Mein lieber, guter Ernst! Konstanz, 15.1.43
Einen Brief habe ich heute nicht von Dir bekommen, dafür
erhielt ich aber Dein liebes Päckchen Nr.53 mit Mehl. Ich habe mich sehr
darüber gefreut. Ich habe nun die Päckchen laufend bis Nr.53, denn in dem
Päckchen mit Butter stand zwar Nr.51, aber es muss sicher 52 heißen, denn im
Päckchen Nr. 51 waren doch die Puppen. Hab also für das Mehl recht herzlichen
Dank, ich kann es ja sehr gut gebrauchen.
Meinen gestrigen Brief habe ich gleich heute um 6 Uhr
wegeschafft. Ich schreibe das nur, damit Du, wenn Du evtl. auf dem Briefstempel
nachsiehst, nicht denkst, ich wäre doch abends noch gegangen. Das habe ich ganz
aufgegeben.
Ich war heute den ganzen Tag daheim und habe genäht. Ich
habe Bettwäsche ausgebessert. Nach 11 Jahren geht eben doch auch manches
kaputt. Bis jetzt habe ich 4 Kissen und einen Bettbezug fertig. Jetzt habe ich
noch 2 Bettbezüge da, einen von Mama, den Papa mir geschickt hatte und einen
von Vater. Dafür wollte er mir schon lange Stoff mitbringen, aber er vergisst
es immer wieder. Die zweite Arbeitsjacke von Vater will ich mir morgen zum
Ausbessern vornehmen. Die ist auch ziemlich kaputt.
Heute Nachmittag war Helga wieder beim Turnen. Jörg ist
nicht mitgegangen. Er hatte alle möglichen Ausreden. Er sei müd, es sei ein so
weiter Weg usw. er meinte auch, es lohne sich gar nicht, zwei Stunden
rumzulaufen, um eine Stunde zu turnen. Am liebsten ginge er überhaupt nicht
mehr. Leider muss ich ja sagen, dass ich es als Kind auch so gemacht habe. Ich
bin mal eine Weile turnen gegangen, dann hatte ich wieder genug davon. Später
bin ich wieder mal dem Turnverein beigetreten, aber lange habe ich es nie
ausgehalten. Die richtige Lust habe ich erst später bekommen. Da muss ich Dir
gerade auch schreiben dass ich leider gemerkt habe, dass Jörg auch noch einen
anderen Fehler von mir hat und zwar einen, über den ich mich bei ihm am meisten
ärgere, das träumen. Es ist mir jetzt schon ein paar Mal passiert, dass ich
abends, wenn ich schon ausgezogen war und ins Bett gehen wollte, plötzlich
stehen geblieben bin, weil mir gerade was eingefallen ist und das habe ich mir
im Geist so vorgestellt, dass ich einfach das Weitergehen vergessen habe. Wenn
ich es dann gemerkt habe, habe ich mich geärgert und auch gedacht, bei Jörg
schimpfe ich und selber tue ich es. Ich erinnere mich jetzt auch, dass meine
Lehrerin öfter zu mir gesagt hat „Marianne, was träumst Du denn wieder?“ Ich
habe mir dann meist das, von dem vorher gesprochen wurde, so lebhaft vorgestellt,
dass ich alles andere nicht mehr gehört habe.
Jetzt schreibe ich Dir mal noch unseren Speisezettel von
dieser Woche. Ich weiß zwar nicht, ob Dich das überhaupt interessiert. Du
kannst es mir ja schreiben, dann lasse ich es nächstes Mal weg. Am Montag
hatten wir Erbsen, Kartoffeln und Soße (als Eintopf), am Dienstag Wirsing, am
Mittwoch Spätzle-Suppe, Bratkartoffeln, am Donnerstag Kartoffelbrei mit
Hackfleisch nd heute gab es Nudelsuppe und Eierkuchen.
Heute war es auf der Straße zum ersten Mal wieder trocken.
Das ist direkt wieder einmal schön, wenn keine nassen Schuhe rumstehen und
nasse Hosen und Handschuhe rumhängen. Wie lange wird das Wetter aber anhalten?
16.1.
Lieber Ernst! Eigentlich hatte ich gestern Abend fertig
schreiben wollen, aber ich hab jetzt wieder einmal eine Zeit, wo ich abends
gleich müde werde. Ich bin schon um 9 Uhr schlafen gegangen. Mir war es ganz
schlecht vor Müdigkeit. Ich habe wieder schön ausschlafen können und heute früh
bin ich sogar mit Lachen aufgewacht, denn ich hatte einen ganz lustigen Traum,
natürlich verdreht, wie nun Träume einmal sind. „Ein Mann will Saurier schießen
und schwimmt in ihre Nähe. Die Viecher merken das, schwimmen ihm nach, der in
aller Eile ans Land gesaust, die Viecher ihm auf den 2 Hinterfüßen nach. Als er
nicht mehr kann, lässt er sich einfach hinfallen, damit die Tiere an ihm
vorbeisausen sollen. Da wischt ihm der Vorderste Saurier im Vorbeirennen eins
mit der Vorderpfote ins Gesicht und ruft „Du Kamel“. Das waren Bilder zum
kranklachen. Ich habe so lachen müssen, dass ich darüber aufgewacht bin. Als
ich es den Kindern erzählte, haben die über den redenden Saurier auch lachen
müssen. Dadurch war heute der ganze Morgen fröhlich.
Ich fahre nun in die Stadt. Jörg hat so lange gebettelt, bis
ich ihn mitnehme zur Schule. Er ist gerade beim Schuhe putzen. Ich schließe
jetzt, mein lieber Mann und grüße und küsse Dich ganz fest und herzlich, Deine
Annie.
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