Mittwoch, 3. Januar 2018

Brief 471 vom 16.12.1942


Mein liebsterErnst!                                        Konstanz, 16.12.42

Ich habe heute Vormittag das erste Weihnachtsgebäck für uns gebacken. Das duftet immer so schön durch unsere Wohnung und es ist ganz weihnachtlich. Am Nachmittag waren wir zusammen beim Nähen. Vorher habe ich noch die Raucherkarte geholt in der Mainaustraße. Ich hatte Glück und musste gar nicht lange warten. Um 3 Uhr waren wir beim Nähen. Da ich jetzt schon wieder mehr Übung habe, war ich mit dem annähen der Knöpfe an 2 Zelten schon ¼ 6 fertig. Ein neues anzufangen hatte keinen Zweck, so sind wir dann heimgegangen. Bis 4.1. ist die Nähstube nun geschlossen. Das ist ganz gut, da braucht man in der Weihnachtswoche nicht fortzuspringen. Als wir heim kamen. Haben wir Abendbrot gegessen, Jörg hat noch fertig an Dich geschrieben und dann sind unsere Lauser ins Bett gegangen.
Am Vormittag erhielt ich Deine beiden lieben Briefe vom 27.11. und 2.12., für die ich Dir sehr danke. Es freut mich, dass Dir der Abziehapparat meines Vaters doch noch gute Dienste tut. Da Du einstweilen Rasierklingen dort hast, schicke ich die, die ich hier liegen habe, mit dem ersten Päckchen mit, das ich nach Weihnachten abschicke.
Auch in diesem Brief lese ich wieder, dass Dich der Nikolausbrief so viel Schweiß gekostet hat. Und er ist bis jetzt nicht einmal eingetroffen. Es kann ja sein, er kommt noch, es kann aber auch sein, dass jemand das Geld gesehen hat und den Brief gestohlen hat. Es wäre ja sehr schade drum. Für die Kinder wäre es eine große Freude gewesen.
Nun willst Du uns zu Weihnachten auch noch Geld schicken. Kannst du denn so viel, wie Du schreibst, überhaupt entbehren? Vor allem jetzt, wo Du doch nicht mehr so reichliches Essen bekommst und zusehen musst, dass Du Dir etwas zusetzt. Glaub mir, ich wäre mit den Geschenken, die Du uns geschickt hast, bestimmt zufrieden gewesen. Ich hatte mich über sie sehr gefreut. 60.- verbrauche ich ja nicht gleich für mich, ich werde davon etwas sparen. Jedenfalls danke ich Dir schon jetzt recht sehr dafür, Du großzügiges Kerlchen, Du liebes, gutes. Du siehst doch immer zu, dass Du uns eine Freude machst.
Von Siegfried erhielt ich auch einen Brief. Er schreibt, dass er von Dir einen Brief bekommen hat, aber den Umschlag zerrissen hat, sodass er Deine Nummer nicht mehr weiß. Ich soll Dir beiliegenden Brief mit zusenden, was ich hiermit auch tue. Ich hatte ja angefragt, wie er Papas Frau ansprechen würde. Er schreibt nun, dass er sie mit Lotte anredet, denn Mutter oder sowas würde er zu ihr ja niemals sagen.
Von Papa erhielt ich eine Karte. Er hat mein Päckchen schon bekommen und schreibt, ich hätte ihm nicht nur eine kleine, sondern eine große Freude bereitet. Sie würden in dieser Woche auch ein Paket mit verschiedenen Sachen für die Kinder und einige Kleinigkeiten für uns wegschicken.
Denk Dir mal, wir haben auch dieses Jahr wieder eine Maus im Keller. Dass die Viecher doch immer zu uns herkommen. Ich hab es heute gemerkt. Eine Falle habe ich mal aufgestellt. Ich glaube aber, das erste Mal wird es nicht gleich klappen mit dem Fangen.
Morgen früh gehen wir gleich zum Christbaumkaufen. Es stand heute in der Zeitung, es wären leider nicht genug Bäume für Konstanz da. Darum kämen in erster Linie Familien mit Kindern an die Reihe. Damit wir nun noch einen rechten bekommen, gehen wir gleich am Morgen, denn ein Weihnachten ohne Baum ist doch für die Kinder kein richtiges Fest. Helga erzählt doch jetzt schon immer davon, wie sie sich freut, wenn die Stubentür aufgeht und die Lichter brennen am Christbaum. Ich habe heute beim Backen auch manche Stücke mit Löchern versehen, damit wir sie an den Baum hängen können. Vom Baum schmeckt es doch immer noch besser als sonst.
Nachher stricke ich noch am letzten Handschuh für Helga. Vielleicht werde ich heute noch fertig. Ich will ja für jeden noch ein Paar stricken, aber nicht bis zu Weihnachten. Das hat nachher auch noch Zeit. Es werden Handschuhe so für alle Tage zum Spielen aus verschiedenen Resten.
Ich habe heute Abend einen etwas benommenen Kopf. Ich kann gar nicht so richtig schreiben, wie ich will. Ich hatte jetzt eine Weile gestrickt, weil ich dachte, es würde vielleicht dadurch besser. Aber ich merke, ich bin nur richtig müde. Da gehe ich am besten schlafen. Wenn ich morgen wieder richtig ausgeschlafen bin, geht die Arbeit auch schneller vonstatten.
Lass mich nun heute schließen. Bleib immer gesund und denke immer an uns. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

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