Mein lieber Ernst! Konstanz, 20.1.43
Nach längerer Zeit will ich heute mal wieder einen
Flugpostbrief schreiben. Vor allen Dingen tue ich das, damit Du bald weißt,
dass ich die Päckchen erhalten habe. Nachdem ich vor einigen Tagen den Honig
erhielt, kam heute Dein Päckchen mit Schokolade, Pralinen und Bonbons an. Ebenso
erhielt ich ein Paket mit den Flaschen mit Öl. Das war sehr gut verpackt und
sehr ordentlich. Es ist alles gut angekommen. Ich möchte Dir für alles herzlich
danken. Eine Tafel Schokolade habe ich verteilt. Es ist ja noch Milchschokolade
und die essen die Kinder doch so gern. Von den anderen Sachen habe ich Ihnen
noch gar nichts gesagt, nur einen Beutel Bonbons habe ich noch aufgeteilt. Die
andere Schokolade hebe ich auf. Später freuen sich die Kinder auch noch
darüber. Wenn sie aber wissen, dass noch welche da ist, habe sie doch keine
Ruhe. Es ist fein, dass alles angekommen ist. Jetzt ist nur noch ein Päckchen
unterwegs mit Hautcreme usw. Ich freue mich, dass nichts verloren gegangen ist.
Du bist auch ein ganz lieber Mann, dass Du uns die Sachen alle geschickt hast.
Außer den Päckchen erhielt ich auch noch Deinen Brief mit
Umschlägen und unseren Briefen. Dann kam noch ein Zeitungspaket von Papa an, in
dem er mir auch noch einen Taschenkalender mitschickte. Dir hat er, wie er
schreibt, auch noch einen geschickt. Da hast Du ja nun zwei Stück. Vielleicht
kann ein Kamerad von Dir einen gebrauchen.
Eigentlich wollte ich heute nochmals nähen gehen, aber es
wurde nichts daraus. Ich hatte zu viel daheim zu tun. Am Vormittag habe ich
wieder etwas Kleingebäck gebacken. Ich will etwas davon an Papa zum Geburtstag
schicken, dazu noch einen Flasche Wein, den ich zugeteilt bekommen habe und
einige Zigaretten. Ich denke, dass er damit schon zufrieden sein kann. Am
Vormittag war ich auch erst noch in der Wilhelmstraße und habe auf die
Kinderkarten Mandarinen geholt. Für jeden hat es ein Pfund gegeben. Am
Nachmittag hatte ich verschiedene kleine Sachen zu tun, die aber auch getan
werden wollen, wie z.B. einige Wollsachen waschen, Küche auswischen usw. Dann
kam bald wieder das Abendessen an die Reihe. Die Stunden gehen ja so schnell
vorbei. Heute Mittag hatten wir Rosenkohl und Kartoffeln, heute Abend
Quarkkeulchen, diesmal aber wirklich mit Quark.
Die Kinder haben im Vorraum Kasperletheater gespielt. Sonst
waren sie immer oben im Hausgang mit der Eisenbahn, aber so lange Frau
Leimenstoll die Treppe zu putzen hat, dürfen sie nicht mehr rauf. Verstehen
kann ich es nicht ganz, denn alle, die mitgespeilt haben, hatten sich stets die
Hausschuhe angezogen. Es war auch nur Jörg und Richard, oder der Walter noch
dazu.
Morgen, wenn ich in die Stadt fahre, um das Päckchen weg zu
schaffen, werde ich wieder einmal den Vorschaltwiderstand mitnehmen und
nachsehen lassen. Er läuft wohl noch, aber der Draht klirrt fest drin, und das
kracht dann natürlich im Apparat. Auch hat er schon teilweise ausgesetzt.
Wahrscheinlich muss er wieder neu gewickelt werden.
Morgen Nachmittag gehe ich sicher baden. Nach längerer Pause
wieder einmal. Wir freuen uns schon sehr darauf. Erstens auf die heiße Brause
und zweitens aufs Schwimmen. Jörg wird ja sicher wieder üben.
21.1.
Ich schreibe nun jetzt noch fertig. Etwas kurz ist der Brief
ja diesmal geworden, aber Du wirst mir sicher nicht böse sein.
Von Helga schicke ich heute auch einen Brief an Dich mit
fort. Ich hätte ihn gern mit in meinen Brief getan, aber die 10g des
Flugpostbriefes sind immer gleich erreicht.
Helga ist vorhin gerade in die Schule gegangen. Jörg muss
erst zu ¾ 10 fort. Ich packe noch das Päckchen für Papa und fahre dann auch
bald fort.
Gestern habe ich lachen müssen. Als ich vom Einkaufen heim
kam, wollte sich Jörg gerade die Schuhe anziehen. Er sagte zu mir: „Mutterle,
an meinen hohen Schuhe war an den Absätzen was kaputt, ich habe mir´s gleich
selber wieder gemacht.“ Da hatte er, wo der Absatz ein Stück ab ging einige
Nägel hineingeschlagen und zwar wirklich ordentlich. Außerdem hatte er sich ein
Schuheisen auf der Sohle aufgeschlagen. Wenn er so weiter macht, kann er sich
in einigen Jahren auch schon manches selber machen, d.h. wenn er dann nicht zu
faul dazu wird. Es ist doch meist so, dass Kinder wohl manches können, aber
nicht gern tun.
Nun mein lieber Ernst, will ich wirklich schließen und Dir
vorher nochmals recht sehr für alle Sachen danken, die Du uns wieder geschickt
hast.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.
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