Mittwoch, 3. Januar 2018

Brief 466 vom 11.12.1942


Mein liebsterErnst!                                        Konstanz, 11.12.42

Vorhin bekam ich Deine beiden Briefe vom 21. Und 28.1. Ich danke Dir sehr dafür.
Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht, ob Du auch richtig hinkommst. Es ist doch immerhin einen sehr lange Strecke. Ich war sehr froh, als ich Deinen ersten Brief von dort bekam.
Der Brief, den Du den Kindern zum Nikolaus geschrieben hast, ist noch nicht angekommen. Vielleicht trifft er doch noch ein, es wäre schade, wenn er verloren gegangen sein sollte.
Den Brief von und an Siegfried habe ich gelesen. Dir gegenüber hat er sich ein Bisschen ausführlicher über das Verhältnis zu der Frau meines Vaters ausgesprochen. Ich muss sagen, ich kann mir noch kein rechtes Bild von der Frau machen. Nach den Zeilen von ihr zu urteilen, gibt sie sich Mühe, uns näher zu kommen, nach dem Brief von Siegfried ist es aber so, dass sie gegen Erna hetzt. Ich muss ja sagen, ich lege keinen großen Wert auf die Freundschaft mit der Frau. Es ist aber auch so, dass Papa auch ohne einen Einfluss von anderer Seite von jeher so war, dass er immer für jemanden nur eine Weile begeistert ist und ihn dann auf einmal nicht mehr richtig leiden kann. Du weißt ja, dass er es auch bei mir nicht anders gemacht hat und dass ich immer andere als Vorbild hingestellt bekommen habe. Ich sagte ja schon früher einmal, „Papa ist ja schrecklich begeistert von Erna und kann gar nicht genug loben. Hoffentlich hält das auch an“. Es hat nicht angehalten, denn jetzt gehört ja Erna zur Familie, da ist es nichts Besonderes mehr. In der Beziehung hat Siegfried Recht, Papa vergisst sehr schnell, denn sonst könnte er doch nicht mit fester Überzeugung erzählen, dass Mama und er immer glücklich zusammen gelebt hätten. Das viele Leid, das er Mama zugefügt hat, ist schon lange bei ihm vergessen. Und Du weißt ja, er hat auch schon längst vergessen, wie er immer gegen Dich eingestellt war. Aber Schluss damit, das kennen wir ja alles schon auswendig.“
Den Film „Der große König“ haben wir ja auch gesehen. Mir hat er auch ganz gut gefallen.
Einen Brief habe ich Dir am 7.11. geschrieben. Es ist der Flugpostbrief, den Du wahrscheinlich inzwischen über die Nummer 00220 erhalten haben wirst. Er hat ja nun genug Unruhe gestiftet und ich hoffe, dass er endlich bei Dir landet und nicht mehr in der Welt herumreist.
Das Päckchen mit dem Löffel und der Bürste ist also auch angekommen. Man ist immer wieder froh, wenn man das hört. Vielmals erzählen die Leute, was alles verloren gegangen ist auf dem Weg zur Front, da wird man ganz ängstlich.
Ich habe doch heute Lebensmittelkarten geholt, dabei hat man auch die Sonderzuteilungskarten erhalten und denke Dir, für die Kinder von 3 – 10 Jahren, zu denen ja auch Jörg gehört, gibt es 1 Pfund Bienenhonig. Ist das nicht sehr  schön? Ich habe mich jedenfalls sehr gefreut. Ich meine, zu beanspruchen hat man ja so Sonderzuteilungen nicht. Im 4. Kriegsjahr ist man ja froh, wenn man immer zu essen hat.
Es gibt ja immer wieder Leute, die auch bei den Zulagen zu maulen haben, aber ich muss sagen, ich freue mich sehr. Das ist doch auch ein richtiges Weihnachtsgeschenk.
Heute haben wir auch wieder richtig nebliges Wetter, dabei ist es aber kälter, als in den letzten Tagen. Alle Bäume sind voller Reif.
Die Zeitungen für Dich habe ich heute auch bekommen. Ich nehme sie nachher gleich mit in die Stadt. Da bekommst Du sie vielleicht bald.
Ich grüße und küsse Dich nun wieder recht herzlich und denke immer an Dich, Deine Annie.

Ich habe die letzten Tage immer versäumt, auf den Brief von Nannie zurückzukommen. Was meinst Du eigentlich zu ihrem Vorschlag wegen eines Steines für das Grab Deiner Mutter? Am Geld liegt es ja nicht, denn das hätten wir ja da, auch wenn die anderen nichts dazu geben würden. Es war ja Deine Mutter, da wäre es uns doch auch bestimmt nicht zu viel. Schreib mir doch bitte mal darüber.

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