Dienstag, 16. Januar 2018

Brief 500 vom 17.1.1943


Mein liebster Schatz!                                                                                           Konstanz, 17.1.43

Heute, zum Sonntag, will ich Dir wieder einmal mit der Hand schreiben, sonst meinst Du, ich kann es gar nicht mehr. Heute Morgen sind wir um 9 Uhr aufgestanden. Ich hatte gestern schon vorgekocht, so hatte ich heute nicht so viel zu tun. Es gab Kartoffeln mit Sauerkraut, Fleisch und Soße. Hinterher Stachelbeerkompott. Am Nachmittag bin ich zu Vater runter gefahren. Wir hatten es gestern noch ausgemacht. Ich habe ihm seine Wäsche mitgenommen. Vater hat mir dann seine Mangel- und Kleiderkarte gegeben, damit ich Wolle für ihn besorgen kann. Dann hat er mir seine Socken gezeigt, damit ich sage, welche sich noch zum anstricken lohnen. Es waren 3 Paar, die ich gleich mit rauf genommen habe. Ein Paar braucht er bald, damit er ein paar gute Strümpfe an hat, wenn er sich ein Paar neue Schuhe kauft. Den Bezugsschein dafür hat er schon. Ein Stück Stoff zum Ausbessern seines Bettbezugs hat er auch gleich rausgesucht, ebenso hat er mir die Laubsäge mitgegeben. Geschenkt hat mir Vater dann ½ Pfund Grünkern, ½ Pfund Mehl, 1 Pfund Kaffeemischung und 2 Puddings. Er freut sich immer wieder, wenn er was schenken kann. Ich habe mir wieder ein paar Bücher zum Lesen für mich und Helga rausgesucht und mitgenommen. Es sind zwei dabei, die Du Kurt geschenkt hast „Eiko, der Junge vom Reiherhof“ und „Der falsche Woldemar“. Ich denke, dass sie Helga versteht. In das letzte Buch hast du als Widmung hineingeschrieben „Wenn Du es liest, so freue Dich, wenn Du es anschaust, so denk an mich. Weihnachten 1926.“ Wie lange das schon wieder her ist. 1926 bin ich aus der Schule gekommen.
Schwer beladen bin ich wieder daheim angekommen. Jörg spielte noch auf der Straße, Helga war bei Ingrid. Ich habe erst alles ausgepackt, dann habe ich mir einen Strumpf zum anstricken hergerichtet. Als Helga heim kam, haben wir Abendbrot gegessen. Helga hat mir vorhin abgewaschen, damit ich schreiben kann. Jetzt sitzt sie neben mir und liest. Sie ist ja auch solch eine Leseratte. Jörg hat wieder mal eine Leidenschaft für Häuser aus Modellierbogen. Für 2 Häuser hat er heute eine kleine Trillerpfeife verkitscht.
Am Nachmittag habe ich Jörg die Haare verschnitten. Wie immer, wollte er erst nicht recht ran. Aber meine Zumutung, dass er zum Friseur gehen soll, hat er ganz entschieden abgelehnt. Lieber lässt er´s von mir machen, wenn die Haare schon mal runter müssen. Aber es war auch wirklich Zeit, er hatte ja schon bald einen Bubikopf. Hinterher hat er sich wieder mächtig gefreut, dass er wieder ordentlich aussieht.
Von Erna erhielt ich heute einen Brief. Viel Wichtiges schreibt sie nicht. Am vergangenen Sonntag gegen Abend ist Siegfried unverhofft heimgekommen. Er hatte einen Verwundeten nach Hochweitschen bei Döbeln gebracht und hat dabei einen Tag Urlaub rausgeschunden. Sonst schreibt Erna, dass sie bei der Geburt nicht in eine  Klinik gehen will. Sie sei jetzt beim Kinderwäsche nähen, was ihr viel Freude bereitet. Nur sitzen könnte sie immer nicht lange. Zu Sylvester waren sie bei Kühns. Siegfried ist noch bis 12.2. in K., dann geht er wieder nach Eilenburg. Was dann kommt, wissen sie auch noch nicht. Einen Gruß soll ich Dir von Erna ausrichten.
Nun lass mich schließen. Zeitungen habe ich heute an Dich weggeschickt. Ich grüße und küsse Dich recht, recht herzlich und hoffe, dass Du immer gesund bist, Deine Annie.
P.S.: Eine Sondermarke ist von Straßburg heute angekommen.

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