Mein liebster Ernst! Konstanz,
27.7.42
Post habe ich ja keine bekommen, aber sonst habe ich dir zu
erzählen. Erstens muss ich dir sagen, dass ich mich sehr freue, dass Erna da
ist. Ich verstehe mich mit ihr prima und wir haben schon manchen Spaß
miteinander gehabt. Erna hilft mir immer mit, und so ist die Arbeit schneller
gemacht und ich habe auch freie Zeit. Heute Morgen bin ich noch etwas einkaufen
gefahren, dann haben wir zusammen Bohnen gepflückt, haben sie geschnipselt und
Kartoffeln geschält. Wir konnten bald essen und sind dann gegen 1 Uhr in die
Stadt gegangen. Wir haben uns soweit alles angesehen. Um 2 bin ich auf´s
Rentamt gegangen und habe für Vater eine Rechnung bezahlt. Dann sind wir in die
Eisdiele gegangen und haben Eis gegessen. Dann haben wir die Kinder zum Scala
gebracht, wo ein Film, „Das große Spiel“ gegeben wurde, wo Kinder hin durften,
während wir in „Die Hochzeit im Bärenhof“ mit Heinrich George, Paul Wegener,
Ilse Werner, Ernst von Klipstein, waren. Das haben wir wirklich nicht zu bereuen
brauchen. Es war einfach wunderbar. Erstens mal spannend und dann so, dass man
einfach mitleben musste. Zum Lachen gab es auch manches. Eine gute Mischung.
Nach dem Kino haben wir die Kinder getroffen und haben dann nochmal für 20 Pfg.
Eis gegessen. Wir waren noch bei Tengelmann und sind dann heimgegangen. Da
haben wir gegessen und sind dann noch auf den Bismarckturm gegangen, wo wir
zwei Taschen voll Lindenblüten gepflückt haben. ½ 10 Uhr waren wir wieder
zuhause, wo die Kinder in´s Bett gegangen sind. Wir haben uns nun an´s
Schreiben gesetzt. Es ist nun 11 Uhr. Nachher bringen wir die Briefe noch fort.
Morgen, wenn es schön ist, wollen wir nach der Mainau und
nach Meersburg. Wir nehmen uns etwas Brot mit und abends essen wir die
Makkaroni, die Erna mitgebracht hat. Sie hat auch noch einige Pfund Zucker,
Kunsthonig und eine Dose Fisch mitgebracht. Für mich brachte sie einen
Briefhalter mit und von Papa eine schwarze, etwas gemusterte Halskette und ein
Armband für mich.
Wir haben uns heute von Papa unterhalten, und Erna hat sehr
vernünftige Ansichten. Sie spricht gar nicht gehässig von ihm und sagt auch,
dass er sehr viele gute Seiten hat. Sie musste aber dieselben Erfahrungen mit
ihm machen, wie wir, dass er wohl schimpfen, aber selber nichts einstecken will.
Als du von Leipzig weggegangen warst, hat Papa auch gemeint, du hättest Erna
aufgehetzt. Ein Zeichen davon, wie schlecht er dich kennt. Aber mir geht es ja
nicht besser, schrieb er doch im vorletzten Brief, dass er glaubt, dass wir
über ihn herziehen würden. Aber wenn man sich über die Sache unterhält, ist es
doch kein herziehen. Man kann ja nicht um alles wie um einen heißen Brei
herumgehen.
Erna ist ja mit dem Fräulein Lotte per Du. Nicht auf ihre
Veranlassung, aber damit kein Krach wird, weil es Papa vorgeschlagen hat.
Siegfried mag das Fräulein gar nicht und ist auch per Sie. Ein komisches Ding
muss das Fräulein ja schon sein, denn wenn Erna ihr Kaffee nachgießen wollte,
hat sie das entsetzt abgewehrt und gemeint „nein, nein, ich will doch noch einen
Mann haben“. Erna meint wir sollen jetzt die ganze Sache ruhen lassen.
Erna hat auch von deinem Besuch berichtet. Was du alles
erzählt hast, wie ihr fortgegangen seid usw. Sie kann dich gut leiden.
Ich bin heute von der N.S.V. verpflichtet worden, jede Woche
2 Stunden im Ziegelhof zu schaffen. Es werden Knöpfe an Uniformen angenäht
usw. Das ist Arbeit für eine Firma, da
aber der Platz fehlt, wird im Ziegelhof geschafft. Das Geld habe ich dem Roten
Kreuz zur Verfügung gestellt. Wenn ich jeden Tag schaffen müsste, würde ich es
selber nehmen, aber so nicht. Weigern kann man sich nicht, dass man die Arbeit
nicht machen will. Es ist Kriegsdienst. Es wird gearbeitet von früh 8 Uhr bis
abends 8 Uhr jeweils 2 Stunden. Wenn man mehr tut, sind sie auch nicht böse. Ich
schaffe mal die 2 Stunden und mache es gern, denn es hat mich schon manchmal
bedrückt, dass ich so nirgends mithelfe.
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