Mein liebster Schatz! Konstanz,
17.1.43
Heute, zum Sonntag, will ich Dir wieder einmal mit der Hand
schreiben, sonst meinst Du, ich kann es gar nicht mehr. Heute Morgen sind wir
um 9 Uhr aufgestanden. Ich hatte gestern schon vorgekocht, so hatte ich heute
nicht so viel zu tun. Es gab Kartoffeln mit Sauerkraut, Fleisch und Soße.
Hinterher Stachelbeerkompott. Am Nachmittag bin ich zu Vater runter gefahren. Wir
hatten es gestern noch ausgemacht. Ich habe ihm seine Wäsche mitgenommen. Vater
hat mir dann seine Mangel- und Kleiderkarte gegeben, damit ich Wolle für ihn
besorgen kann. Dann hat er mir seine Socken gezeigt, damit ich sage, welche
sich noch zum anstricken lohnen. Es waren 3 Paar, die ich gleich mit rauf
genommen habe. Ein Paar braucht er bald, damit er ein paar gute Strümpfe an
hat, wenn er sich ein Paar neue Schuhe kauft. Den Bezugsschein dafür hat er
schon. Ein Stück Stoff zum Ausbessern seines Bettbezugs hat er auch gleich
rausgesucht, ebenso hat er mir die Laubsäge mitgegeben. Geschenkt hat mir Vater
dann ½ Pfund Grünkern, ½ Pfund Mehl, 1 Pfund Kaffeemischung und 2 Puddings. Er
freut sich immer wieder, wenn er was schenken kann. Ich habe mir wieder ein
paar Bücher zum Lesen für mich und Helga rausgesucht und mitgenommen. Es sind
zwei dabei, die Du Kurt geschenkt hast „Eiko, der Junge vom Reiherhof“ und „Der
falsche Woldemar“. Ich denke, dass sie Helga versteht. In das letzte Buch hast
du als Widmung hineingeschrieben „Wenn Du es liest, so freue Dich, wenn Du es
anschaust, so denk an mich. Weihnachten 1926.“ Wie lange das schon wieder her
ist. 1926 bin ich aus der Schule gekommen.
Schwer beladen bin ich wieder daheim angekommen. Jörg
spielte noch auf der Straße, Helga war bei Ingrid. Ich habe erst alles
ausgepackt, dann habe ich mir einen Strumpf zum anstricken hergerichtet. Als
Helga heim kam, haben wir Abendbrot gegessen. Helga hat mir vorhin abgewaschen,
damit ich schreiben kann. Jetzt sitzt sie neben mir und liest. Sie ist ja auch
solch eine Leseratte. Jörg hat wieder mal eine Leidenschaft für Häuser aus
Modellierbogen. Für 2 Häuser hat er heute eine kleine Trillerpfeife verkitscht.
Am Nachmittag habe ich Jörg die Haare verschnitten. Wie
immer, wollte er erst nicht recht ran. Aber meine Zumutung, dass er zum Friseur
gehen soll, hat er ganz entschieden abgelehnt. Lieber lässt er´s von mir
machen, wenn die Haare schon mal runter müssen. Aber es war auch wirklich Zeit,
er hatte ja schon bald einen Bubikopf. Hinterher hat er sich wieder mächtig
gefreut, dass er wieder ordentlich aussieht.
Von Erna erhielt ich heute einen Brief. Viel Wichtiges
schreibt sie nicht. Am vergangenen Sonntag gegen Abend ist Siegfried unverhofft
heimgekommen. Er hatte einen Verwundeten nach Hochweitschen bei Döbeln gebracht
und hat dabei einen Tag Urlaub rausgeschunden. Sonst schreibt Erna, dass sie
bei der Geburt nicht in eine Klinik
gehen will. Sie sei jetzt beim Kinderwäsche nähen, was ihr viel Freude
bereitet. Nur sitzen könnte sie immer nicht lange. Zu Sylvester waren sie bei
Kühns. Siegfried ist noch bis 12.2. in K., dann geht er wieder nach Eilenburg. Was
dann kommt, wissen sie auch noch nicht. Einen Gruß soll ich Dir von Erna
ausrichten.
Nun lass mich schließen. Zeitungen habe ich heute an Dich
weggeschickt. Ich grüße und küsse Dich recht, recht herzlich und hoffe, dass Du
immer gesund bist, Deine Annie.
P.S.: Eine Sondermarke ist von Straßburg heute angekommen.
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