Mein liebsterErnst! Konstanz, 24.12.42
Die Bescherung ist nun vorbei. Davon will ich Dir erzählen.
¼ 6 Uhr haben wir beschert. Die Kinder sind schon vorher die ganze Zeit herein
gelaufen gekommen und haben geschaut, wie spät es ist. Endlich war es soweit.
Ich habe die Kerzen an dem Weihnachtsbaum angezündet und habe unsere zwei
Lauser herein gerufen. Erst haben sie sich nur alles angesehen. Und haben sich
gar nicht so gefreut. Ihre größte Sorge war erst, dass sie mir ihre Geschenke
brachten und ob ich mich auch darüber freue. Das habe ich dann auch getan. Dann
brach bei ihnen aber richtig die Freude durch. Helga hat immer gejuchzt und ist
in der Küche herum gesprungen. Jedes Geschenk haben die Kinder vorgenommen und
haben sich darüber gefreut. Das Kleid und die Trainingshose, sowie der Pullover
wurden gleich angezogen, Helga hat ihre Puppe schaukeln lassen, hat sich die
Kette umgetan, Jörg hat mit seinem Hammer (ein ganz großer Wunsch von ihm)
einen Nagel eingeschlagen, hat mit seinen Farben gemalt usw. Einige
Weihnachtslieder haben wir auch gesungen. Während der Bescherung kam Kurt und
ist ½ Stunde da geblieben. Er hat auch mit uns Kaffee getrunken und Kuchen
gegessen. Er gab mir 10 Mk. und für die Kinder je 10 Mk. Später kam Vater. Er
gab mir 25 Mk., den Kindern je 12.50 und für Dich 22.50. Er hatte von den 25
Mk. für Dich 2.50 angezogen, die er für ein Buch für mich ausgegeben hatte.
Soll ich Dir das Geld zuschicken? Wir haben, als Vater kam, nochmals den Baum
angezündet. Dabei haben wir die Ringsendung angehört und ich habe immer
gedacht, ob Du wohl jetzt auch beim Radio sitzt, ob Du die Päckchen alle
bekommen hast und auch unseren Weihnachtsbrief. Hoffentlich war das Weihnachten
bei Dir nicht gar zu traurig uns einsam. Ich wüsste es jetzt schon gerne. Meine
Gedanken waren immer bei Dir. Wir haben auch Dein Bild mit auf dem
Weihnachtstisch stehen gehabt und jetzt steht es neben mir auf dem Tisch an
Deinem Platz. So bist Du, wenn auch nur im Bild, doch immer bei uns.
Die Kinder hatten vor, Dir noch einen großen Brief zu
schreiben. Aber damit ist es nichts
geworden. Du weißt ja, erst wollen sie doch mit ihren Sachen ein Bisschen
spielen und dann ist es schon ganz spät geworden. Sie haben Dir aber noch
aufgeschrieben, was sie bekommen haben, denn sie wollten Dir doch zeigen, dass
sie an Dich gedacht haben. Wahrscheinlich werden sie in den nächsten Tagen Dir
noch mehr erzählen. Helga sagte mir vorhin, sie sei gar nicht ein Bisschen
enttäuscht, sie hätte gar nicht gedacht, dass sie so viele und schöne Sachen
bekäme. Heute haben die Kinder einmal länger aufbleiben dürfen. Erst wollten
sie bis um 11, aber ich habe gesagt, das sei zu spät. Um ¼ 11 waren sie aber schon
so müd, dass sie gern freiwillig ins Bett gegangen sind. Kaum dass sie drin
waren, haben sie auch schon geschlafen. Morgen haben sie ja Zeit, dass sie
ausschlafen können.
Nun will ich von meinen Geschenken berichten. Ich bin
wirklich nicht zu kurz gekommen. Dir möchte ich zuerst einmal danken für die
Liebe, die Du mir wieder gezeigt hast. Über Deine Päckchen habe ich mich sehr
gefreut. Ich will nun einmal alle Geschenke aufzählen: Von Dir 80 Mk., 1
Kölnisch Wasser, 1 Mundwasser, 1 Zahnpasta, 1 Haarwasser, 1 Haaröl, Seife, 2
Schachteln Pralinen, 1 Tafel Schokolade, Bonbons, 1 Buch „Margrit“ (von Vater
besorgt) von Papa: 4 Bücher, von denen ich Dir schon geschrieben habe, von
Erna: 1 Vase, 1 Buchzeichen, von Vater 25 Mk., von Kurt: 10 Mk. Von unseren beiden
lieben Kerlchen habe ich folgende Sachen erhalten, die sie mit viel
Liebeausgesucht haben. Man muss bedenken, dass es jetzt fast nichts zu kaufen
gibt. Ich habe mich bestimmt darüber gefreut, sieht man doch die Liebe daraus:
2 Leuchtplaketten, 2 Neujahrskarten (die ich, wie sie sagten, nicht aufheben
brauche, sondern ruhig verwenden kann) 3 Rollen Schmuckband, 2 Rollen Gold- und
silberfarbigen Faden für Päckchen, 2 Engelsfiguren aus Holz, je 25 Pfg. Geld
und 1 Tortenheber. Ehe sie mir die Geschenke brachten, gaben sie mir einen
schön geschmückten Zettel in die Hand, auf dem stand: „Hoffentlich freuen Dich
unsere Geschenke“. Es sind doch zwei liebe kleine Kerle. Ich habe eine große
Freude gehabt. Als sie mir das Buch „Margrit“ überreichten, hatten sie auch
einen schön geschmückten Zettel reingelegt, auf dem stand „Das Geschenk von
Vaterle.“ Ach so, etwas habe ich noch vergessen. Jörg hat mir noch ein 30cm
langes Lineal gekauft. Er meinte, das könnte ich doch sicher öfter brauchen.
Auch wenn ich an Dich schreibe.
Wenn ich jetzt so vor mich schaue, sehe ich gerade den
Christbaum glitzern. Er sieht so schön aus. Schade, dass Du ihn nicht sehen
kannst. Es wäre überhaupt so schön, wenn Du hier wärst, aber es geht eben
leider nicht. Wie froh bin ich, dass Du wenigstens erst vor kurzem bei uns
warst. So haben wir und doch wenigstens einmal wieder gesehen. Vielleicht
dauert es bis zum nächsten Urlaub doch nicht gar so lange. Die Hoffnung wollen
wir wenigstens nicht verlieren.
Kurt ist augenblicklich gar nicht richtig auf dem Posten. Er
hat mächtiges Halsweh. Heute ist er schon ins Heißluftbad gegangen, damit es
besser werden soll. Er meinte, wenn es über die Feiertage sich nicht bessert,
muss er unbedingt zum Arzt gehen.
Nun lass mich für heute schließen. Es ist bereits ½ 12 Uhr.
Wenn Vater fort geht, gehe ich noch mit bis zum Briefkasten und werfe den Brief
ein. Da geht er morgen früh mit fort.
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