Mittwoch, 3. Januar 2018

Brief 473 vom 18.12.1942


Mein liebsterErnst!                                        Konstanz, 18.12.42

Heute Morgen brachte mir der Briefträger von Dir, aber durch Herrn Türk geschickt, 120.-Mk. Auf 100.-Mk. war ich ja gefasst, aber für was sind die restlichen 20.-Mk. Soll ich da was besorgen oder sind die auch noch für uns? Das musst Du mir noch schreiben. Ich danke Dir heute nochmals dafür, dass Du uns ein so großes Geschenk machst. Aber nicht wahr, lieber Ernst, wenn Du ja was davon brauchen solltest, weil Du doch, als Du das Geld fortschicktest, noch nicht gewusst hast, dass Du jetzt nicht mehr zu reichliches Essen bekommst und Dir vielleicht, wenn Du etwas bekommst, etwas kaufen musst, so schreibe es mir. Aber ganz bestimmt.
Von Papa kam ein großer Einschreibebrief, darin waren 1 Paar Stoff-Fausthandschuhe und ein Reclambändchen für Dich. Papa schreibt, sie hätten 2 Pakete an uns abgesandt, da wären aber die Handschuhe und das Heft nicht mehr reingegangen, darum würden sie die Sachen extra schicken. Wenn Du die Handschuhe brauchen kannst, schicke ich sie Dir nach Weihnachten mit zu.
Heute Nachmittag erhielt ich Deinen lieben Brief vom 6.12. Es war gerade der Nikolaustag. Wie kann ich mich ärgern, dass Dein Nikolausbrief  an die Kinder, von dem Du wieder schreibst, nicht angekommen ist. Aber glaubst Du, es wird bestimmt so sein, jemand hat vielleicht den Brief gegen das Licht gehalten und das Geld gesehen. Darum haben sie ihn weggenommen. Ich kann mir nun fast nicht mehr denken, dass er noch ankommt. Es ist ja sehr schade drum.
Es ist ja gut, dass Du den Kopfschützer bisher noch nicht gebraucht hast, denn, als Du den Brief schriebst, war er ja noch nicht bei Dir. Da hättest Du also frieren müssen, wenn die Kälte groß gewesen wäre. Es kann ja sein, dass Du inzwischen doch noch hast frieren müssen, denn die Päckchen werden nicht viel vor Weihnachtendort ankommen und Kurt sagt, dass es bei ihnen ziemlich kalt war. Viel danken brauchst Du mir nicht, dass ich Dir den Kopfschützer gemacht habe (wenn ich mich auch darüber freue) denn ich habe Dich doch lieb und da macht es mir viel Freude, wenn ich etwas für Dich schaffen kann. Das darfst Du wirklich glauben.
Du machst mir da ja schöne Enthüllungen über das Bild, das Du mir geschickt hattest. Du schreibst zwar, ich soll deshalb nicht lachen und auch nicht so genau hinsehen, aber das habe ich nun doch getan. Aber deshalb ist mir das Bild noch genau so lieb, höchstens dass ich ein wenig schmunzeln muss, wenn ich es ansehe. Aber das tut Dir doch nicht weh, nicht wahr, Du lieber Kerl?
Wenn die von Dir gesandten Zigarren ankommen, werde ich vorsichtig mit ihnen umgehen, denn billig sind sie ja wirklich nicht. Ich werde sie auch gut einteilen.
Heute Nachmittag war ich mit den Kindern im Märchenfilm „Heinzelmännchen“ Außer diesem Film wurden noch 2 Filme der Hohensteiner Puppenspieler gebracht und der Film „Der Wolf und die 7 Geißlein“. Es war alles ganz nett. Hinterher sind wir einkaufen gegangen. Ich wollte für Jörg doch eine Skimütze kaufen, damit er auch eine für Sonntags hat. Aber es war nichts zu machen. Heute Morgen war ich mit Jörg, den ich von der Schule abholte, auch schon in der Stadt. Aber wir konnten nur die Hälfte der Sachen, die wir einkaufen wollten, bekommen, da manche Geschäfte zu hatten. Aber auch so hatten wir mancherlei zu tragen. Bei Tengelmann habe ich auf die Sonderzuteilung 1 kleine Flasche Nordhäuser bekommen. Der ist doch sicher nicht schlecht. Ich möchte ihn Vater schenken, da er doch sowas ganz gern trinkt.
Jetzt möchte ich Dir noch was von den Kindern erzählen. Wie Du weißt, händeln sich doch unsere Kinder manchmal. So auch gestern, als Kurt da war. Er sagte: „was seid ihr denn für Kinder?“ Als Kurt fort war, sagte ich zu den Kindern „Seht ihr, so bös seid ihr, immer müsst ihr euch zanken.“ Da meinte Helga „Warum wollen sie denn da alle Briefe von uns?“ (Siegfried hatte doch vor kurzem auch geschrieben, sie sollten ihm mal schreiben.)
Im Radio wurde ein Stück von Haydn gespielt. Helga fragte, wie er denn mit Vornamen heißt. Ich kam einfach nicht drauf. Wir sprachen von was anderem, am nächsten Morgen sagte Jörg plötzlich „ Haydn heißt Josef mit Vornamen.“ Ich habe mich direkt gewundert, dass er sich deshalb Gedanken gemacht hat. Mir kam auch so der Gedanke, wie viel doch die Kinder schon kennen, von was wir früher keine Ahnung hatten.  Das Radio macht doch viel aus. Ich wundere mich manchmal, was für Lieder und auch Musikstücke die Kinder schon kennen. Es schadet ja nichts.
Wir waren heute Nachmittag auch einmal in der Weihnachtsausstellung der HJ. Aber da ist wirklich geschafft worden. Was es da nicht alles gibt und wirklich schöne Sachen. Mehrere hundert Stück, wenn da reicht, ich glaube, es geht schon in die Tausend. Pferdchen, Bären, Hunde, Panzer, Pferde mit Wagen, Flieger, Burgen, Tankstellen, Puppen, Wagen, Schaukeln, Wiegen, Puppenküchen, Bausteine, also kurzum alles, was sich denken lässt. Die Ausstellung hat auch zu manchem Anstoß gegeben. Jörg hat sich heute Abend gleich hingestellt und hat sich eine Tankstelle gemacht. Rollen hatten wir ein paar da, dazu noch 2 viereckige Brettchen oben und unten, an der Seite ein Stück Bindfaden als Schlauch, das Ganze angemalt und ARAL draufgeschrieben, schon ist sie fertig. Natürlich habe ich Bisschen beim Sägen helfen müssen. Helgas Wagen haben wir übrigens auch geändert. Es ist eine Wiege daraus geworden. An dem Korb sind unten 2 Kleiderbügel befestigt. Das gibt eine prima Wiege und es nimmt nicht so viel Platz weg.
Nun lass mich wieder schließen. Es ist schon wieder spät geworden. Der Brief ist nicht ganz so geworden, wie ich ihn gern gehabt hätte, aber ich habe heute einen benommenen Kopf. Mir ist es heute nicht ganz gut und da weißt Du ja, dass ich da öfter Kopfweh habe. Nimm also so vorlieb.
Ich grüße und küsse Dich wieder recht herzlich und denke immer an Dich Deine Annie.

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