Mittwoch, 3. Januar 2018

Brief 475 vom 20.12.1942


Mein liebsterErnst!                                        Konstanz, 20.12.42

Der 4. Advent ist nun schon herangekommen. Eigentlich ist er schon gleich vorbei, denn es ist schon abends ½ 9 Uhr. Ich will Dir nun vom heutigen Tag berichten. Am Morgen sind wir um 8 Uhr aufgestanden, haben dann gegessen und ich habe aufgeräumt. Ich hatte es mir für heute vorgenommen, weil ich die vergangenen Tage immer nicht recht dazu gekommen bin. Am Vormittag brachte mir der Briefträger 1 Brief mit Schreibpapier von Dir und 2 Pakete und 1 Einschreibebrief von Papa. Im Brief war ein Wandkalender mit Postkarten und ein Schleifstein. In den Paketen waren Zeitungen und Romane.
2 Bände „Gottesferne“ von Bloem für uns Beide
1 Buch „Servus Kumpel“               für uns Beide
1 Buch „Nacht über Sibirien“ (Da wir das schon einmal haben, werde ich es sicher Kurt schenken. Ich habe sowieso nicht viel für ihn.)
1 Paar Fausthandschuhe (von denen ich Dir schon schrieb)
Einige Rasierklingen für Dich
2 Paar Einlegesohlen für Dich
1 Schachtel Patentknöpfe für Dich
1 italienische Briefmarke für Dich
1 Sagenbuch für Helga
1 Buch „Kampf um die Erzbahn“ für Jörg
Außerdem einige Pfefferkuchen für uns alle.
Da es doch nichts zu kaufen gibt, haben sie auch noch einige ältere Spielsachen mitgeschickt.
1 Lederumhängetasche und Stammbuchblumen für Helga, die Frau Lotte noch aus ihrer Jugendzeit aufgehoben hatte, ebenso ein Dominospiel für beide Kinder.
Papa hatte noch Winterhilfsabzeichen mitgeschickt. Als ich die Schachtel den Kindern rausbrachte, wusste ich nicht, dass in der Schachtel unten die Stammbuchblumen drin waren. Ich habe sie also Helga jetzt schon gegeben und sie hat sich wirklich sehr darüber gefreut, da das schon lange mal ihr Wunsch war, aber die gibt es doch jetzt nicht mehr.
Für Jörg hat Papa noch einen älteren Steinbaukasten mitgeschickt und 3 Kriegsbücher von Siegfried.
Papa schreibt, dass ssie uns gern noch mehr geschickt hätten, aber es gäbe ja wirklich nichts. Und solch altmodischen Kram, wie er jetzt manchmal verkauft und leider auch gekauft wird, wollen sie nicht schenken. Das möchte ich auch gar nicht haben. Dass sie kein Spielzeug bekommen, das glaube ich gern, denn das ist auch bei uns schon selten und dann wird es ja auf der Kinderkleiderkarte vermerkt.
Die Frau Lotte schreibt: „Wie Papa bereits mitteilt, ist das Päckchen gut angekommen. Es war tatsächlich eine Überraschung, zumal auch ich damit eine Freude bereitet bekam. Ich danke recht herzlich dafür. Herzliche Grüße soll ich auch an Dich von ihr bestellen.
Vater wollte doch gestern rauf kommen und auch gleich den Dreifuß mitbringen. Er kam aber dann doch nicht. Darum habe ich die Kinder heute Nachmittag runter geschickt. Da war Vater gerade noch bei den Backvorbereitungen. Er will doch auch noch Stolle backen. Da wird er wahrscheinlich Nachtschicht einlegen.
Als die Kinder heim kamen, hatte ich alles ein wenig weihnachtlich hergerichtet. Eine frische Tischdecke auf dem Tisch, darauf den Stern mit den Kerzen. Ringsherum die neuen Abzeichen. Auf jeden Teller noch zwei Stück Streuselkuchen, auf ein kleines Tellerchen etwas Kleingebäck und noch für jeden einen Apfel. Auf Deinem Platz stand Dein Bild im großen Rahmen. Da warst Du auch ein wenig dabei. Als die Kinder klingelten, habe ich gleich die Kerzen angezündet. Da hättest Du ihre Freude sehen müssen. Das hat ihnen so gefallen. Kerzenbeleuchtung ist aber auch so traulich. Als die Kerzen den Schatten von Jörg an die Wand warfen, kam mir der Gedanke, ich könne danach einen Scherenschnitt machen. Von Helga dann ebenso. Beiliegende Köpfe sind das Ergebnis. Die Kinder meinen, sie wären ähnlich. Ich weiß nicht, ob Du derselben Meinung bist. Es ist ja auch nur eine Spielerei.
Mit den Päckchen sind wieder einige Zeitungen auch für Dich gekommen. In der einen Koralle wirst Du Dich wahrscheinlich über einen großen Fettfleck wundern. Da hat Jörg flüssiges Wachs drauf geschüttet, als er sich davon einen Fisch formen wollte. Einige JZ sind auch da. Auch diese schicke ich Dir bald zu.
Ganz so zeitig werde ich die nächsten Tage nicht aufstehen. Ich muss doch auch die Ferien ein Bisschen ausnutzen. Außerdem spare ich dadurch schon Licht. Heute Morgen kamen die Kinder schon ¾ 8 Uhr ins Schlafzimmer und meinten, ob ich nicht aufstehen würde, sie hätten schon so Appetit auf den Streuselkuchen. Sie könnten es gar nicht mehr abwarten. Lange habe ich sie dann nicht mehr zappeln lassen.
Nun schließe ich wieder. Ich bringe den Brief noch fort, denn sonst müsste ich morgen früh doch um 6 raus. Und früh soll er doch fort kommen. Hoffentlich hast Du diesen Sonntag auch soweit angenehm verbracht. So schön wie zum ersten Advent wird es ja wohl nicht gewesen sein. Du wirst mir ja davon schreiben.
Ich grüße Dich wieder ganz herzlich und küsse Dich viele, viele Male ganz fest, mein lieber, lieber Ernst, Deine Annie.

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