Mittwoch, 3. Januar 2018

Brief 472 vom 17./18.12.1942


Mein liebster, besterErnst!                                         Konstanz, 17.12.42

Heute Morgen haben wir uns, wie ich Dir schon gestern schrieb, gleich auf den Weg gemacht, um einen Weihnachtsbaum zu kaufen. Helga war ja in der Schule, aber Jörg hat mich begleitet. Wir sind rauf zum Königsbau gegangen. Es waren so ca. 10 Leute da, die Bäume kaufen wollten. Es war kurz nach 8 Uhr, also noch ziemlich früh. Wir konnten uns einen sehr schönen, nicht zu breit ausladenden, aber gleichmäßig gewachsenen Baum heraussuchen. Er hat 1,50 Mk. gekostet. Ganz glücklich sind wir mit unserem Kauf abgezogen. Bis wir am Schützen ankamen, war es bald 9 Uhr und Jörg, der ¾ 10 in der Schule sein musste, wollte nicht nochmals heimgehen, denn er hatte schon den Schulranzen mitgenommen. Ich sagte ihm, geh doch nochmal runter an die Ecke beim Gaismaier, da werden doch auch Bäume verkauft und sieh, wie es da zugeht. Er hat es auch getan und erzählte mir heute Mittag, dass die Leute in Schlangen dort gestanden haben und 4 Schutzleute dabei waren. Da war ich sehr froh, dass ich nicht dort hatte kaufen müssen. In der Stadt wird es wahrscheinlich genauso zugegangen sein. Jörg hat bei dem Verkaufsstand einige Zweige gefunden. Die hat er mit in die Schule genommen.
Die Lehrerin von Jörg ist augenblicklich krank. Da geht die Lehrerin von Helga immer mit in ihre Klasse und unterrichtet sie. Da kennt sie jetzt auch den Jörg und hat heute zu Helga gesagt: “Dein Bruder schreibt ja fast besser, als Du.“ Da ist Jörg natürlich sehr stolz. Helga freut sich weniger. Es ist nun so, dass morgen und nicht übermorgen der letzte Schultag sein soll. Da müssen die Mädels den Erstklässlern morgen schon etwas vorspielen, bei dem Helga den Vater spielt.
Heute Nachmittag waren wir beim Baden. Es war, wie immer, sehr schön. Ich habe für Jörg einen Schwimmgurt geliehen, und da hat er nun tatsächlich Fortschritte im Schwimmen gemacht. Während er beim vorigen Mal, als ich einen Schwimmgurt geliehen hatte, sich nicht zu schwimmen traute und immer mindestens mit einem Bein auf dem Boden stand, ist er heute geschwommen und zwar nach und nach bald über das ganze Bassin. Ich habe mich sehr gefreut und seine Freude hättest Du sehen sollen. Er meinte „Das ist das schönste Wort, wenn man sagen kann, man kann schwimmen. Aber jetzt übe ich immer fest, damit ich´s bald ohne Schwimmgurt bringe. Wie schön das ist, wenn man schwimmt. Schreib es nur heute dem Vaterle, dass es sich auch freuen kann und unterstreiche es rot. Aber bestimmt.“
Als wir heim kamen, kam Kurt gerade wieder einmal rauf. Wir haben uns dann unterhalten, u.a. auch von der Höheren Schule. Kurt meinte da, er würde seine Kinder nicht auf die Höhere Schule schicken, sondern wenn es gerade die Hauptschule gibt, auf die Hauptschule und nachher noch 2 Jahre auf die Handelsschule oder sowas. Das wäre doch bald dasselbe, und sie hätte einige Jahre gespart. Wie ist das? So einfach ist das doch nicht, nicht wahr? Das musst Du mir mal erklären.
Nun möchte ich noch Deine lieben Briefe vom 3., 4. Und 5.12 beantworten, die ich heute bekam. Manches ist ja schon beantwortet durch den Brief, den ich Dir auf Deinen Brief vom 7./8. Geschrieben habe.
Ich muss schon sagen, mit den Öfen ist es dort ja sehr schön eingerichtet. Ist das tatsächlich fast überall so, dass die Ofenrohre durch die Fenster hinausgelegt werden? Wer einen Stock höher wohnt, dem qualmt es doch die ganze Wohnung voll. Das Bild stelle ich mir ja auch herrlich vor, an fast allen Fenstern ein Ofenrohr.
Du schreibst, wir machen Dich direkt neugierig auf Weihnachten, weil mich der Weihnachtsmann scheinbar ziemlich in Anspruch genommen hat. Hoffentlich hast Du Dir nicht zu viel vorgestellt und bist nun enttäuscht. Denn bis dieser Brief bei Dir ist, wird wohl Weihnachten gewesen sein. Ich hoffe ja, dass Du auch unsere Päckchen erhalten hast, und dass es Dir nicht so geht, wie vielen Soldaten im vorigen Jahr, die ihre Päckchen im Januar/Februar oder überhaupt nicht erhalten haben.
Ich glaube, Du brauchst keine Angst zu haben, dass sich Jörg nicht über die Puppe freuen wird, die Du gekauft hast. Draußen auf der Straße wird er natürlich nichts damit zu tun haben wollen, aber ich glaube, hier im Haus ist er nicht abgeneigt. Und sollte es doch sein, so ist Helga bestimmt nicht böse, wenn sie beide bekommt. Wenn die Kinder die Puppen erhalten, werden sie Dir sicher gleich schreiben und Dir dafür danken. Ich möchte es jetzt schon tun.
Ich wollte doch für die Kinder noch eine Kleinigkeit auf dem Weihnachtsmarkt der HJ kaufen. Nun steht aber in der Zeitung, dass die Spielsachen nur für Kinder bis 8 Jahre bestimmt sind und dass die Kleiderkarte mitgebracht werden muss, auf der ja der Geburtstag steht. Aber ich glaube, unsere Kinder bekommen auch so genug Geschenke.

                                                                                                            18.12.
Morgen wird aus dem Besuch des Weihnachtsmärchens doch nichts, da die Aufführung aus technischen Gründen nicht stattfinden kann. Die Karten gelten dann für den 26. Dezember. Das ist uns ja auch gleich, gehen wir also am nächsten Samstag.
Ich gehe nachher gleich in die Stadt, Zeitungen holen und einkaufen. Um 9 kommt Jörg schon aus der Schule, da hole ich ihn gleich ab und nehme ihn mit. Helga kommt um 11 Uhr raus, da können wir sie vielleicht gleich auf dem Heimweg abholen.
Von Siegfried erhielt ich gestern für die Kinder zu Weihnachten 15.-Mk. Die werde ich teilen und mit auf den Weihnachtstisch legen. Vielleicht kaufe ich Jörg auch eine Mütze dafür, weißt du, so eine wie er von Dir hat, die er dann aber für Sonntag aufsetzen kann.
Nun lass mich schließen. Ich muss noch aufräumen, damit ich noch rechtzeitig zur Schule hinkomme. Ich grüße und küsse Dich recht herzlich Deine Annie.

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