Mein liebsterErnst! Konstanz, 11.12.42
Vorhin bekam ich Deine beiden Briefe vom 21. Und 28.1. Ich
danke Dir sehr dafür.
Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht, ob Du auch richtig
hinkommst. Es ist doch immerhin einen sehr lange Strecke. Ich war sehr froh,
als ich Deinen ersten Brief von dort bekam.
Der Brief, den Du den Kindern zum Nikolaus geschrieben hast,
ist noch nicht angekommen. Vielleicht trifft er doch noch ein, es wäre schade,
wenn er verloren gegangen sein sollte.
Den Brief von und an Siegfried habe ich gelesen. Dir
gegenüber hat er sich ein Bisschen ausführlicher über das Verhältnis zu der
Frau meines Vaters ausgesprochen. Ich muss sagen, ich kann mir noch kein
rechtes Bild von der Frau machen. Nach den Zeilen von ihr zu urteilen, gibt sie
sich Mühe, uns näher zu kommen, nach dem Brief von Siegfried ist es aber so,
dass sie gegen Erna hetzt. Ich muss ja sagen, ich lege keinen großen Wert auf
die Freundschaft mit der Frau. Es ist aber auch so, dass Papa auch ohne einen
Einfluss von anderer Seite von jeher so war, dass er immer für jemanden nur
eine Weile begeistert ist und ihn dann auf einmal nicht mehr richtig leiden
kann. Du weißt ja, dass er es auch bei mir nicht anders gemacht hat und dass
ich immer andere als Vorbild hingestellt bekommen habe. Ich sagte ja schon
früher einmal, „Papa ist ja schrecklich begeistert von Erna und kann gar nicht
genug loben. Hoffentlich hält das auch an“. Es hat nicht angehalten, denn jetzt
gehört ja Erna zur Familie, da ist es nichts Besonderes mehr. In der Beziehung
hat Siegfried Recht, Papa vergisst sehr schnell, denn sonst könnte er doch
nicht mit fester Überzeugung erzählen, dass Mama und er immer glücklich
zusammen gelebt hätten. Das viele Leid, das er Mama zugefügt hat, ist schon
lange bei ihm vergessen. Und Du weißt ja, er hat auch schon längst vergessen,
wie er immer gegen Dich eingestellt war. Aber Schluss damit, das kennen wir ja
alles schon auswendig.“
Den Film „Der große König“ haben wir ja auch gesehen. Mir
hat er auch ganz gut gefallen.
Einen Brief habe ich Dir am 7.11. geschrieben. Es ist der
Flugpostbrief, den Du wahrscheinlich inzwischen über die Nummer 00220 erhalten
haben wirst. Er hat ja nun genug Unruhe gestiftet und ich hoffe, dass er
endlich bei Dir landet und nicht mehr in der Welt herumreist.
Das Päckchen mit dem Löffel und der Bürste ist also auch
angekommen. Man ist immer wieder froh, wenn man das hört. Vielmals erzählen die
Leute, was alles verloren gegangen ist auf dem Weg zur Front, da wird man ganz
ängstlich.
Ich habe doch heute Lebensmittelkarten geholt, dabei hat man
auch die Sonderzuteilungskarten erhalten und denke Dir, für die Kinder von 3 –
10 Jahren, zu denen ja auch Jörg gehört, gibt es 1 Pfund Bienenhonig. Ist das
nicht sehr schön? Ich habe mich
jedenfalls sehr gefreut. Ich meine, zu beanspruchen hat man ja so
Sonderzuteilungen nicht. Im 4. Kriegsjahr ist man ja froh, wenn man immer zu
essen hat.
Es gibt ja immer wieder Leute, die auch bei den Zulagen zu
maulen haben, aber ich muss sagen, ich freue mich sehr. Das ist doch auch ein
richtiges Weihnachtsgeschenk.
Heute haben wir auch wieder richtig nebliges Wetter, dabei
ist es aber kälter, als in den letzten Tagen. Alle Bäume sind voller Reif.
Die Zeitungen für Dich habe ich heute auch bekommen. Ich
nehme sie nachher gleich mit in die Stadt. Da bekommst Du sie vielleicht bald.
Ich grüße und küsse Dich nun wieder recht herzlich und denke
immer an Dich, Deine Annie.
Ich habe die letzten
Tage immer versäumt, auf den Brief von Nannie zurückzukommen. Was meinst Du
eigentlich zu ihrem Vorschlag wegen eines Steines für das Grab Deiner Mutter?
Am Geld liegt es ja nicht, denn das hätten wir ja da, auch wenn die anderen
nichts dazu geben würden. Es war ja Deine Mutter, da wäre es uns doch auch
bestimmt nicht zu viel. Schreib mir doch bitte mal darüber.
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