Montag, 29. Januar 2018

Brief 503 vom 20./21.1.1943


Mein lieber Ernst!                                                                    Konstanz, 20.1.43

Nach längerer Zeit will ich heute mal wieder einen Flugpostbrief schreiben. Vor allen Dingen tue ich das, damit Du bald weißt, dass ich die Päckchen erhalten habe. Nachdem ich vor einigen Tagen den Honig erhielt, kam heute Dein Päckchen mit Schokolade, Pralinen und Bonbons an. Ebenso erhielt ich ein Paket mit den Flaschen mit Öl. Das war sehr gut verpackt und sehr ordentlich. Es ist alles gut angekommen. Ich möchte Dir für alles herzlich danken. Eine Tafel Schokolade habe ich verteilt. Es ist ja noch Milchschokolade und die essen die Kinder doch so gern. Von den anderen Sachen habe ich Ihnen noch gar nichts gesagt, nur einen Beutel Bonbons habe ich noch aufgeteilt. Die andere Schokolade hebe ich auf. Später freuen sich die Kinder auch noch darüber. Wenn sie aber wissen, dass noch welche da ist, habe sie doch keine Ruhe. Es ist fein, dass alles angekommen ist. Jetzt ist nur noch ein Päckchen unterwegs mit Hautcreme usw. Ich freue mich, dass nichts verloren gegangen ist. Du bist auch ein ganz lieber Mann, dass Du uns die Sachen alle geschickt hast.
Außer den Päckchen erhielt ich auch noch Deinen Brief mit Umschlägen und unseren Briefen. Dann kam noch ein Zeitungspaket von Papa an, in dem er mir auch noch einen Taschenkalender mitschickte. Dir hat er, wie er schreibt, auch noch einen geschickt. Da hast Du ja nun zwei Stück. Vielleicht kann ein Kamerad von Dir einen gebrauchen.
Eigentlich wollte ich heute nochmals nähen gehen, aber es wurde nichts daraus. Ich hatte zu viel daheim zu tun. Am Vormittag habe ich wieder etwas Kleingebäck gebacken. Ich will etwas davon an Papa zum Geburtstag schicken, dazu noch einen Flasche Wein, den ich zugeteilt bekommen habe und einige Zigaretten. Ich denke, dass er damit schon zufrieden sein kann. Am Vormittag war ich auch erst noch in der Wilhelmstraße und habe auf die Kinderkarten Mandarinen geholt. Für jeden hat es ein Pfund gegeben. Am Nachmittag hatte ich verschiedene kleine Sachen zu tun, die aber auch getan werden wollen, wie z.B. einige Wollsachen waschen, Küche auswischen usw. Dann kam bald wieder das Abendessen an die Reihe. Die Stunden gehen ja so schnell vorbei. Heute Mittag hatten wir Rosenkohl und Kartoffeln, heute Abend Quarkkeulchen, diesmal aber wirklich mit Quark.
Die Kinder haben im Vorraum Kasperletheater gespielt. Sonst waren sie immer oben im Hausgang mit der Eisenbahn, aber so lange Frau Leimenstoll die Treppe zu putzen hat, dürfen sie nicht mehr rauf. Verstehen kann ich es nicht ganz, denn alle, die mitgespeilt haben, hatten sich stets die Hausschuhe angezogen. Es war auch nur Jörg und Richard, oder der Walter noch dazu.
Morgen, wenn ich in die Stadt fahre, um das Päckchen weg zu schaffen, werde ich wieder einmal den Vorschaltwiderstand mitnehmen und nachsehen lassen. Er läuft wohl noch, aber der Draht klirrt fest drin, und das kracht dann natürlich im Apparat. Auch hat er schon teilweise ausgesetzt. Wahrscheinlich muss er wieder neu gewickelt werden.
Morgen Nachmittag gehe ich sicher baden. Nach längerer Pause wieder einmal. Wir freuen uns schon sehr darauf. Erstens auf die heiße Brause und zweitens aufs Schwimmen. Jörg wird ja sicher wieder üben.

                                                                                                            21.1.
Ich schreibe nun jetzt noch fertig. Etwas kurz ist der Brief ja diesmal geworden, aber Du wirst mir sicher nicht böse sein.
Von Helga schicke ich heute auch einen Brief an Dich mit fort. Ich hätte ihn gern mit in meinen Brief getan, aber die 10g des Flugpostbriefes sind immer gleich erreicht.
Helga ist vorhin gerade in die Schule gegangen. Jörg muss erst zu ¾ 10 fort. Ich packe noch das Päckchen für Papa und fahre dann auch bald fort.
Gestern habe ich lachen müssen. Als ich vom Einkaufen heim kam, wollte sich Jörg gerade die Schuhe anziehen. Er sagte zu mir: „Mutterle, an meinen hohen Schuhe war an den Absätzen was kaputt, ich habe mir´s gleich selber wieder gemacht.“ Da hatte er, wo der Absatz ein Stück ab ging einige Nägel hineingeschlagen und zwar wirklich ordentlich. Außerdem hatte er sich ein Schuheisen auf der Sohle aufgeschlagen. Wenn er so weiter macht, kann er sich in einigen Jahren auch schon manches selber machen, d.h. wenn er dann nicht zu faul dazu wird. Es ist doch meist so, dass Kinder wohl manches können, aber nicht gern tun.
Nun mein lieber Ernst, will ich wirklich schließen und Dir vorher nochmals recht sehr für alle Sachen danken, die Du uns wieder geschickt hast.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

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