Sonntag, 2. Juli 2017

Brief 369 vom 2./3.7.1942


Mein liebster Ernst!                                                                           Konstanz, 2.7.42

Am Nachmittag erhielt ich Deinen lieben Brief vom 20.6. An diesem Tag hattest Du ja endlich wieder einmal reichlich Post von uns erhalten.
Das Verhältnis zwischen Papa, Siegfried und mir hat sich ja inzwischen soweit geklärt, dass Siegfried ziemlich das tut, zu was ich ihm geraten hatte. Mit papa komme ich ja nicht gleich ins Reine, das sehe ich schon. Ich werde ja sehen, was er auf meinen letzten Brief schreibt. Gequält hat mich die ganze Sache ja schon sehr, und mein Kopf war manchmal wie ausgebrannt. Aber ich denke, dass ich das Schlimmste hinter mir habe. Ich werde es schon selber noch durchfechten. Vielleicht ist es am besten, daß du auf alles gar nicht erste eingehst, wenn nichts Besonderes kommt. Bei dem Entschluss, schon im Herbst zu heiraten, hat das Fräulein bestimmt viel mitgewirkt. Sie will eben so schnell als möglich heiraten. Wenn Papa noch oft von dem ganzen Kram schreibt, teile ich ihm mit, dass ich nicht mehr darauf eingehe.
Heute Morgen habe ich wieder zwei Zeitungen an dich abgeschickt. Die „Post“ und „Das Reich“ war noch nicht da. Ich bekomme es am Samstag. Während die Kinder am Nachmittag im Turnen waren, bin ich im Kino gewesen. „Der ungetreue Ekkehard“ mit Hans Moser, Rudi Godden und Theo Lingen wurde gespielt. Man hat viel lachen müssen.
Heute Abend habe ich noch Marmelade gekocht. Drei Pfund Stachelbeeren habe ich vom großen Bäumchen auch noch abgemacht, weil es zu voll hängt. Die koche ich morgen ein. Bis jetzt habe ich im ganzen 14 Pfund Stachelbeeren und 16 ½ Pfund Jonannisbeeren abgemacht. Morgen bekommen wir auf die Mangelkarte Fisch zugeteilt. Da muss ich gleich um 8 Uhr fahren, damit ich evtl. Felchen erwische.

                                                                                                                        3.7.

Gerade komme ich wieder Heim. Es ist ½ 10 Uhr. Seit um 8 habe ich nach Fischen angestanden. Aber ich habe auch 6 schöne Silberfelchen bekommen. Das wird ein gutes Essen heute, zwar auch ein bißchen teuer. Aber einmal können wir uns das schon leisten. Am Nachmittag gibt es wahrscheinlich Kirschen. Da möchte ich auch für Vater mal welche mitbringen, denn abends bekommt er nie mehr welche. Seine Karte habe ich ja hier. Man verläuft bei diesen Sachen ja viel Zeit. Nur gut, dass ich das Rad habe.
Für heute grüße und küsse ich dich wieder recht herzlich, Deine annie.

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