Mein liebsterErnst! Konstanz, 20.12.42
Der 4. Advent ist nun schon herangekommen. Eigentlich ist er
schon gleich vorbei, denn es ist schon abends ½ 9 Uhr. Ich will Dir nun vom
heutigen Tag berichten. Am Morgen sind wir um 8 Uhr aufgestanden, haben dann
gegessen und ich habe aufgeräumt. Ich hatte es mir für heute vorgenommen, weil
ich die vergangenen Tage immer nicht recht dazu gekommen bin. Am Vormittag
brachte mir der Briefträger 1 Brief mit Schreibpapier von Dir und 2 Pakete und
1 Einschreibebrief von Papa. Im Brief war ein Wandkalender mit Postkarten und
ein Schleifstein. In den Paketen waren Zeitungen und Romane.
2 Bände „Gottesferne“ von Bloem für uns Beide
1 Buch „Servus Kumpel“ für uns Beide
1 Buch „Nacht über Sibirien“ (Da wir das schon einmal haben,
werde ich es sicher Kurt schenken. Ich habe sowieso nicht viel für ihn.)
1 Paar Fausthandschuhe (von denen ich Dir schon schrieb)
Einige Rasierklingen für Dich
2 Paar Einlegesohlen für Dich
1 Schachtel Patentknöpfe für Dich
1 italienische Briefmarke für Dich
1 Sagenbuch für Helga
1 Buch „Kampf um die Erzbahn“ für Jörg
Außerdem einige Pfefferkuchen für uns alle.
Da es doch nichts zu kaufen gibt, haben sie auch noch einige
ältere Spielsachen mitgeschickt.
1 Lederumhängetasche und Stammbuchblumen für Helga, die Frau
Lotte noch aus ihrer Jugendzeit aufgehoben hatte, ebenso ein Dominospiel für
beide Kinder.
Papa hatte noch Winterhilfsabzeichen mitgeschickt. Als ich
die Schachtel den Kindern rausbrachte, wusste ich nicht, dass in der Schachtel
unten die Stammbuchblumen drin waren. Ich habe sie also Helga jetzt schon
gegeben und sie hat sich wirklich sehr darüber gefreut, da das schon lange mal
ihr Wunsch war, aber die gibt es doch jetzt nicht mehr.
Für Jörg hat Papa noch einen älteren Steinbaukasten
mitgeschickt und 3 Kriegsbücher von Siegfried.
Papa schreibt, dass ssie uns gern noch mehr geschickt
hätten, aber es gäbe ja wirklich nichts. Und solch altmodischen Kram, wie er
jetzt manchmal verkauft und leider auch gekauft wird, wollen sie nicht
schenken. Das möchte ich auch gar nicht haben. Dass sie kein Spielzeug
bekommen, das glaube ich gern, denn das ist auch bei uns schon selten und dann
wird es ja auf der Kinderkleiderkarte vermerkt.
Die Frau Lotte schreibt: „Wie Papa bereits mitteilt, ist das
Päckchen gut angekommen. Es war tatsächlich eine Überraschung, zumal auch ich
damit eine Freude bereitet bekam. Ich danke recht herzlich dafür. Herzliche
Grüße soll ich auch an Dich von ihr bestellen.
Vater wollte doch gestern rauf kommen und auch gleich den
Dreifuß mitbringen. Er kam aber dann doch nicht. Darum habe ich die Kinder
heute Nachmittag runter geschickt. Da war Vater gerade noch bei den
Backvorbereitungen. Er will doch auch noch Stolle backen. Da wird er
wahrscheinlich Nachtschicht einlegen.
Als die Kinder heim kamen, hatte ich alles ein wenig
weihnachtlich hergerichtet. Eine frische Tischdecke auf dem Tisch, darauf den
Stern mit den Kerzen. Ringsherum die neuen Abzeichen. Auf jeden Teller noch
zwei Stück Streuselkuchen, auf ein kleines Tellerchen etwas Kleingebäck und
noch für jeden einen Apfel. Auf Deinem Platz stand Dein Bild im großen Rahmen.
Da warst Du auch ein wenig dabei. Als die Kinder klingelten, habe ich gleich
die Kerzen angezündet. Da hättest Du ihre Freude sehen müssen. Das hat ihnen so
gefallen. Kerzenbeleuchtung ist aber auch so traulich. Als die Kerzen den Schatten
von Jörg an die Wand warfen, kam mir der Gedanke, ich könne danach einen
Scherenschnitt machen. Von Helga dann ebenso. Beiliegende Köpfe sind das
Ergebnis. Die Kinder meinen, sie wären ähnlich. Ich weiß nicht, ob Du derselben
Meinung bist. Es ist ja auch nur eine Spielerei.
Mit den Päckchen sind wieder einige Zeitungen auch für Dich
gekommen. In der einen Koralle wirst Du Dich wahrscheinlich über einen großen
Fettfleck wundern. Da hat Jörg flüssiges Wachs drauf geschüttet, als er sich
davon einen Fisch formen wollte. Einige JZ sind auch da. Auch diese schicke ich
Dir bald zu.
Ganz so zeitig werde ich die nächsten Tage nicht aufstehen.
Ich muss doch auch die Ferien ein Bisschen ausnutzen. Außerdem spare ich
dadurch schon Licht. Heute Morgen kamen die Kinder schon ¾ 8 Uhr ins
Schlafzimmer und meinten, ob ich nicht aufstehen würde, sie hätten schon so
Appetit auf den Streuselkuchen. Sie könnten es gar nicht mehr abwarten. Lange
habe ich sie dann nicht mehr zappeln lassen.
Nun schließe ich wieder. Ich bringe den Brief noch fort,
denn sonst müsste ich morgen früh doch um 6 raus. Und früh soll er doch fort
kommen. Hoffentlich hast Du diesen Sonntag auch soweit angenehm verbracht. So
schön wie zum ersten Advent wird es ja wohl nicht gewesen sein. Du wirst mir ja
davon schreiben.
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