Mittwoch, 3. Januar 2018

Brief 467 vom 12.12.1942


Mein liebsterErnst!                                        Konstanz, 12.12.42

Wir haben es gestern so gemacht, wie ich Dir schon schrieb, wir sind zusammen in die Stadt gegangen, die Kinder zum Turnen und ich Karten anmelden. Dann habe ich die Kinder wieder abgeholt und wir haben uns die Spielsachen beim Ackermann angesehen. Jörg wünscht sich von den Sachen einen Flieger, evtl. ein Auto und einen Panzer. So viel kommt natürlich nicht in Frage, denn er hat ja schon viele Spielsachen. Es kommt ja auch darauf an, was man noch bekommt. Es wird bei dieser Ausstellung sowieso ein arger Trubel sein. Helga wünscht sich eine kleine Wiege.
Als ich mit den Kindern ging, wollte ich bei der Laube abbiegen und nicht erst mit zur Schule hingehen. Aber Jörg meinte, ich solle doch mitgehen, vielleicht hätten sie gar kein Turnen (was ihm sehr lieb gewesen wäre) und sie könnten gleich wieder mit mir gehen. Es war aber nichts damit. Er war ziemlich enttäuscht. Für Sport hat Jörg bis jetzt überhaupt nichts übrig, viel mehr fürs Spielen. Da kann er nicht genug bekommen.
Gestern hat sich Helga beim Turnen ein wenig den Fuß vertreten. Ich habe ihn jetzt eingebunden. Ganz gut kann sie ja nicht gehen und sie dachte erst, sie könne nicht mit dem Großvater in die Stadt gehen. Jetzt hat sie´s aber doch versucht. Großvater hatte doch die Kinder bestellt, damit sie zusammen in die Stadt gehen, um für mich was zu besorgen, wozu Du den Auftrag gegeben hast.
Ich habe heute geputzt, denn es ist ja Samstag und gestern hatte ich keine Zeit. Am Nachmittag sitze ich beim Handschuh stricken. Den zweiten Handschuh habe ich halb fertig. Nachher muss ich noch bügeln, dann kann der Sonntag kommen. Es ist alles soweit fertig.
Es ist jetzt inzwischen 7 Uhr abends geworden und ich schreibe noch fertig. Die Kinder sind vorhin ½ 7 Uhr heim gekommen. Ich dachte schon, wo bleiben sie denn so lange, sie sollten doch gleich nach dem Mittagessen zum Großvater kommen und sind auch gegangen. So gegen ½ 3 Uhr waren sie unten, mussten aber bis ¾ 4 Uhr bei ihm warten, weil er erst noch seine Marken zusammengesucht hat. Dann sind sie in die Stadt gegangen. Sie haben mir erzählt, dass sie noch eine Weile beim Tannenbaum gestanden haben, wo eine Kapelle gespielt hat. Das hat ihnen so gefallen und sie meinten, da müsste ich auch einmal mit. Vater wollte eigentlich gleich mit rauf kommen, aber in der Wilhelmstraße merkte er, dass er seine Butterkarte vergessen hatte. Da ist er erst nochmals heim gelaufen und hat sie geholt. Von der Molkerei aus will er dann gleich hier her kommen.
Als die Kinder heim kamen, war gleich die erste Frage: „was gibt’s zum Abendbrot?“ Als ich ihnen sagte, dass es Quarkkeulchen (aber ohne Quark) gäbe, waren sie ganz glücklich. Sie haben jetzt auch tüchtig gegessen und Jörg kann den obersten Knopf an seiner Hose gar nicht mehr zu machen. (Er steht jetzt gerade neben mir und meint, er könne schon 2 nicht mehr zu machen). Na, hat er da nicht fest gefuttert?
Während die Kinder fort waren, habe ich für morgen noch eine Zwiebacktorte fertig gemacht. Sie wissen noch nichts davon und werden sicher morgen staunen. (Jetzt, während ich das schreibe, steht natürlich Jörg nicht mehr  neben mir).
Die Kinder wollen wieder bald ins Bett gehen, aber vorher wollen sie noch den Brief mit wegschaffen. Das freut sie doch immer, so im Dunkeln draußen herum laufen. Natürlich mit den Leuchtplaketten.
Nächste Woche müssen wir wieder die Raucherkarte holen. Ich wollte auch jetzt auf meine Karte Stumpen für Vater holen, aber auf Frauenkarten bekommt man nur noch Zigaretten. Das ist eigentlich ein Quatsch, denn viele Frauen kaufen doch Rauchwaren nicht für sich, sondern für ihre Männer. Und da raucht doch mancher auch Stumpen. Aber was will man machen? Sind wir zufrieden. Es könnte ja sein, dass sie Frauen überhaupt keine Karte mehr geben würden. Da könnte man auch nichts machen. Für mich sind die Rauchwaren ja auch nicht so wichtig, ich freue mich vielmehr über die Weihnachtssonderzuteilung. Nett habe ich es gefunden, dass da Zeichen diesmal auf der Karte eine kleine Glocke ist, das sieht gleich so weihnachtlich aus.
Nun lass mich schließen. Es grüßt und küsst Dich recht herzlich Deine immer an Dich denkende Annie.

Gerade als ich den Brief zu machen wollte, kam Vater. Er sagte mir als große Neuigkeit, dass in seiner Firma die Hälfte der Belegschaft vorübergehend aussetzen muss, da augenblicklich keine Arbeit da ist. Er schafft ab Montag, natürlich auch nur vorübergehend, bei einem Zimmermann. Auch die anderen Leute schaffen vorübergehend woanders. Arbeitskräfte werden ja überall gebraucht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen