Mein liebster, besterErnst! Konstanz, 17.12.42
Heute Morgen haben wir uns, wie ich Dir schon gestern
schrieb, gleich auf den Weg gemacht, um einen Weihnachtsbaum zu kaufen. Helga
war ja in der Schule, aber Jörg hat mich begleitet. Wir sind rauf zum Königsbau
gegangen. Es waren so ca. 10 Leute da, die Bäume kaufen wollten. Es war kurz
nach 8 Uhr, also noch ziemlich früh. Wir konnten uns einen sehr schönen, nicht
zu breit ausladenden, aber gleichmäßig gewachsenen Baum heraussuchen. Er hat
1,50 Mk. gekostet. Ganz glücklich sind wir mit unserem Kauf abgezogen. Bis wir
am Schützen ankamen, war es bald 9 Uhr und Jörg, der ¾ 10 in der Schule sein
musste, wollte nicht nochmals heimgehen, denn er hatte schon den Schulranzen
mitgenommen. Ich sagte ihm, geh doch nochmal runter an die Ecke beim Gaismaier,
da werden doch auch Bäume verkauft und sieh, wie es da zugeht. Er hat es auch
getan und erzählte mir heute Mittag, dass die Leute in Schlangen dort gestanden
haben und 4 Schutzleute dabei waren. Da war ich sehr froh, dass ich nicht dort
hatte kaufen müssen. In der Stadt wird es wahrscheinlich genauso zugegangen
sein. Jörg hat bei dem Verkaufsstand einige Zweige gefunden. Die hat er mit in
die Schule genommen.
Die Lehrerin von Jörg ist augenblicklich krank. Da geht die
Lehrerin von Helga immer mit in ihre Klasse und unterrichtet sie. Da kennt sie
jetzt auch den Jörg und hat heute zu Helga gesagt: “Dein Bruder schreibt ja
fast besser, als Du.“ Da ist Jörg natürlich sehr stolz. Helga freut sich
weniger. Es ist nun so, dass morgen und nicht übermorgen der letzte Schultag
sein soll. Da müssen die Mädels den Erstklässlern morgen schon etwas
vorspielen, bei dem Helga den Vater spielt.
Heute Nachmittag waren wir beim Baden. Es war, wie immer,
sehr schön. Ich habe für Jörg einen Schwimmgurt geliehen, und da hat er nun tatsächlich
Fortschritte im Schwimmen gemacht. Während er beim vorigen Mal, als ich einen
Schwimmgurt geliehen hatte, sich nicht zu schwimmen traute und immer mindestens
mit einem Bein auf dem Boden stand, ist er heute geschwommen und zwar nach und
nach bald über das ganze Bassin. Ich habe mich sehr gefreut und seine Freude
hättest Du sehen sollen. Er meinte „Das ist das schönste Wort, wenn man sagen
kann, man kann schwimmen. Aber jetzt übe ich immer fest, damit ich´s bald ohne
Schwimmgurt bringe. Wie schön das ist, wenn man schwimmt. Schreib es nur heute
dem Vaterle, dass es sich auch freuen kann und unterstreiche es rot. Aber
bestimmt.“
Als wir heim kamen, kam Kurt gerade wieder einmal rauf. Wir
haben uns dann unterhalten, u.a. auch von der Höheren Schule. Kurt meinte da,
er würde seine Kinder nicht auf die Höhere Schule schicken, sondern wenn es
gerade die Hauptschule gibt, auf die Hauptschule und nachher noch 2 Jahre auf
die Handelsschule oder sowas. Das wäre doch bald dasselbe, und sie hätte einige
Jahre gespart. Wie ist das? So einfach ist das doch nicht, nicht wahr? Das
musst Du mir mal erklären.
Nun möchte ich noch Deine lieben Briefe vom 3., 4. Und 5.12
beantworten, die ich heute bekam. Manches ist ja schon beantwortet durch den
Brief, den ich Dir auf Deinen Brief vom 7./8. Geschrieben habe.
Ich muss schon sagen, mit den Öfen ist es dort ja sehr schön
eingerichtet. Ist das tatsächlich fast überall so, dass die Ofenrohre durch die
Fenster hinausgelegt werden? Wer einen Stock höher wohnt, dem qualmt es doch
die ganze Wohnung voll. Das Bild stelle ich mir ja auch herrlich vor, an fast
allen Fenstern ein Ofenrohr.
Du schreibst, wir machen Dich direkt neugierig auf
Weihnachten, weil mich der Weihnachtsmann scheinbar ziemlich in Anspruch
genommen hat. Hoffentlich hast Du Dir nicht zu viel vorgestellt und bist nun
enttäuscht. Denn bis dieser Brief bei Dir ist, wird wohl Weihnachten gewesen
sein. Ich hoffe ja, dass Du auch unsere Päckchen erhalten hast, und dass es Dir
nicht so geht, wie vielen Soldaten im vorigen Jahr, die ihre Päckchen im
Januar/Februar oder überhaupt nicht erhalten haben.
Ich glaube, Du brauchst keine Angst zu haben, dass sich Jörg
nicht über die Puppe freuen wird, die Du gekauft hast. Draußen auf der Straße
wird er natürlich nichts damit zu tun haben wollen, aber ich glaube, hier im
Haus ist er nicht abgeneigt. Und sollte es doch sein, so ist Helga bestimmt
nicht böse, wenn sie beide bekommt. Wenn die Kinder die Puppen erhalten, werden
sie Dir sicher gleich schreiben und Dir dafür danken. Ich möchte es jetzt schon
tun.
Ich wollte doch für die Kinder noch eine Kleinigkeit auf dem
Weihnachtsmarkt der HJ kaufen. Nun steht aber in der Zeitung, dass die
Spielsachen nur für Kinder bis 8 Jahre bestimmt sind und dass die Kleiderkarte
mitgebracht werden muss, auf der ja der Geburtstag steht. Aber ich glaube,
unsere Kinder bekommen auch so genug Geschenke.
18.12.
Morgen wird aus dem Besuch des Weihnachtsmärchens doch
nichts, da die Aufführung aus technischen Gründen nicht stattfinden kann. Die Karten
gelten dann für den 26. Dezember. Das ist uns ja auch gleich, gehen wir also am
nächsten Samstag.
Ich gehe nachher gleich in die Stadt, Zeitungen holen und
einkaufen. Um 9 kommt Jörg schon aus der Schule, da hole ich ihn gleich ab und
nehme ihn mit. Helga kommt um 11 Uhr raus, da können wir sie vielleicht gleich
auf dem Heimweg abholen.
Von Siegfried erhielt ich gestern für die Kinder zu
Weihnachten 15.-Mk. Die werde ich teilen und mit auf den Weihnachtstisch legen.
Vielleicht kaufe ich Jörg auch eine Mütze dafür, weißt du, so eine wie er von
Dir hat, die er dann aber für Sonntag aufsetzen kann.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen