer der rechte zweithintere Backenzahn ganz abgebrochen. Er war schon stark plombiert. Nun muß ich morgen ½ 12 Uhr zum Beck kommen. Mal sehen, ob er ihn zieht oder ob man einen Stiftzahn draufmachen kann. Auf der Sparkasse haben wir heute auch Geld eingezahlt. Bei mir 100 Mk, ich habe nur 2054, Mk, bei Helga 8,Mk (651,22) bei Jörg 7, (637,23) Bei Jörg waren 5, von Dir, 50 Pfennig von ihm und 1,50 von Resi fürs besorgen vom Blumenstock.  Als wir heute heim gingen, kamen wir ans Bettelgäßle. Da stand ein Wachposten, sonst war niemand da, da es Mittagspause war. Plötzlich rief der Poste Jörg an, er sollte einmal hinkommen. Als Jörg hinkam, zeigte der Posten auf ein Flugzeug und sagte, Jörg sollte es mitnehmen. Er sagte noch was, daß Mädels es haben wollten, aber die sollten es nicht bekommen. Jetzt hat nun Jörg ein Russenflugzeug. Hast Du was dagegen?   Nun steht Dein Bild wieder vor uns auf dem Tisch und ich kann Dich nur so ansehen. Du siehst ja so lieb aus.  Laß Dich nun wieder grüßen und ganz herzlich küssen von 

Deiner Annie.   
Grüße bitte Papa usw.

Breif 846 vom 20.2.45


Mein allerliebster Ernst !                                                         20.2. abends ¾ 12 Uhr 

Nun fährst du wieder von uns fort. Die Urlaubstage sind nur zu schnell vergangen. Unsere Herzen gehen mit Dir und unsere guten Wünsche für Dich begleiten Dich immer. Du weißt ja, wie lieb wir Alle Dich haben. Komm uns immer gesund wieder heim, denn Du weiß ja auch, wie sehr wir Dich brauchen und daß unser Leben erst dann voller Freude ist, wenn Du bei uns bist. Unsere Herzen sind voll Sehnsucht, wenn Du fern bist. Sollten wir Dich nicht lieb haben, wo doch Dein ganzes tun Liebe für uns ist?  Ich hoffe, daß recht bald wieder der Tag kommt, an dem Du uns mit Deiner Heimkehr zu uns überraschen kannst. Jetzt will ich Dir noch viele herzliche Küsse geben und Dir sagen, daß ich immer nur 

Deine Annie bin. 
Ich werde es auch stets bleiben.

Brief 845 vom 5.1.45


 Du mein allerliebster Ernst!                                                                                            5.1.45         

Auch heute erhielt ich keinen Brief von Dir. Wenn der eine Brief nicht zurückgekommen wär, würde ich garnicht so sehr warten, denn es geschieht ja manchmal, daß einige Tage Post ausbleibt. Aber gerade jetzt warte ich besonders ungeduldig. Hoffentlich wird bald ein Brief von Dir kommen und ich weiß, daß Du gesund bist.  Von Papa kam heute ein Brief mit einem roman vom 14.12. an. Also fast 3 Woche war er unterwegs. Ich war heute noch ziemlich müd von der gestrigen Wäsche. Ich bin auch nur zum Holen der Lebensmittalkarten gegangen, sonst war ich daheim.  Allerding war Putztag, sodaß ich auch nicht viel zur Ruhe kam. Gegen Abend war Vater hier. Gegen 9 Uhr ist er aber schon wieder heim gegangen, denn wenn wir keine musik haben, ist es ihm zu still.  Jörg ist fast den ganzen Tag Schlitten gefahren, Helga dagegen war daheim und hat mir mitgeholfen. Wir haben zusammen Wäsche aufgehängt und ausgewrunen. Auch abwaschen und abtrocknen hat sie mir geholfen. Es ist eben schon eine große Tochter.  Die Kälte war heute nicht mehr so groß wie an den Vortagen. In der Stadt taute es schon ein bißchen. Das ist zwar weniger schön, denn die Schuhe gehen vom Schneewasser so kaputt. Vielleicht schneit es aber neu. Da wäre die Freude der Kinder groß, denn ihre Schlittenbahn ist schon ganz abgefahren. Und das ist doch jetzt ihre Hauptsorge.  Nun laß mich wieder aufhören. Bleib gesund, Du lieber Mann und laß Dich grüßen und oft und fest küssen von Deiner 

Annie. 


Brief 853 vom 4.1.45


 Mein liebster Ernst!                                                                                                    4.1.45       

 Heute wird es nur  ein kurzer Gruß, da ich sehr müd bin und gleich schlafen gehe. Ich hatte heute große Wäsche. Da war ich bis nach 5 Uhr im Waschhaus und hinterher haben wir noch gebadet. Später haben wir noch Abendbrot gegessen.  Bis alles wieder in Ordnung gebracht war, ist es nun gleich 11 Uhr geworden. Wegen unserem Radio habe ich am Nachmittag angerufen. Natürlich war es nicht fertig.  Das hatte ich ja schon vorher gewußt.  Von Papa kam heute der 1000g Brief mit Heften, 1 kl. Markenmappe und vor allem mit dem „Bilderbogen vom Kriege“ vom Verlag Kühn in Neuruppin an. Dieser Bilderbogen ist ein großes Heft mit 20 Seiten. Von den Neuruppiner Bilderbogen hast Du doch auch schon gehört. Jörg ist ja ganz begeistert davon. Es ist auch wirklich nicht schlecht und vor allem sehr einprägsam.  Von Dir kam heute kein Brief. Und ich warte doch so drauf, ob die eine Rücksendung ein Irrtum war. Ich hoffe es ja so ABer nachdem vorgestern Donaueschingen bombadiert worden ist, gibt es ja immer wieder Verzögerungen.  Laß Dich nun herzlich grüß‘en und küssen von Deiner immer an Dich denken 

Annie.