Donnerstag, 13. Juli 2017

Brief 371 vom 6.7.1942


Mein liebster Ernst !                                                  Konstanz, 6.7.42

Es war so, wie ich gestern früh kurz schrieb, ich bin gestern nicht mehr zum Schreiben gekommen. Ich habe gebügelt, gewaschen, gestopft. Gestern Abend um 11 Uhr war ich mit allem soweit fertig. Heute Vormittag war ich nun im Garten, habe alles geharkt und Unkraut raus gemacht. Bis zu den unteren Erdbeeren bin ich gekommen. Die will ich Morgen machen. Am Nachmittag war es zu heiß zum Schaffen. Da ich sowieso in die Stadt musste, bin ich in den Film „Dorf im roten Sturm“ gegangen. Kinder durften nicht mit. Da sind sie zuhause geblieben. Ich hatte erst ein wenig Sorge deshalb, aber sie waren so brav. Als ich Heim kam, war ein Zettel an der Küchentür befestigt, der sieht so aus:

Liebes Mütterlein
Komm herein
Freud dich über uns
Kinderlein

Auf dem Tisch lag ein Zettel und lauter Studentenblumen lagen rings herum. Auf dem Zettel stand:
Mütterlein
Komm herein
Heute wollen wir
Fröhlich sein

An der Schlafzimmertür hatte Jörg noch einen Zettel befestigt: Sei heut fröhlich.
Als ich die Küche betrat, wurde ich noch mit einem Lied empfangen. Schöner kann man doch nicht begrüßt werden. Dazu hatte Helga noch abgewaschen und Jörg seine Schulaufgaben gemacht. Ich habe mich bestimmt sehr gefreut.
Gestern Morgen haben doch die Kinder den Brief für dich in die Stadt gebracht. Ich habe ihnen je 20 Pfg. mitgegeben und ihnen gesagt, sie können sie verbrauchen, wie sie wollen, entweder zu Eis, oder sie können sich wiegen usw. Am Mittag kamen sie wieder Heim. Da haben sie sich für das Geld die Wochenschau angesehen. Ich konnte die Wochenschau ja heute auch sehen. Bei den Kämpfen um Sewastopol haben sie ja kolossale Geschütze gehabt. Schon beim Sehen kann man sich die ungeheure Wucht vorstellen. Furchtbar hart müssen diese Kämpfe gewesen sein. Ich habe mir da heute gerade einen Vortrag im Radio angehört.
Einige Tage habe ich jetzt keinen Brief erhalten. Ich warte so sehr darauf. Wie schlimm muss es da für dich gewesen sein, einige Wochen nichts von uns gehört zu haben. Ich wünschte sehr, dich hier zu haben. Manchmal bin ich doch sehr einsam, trotz der Kinder. Von allem kann man doch nicht mit ihnen reden. Aber man muss sich damit trösten, dass es ja noch vielen anderen auch so geht und du hast es ja auch nicht leichter.
Nun grüße und küsse ich dich wieder recht herzlich  Deine Annie.

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