Mein liebster Ernst ! Konstanz, 6.7.42
Es war so, wie ich gestern früh kurz schrieb, ich bin
gestern nicht mehr zum Schreiben gekommen. Ich habe gebügelt, gewaschen,
gestopft. Gestern Abend um 11 Uhr war ich mit allem soweit fertig. Heute Vormittag
war ich nun im Garten, habe alles geharkt und Unkraut raus gemacht. Bis zu den
unteren Erdbeeren bin ich gekommen. Die will ich Morgen machen. Am Nachmittag
war es zu heiß zum Schaffen. Da ich sowieso in die Stadt musste, bin ich in den
Film „Dorf im roten Sturm“ gegangen. Kinder durften nicht mit. Da sind sie
zuhause geblieben. Ich hatte erst ein wenig Sorge deshalb, aber sie waren so
brav. Als ich Heim kam, war ein Zettel an der Küchentür befestigt, der sieht so
aus:
Liebes Mütterlein
Komm herein
Freud dich über uns
Kinderlein
Auf dem Tisch lag ein Zettel und lauter Studentenblumen
lagen rings herum. Auf dem Zettel stand:
Mütterlein
Komm herein
Heute wollen wir
Fröhlich sein
An der Schlafzimmertür hatte Jörg noch einen Zettel
befestigt: Sei heut fröhlich.
Als ich die Küche betrat, wurde ich noch mit einem Lied
empfangen. Schöner kann man doch nicht begrüßt werden. Dazu hatte Helga noch
abgewaschen und Jörg seine Schulaufgaben gemacht. Ich habe mich bestimmt sehr
gefreut.
Gestern Morgen haben doch die Kinder den Brief für dich in
die Stadt gebracht. Ich habe ihnen je 20 Pfg. mitgegeben und ihnen gesagt, sie
können sie verbrauchen, wie sie wollen, entweder zu Eis, oder sie können sich
wiegen usw. Am Mittag kamen sie wieder Heim. Da haben sie sich für das Geld die
Wochenschau angesehen. Ich konnte die Wochenschau ja heute auch sehen. Bei den
Kämpfen um Sewastopol haben sie ja kolossale Geschütze gehabt. Schon beim Sehen
kann man sich die ungeheure Wucht vorstellen. Furchtbar hart müssen diese
Kämpfe gewesen sein. Ich habe mir da heute gerade einen Vortrag im Radio
angehört.
Einige Tage habe ich jetzt keinen Brief erhalten. Ich warte
so sehr darauf. Wie schlimm muss es da für dich gewesen sein, einige Wochen
nichts von uns gehört zu haben. Ich wünschte sehr, dich hier zu haben. Manchmal
bin ich doch sehr einsam, trotz der Kinder. Von allem kann man doch nicht mit
ihnen reden. Aber man muss sich damit trösten, dass es ja noch vielen anderen
auch so geht und du hast es ja auch nicht leichter.
Nun grüße und küsse ich dich wieder recht herzlich Deine Annie.
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