Dienstag, 25. Juli 2017

Brief 381 vom 19.7.1942


Mein liebster Ernst!                                                     Konstanz, 19.7.42

Der halbe Sonntag ist wieder vorbei. Die Kinder waren am Vormittag in der Wochenschau, während ich zuhause meine Arbeit erledigt habe. Bei dem Gang nach dem Kino ist den Kindern noch ein kleines Missgeschick passiert. Beide sind fortgegangen. Am Schneckenbuckel angekommen, musste Helga nochmals auf´s Klo. Sie geht zurück. Jörg läuft einstweilen weiter bis zum Bettelgässle. Helga weiß nicht, dass er dortrum ist und geht den Schneckenbuckel runter. Nach einer ¼ Std. kommt Jörg und fragt, wo denn Helga bleibt. Als ich sage, dass sie schon längst fort ist, ist er ganz verbiestert. Er ist im Bettelgässle immer auf und ab gegangen. Um ihm nun zu helfen, habe ich gleich das Rad geholt und wollte ihn ein Stück fahren, bis wir Helga sehen. Den Schneckenbuckel runter sind wir auch gekommen, dann habe ich Panne bekommen, weil sich ein Nagel in den Reifen gebohrt hat. Also musste Jörg allein weitergehen und ich bin wieder heim, wo ich erst gleich mal mein Rad repariert habe. Wie mir die Kinder vorhin sagten, ist Jörg gerade 5 Minuten vor Anfang des Films angekommen. Helga hatte auch schon geheult, weil sie Jörg verloren hatte und außerdem hatte er doch das Geld.
Von Kurt habe ich heute einen Brief bekommen. Ich habe noch nicht mal seinen ersten beantwortet, aber nachher will ich ihm gleich schreiben. Er weiß ja auch diene Adresse nicht mehr, trotzdem ich sie ihm schon ein paar Mal gesagt und geschrieben habe. Er verlegt die Zettel immer wieder und ins Notizbuch schreibt er es nie, trotzdem er eins hat. Kurt ist jetzt wieder bei seiner alten Kompanie und muss auch wieder Dienst mitmachen. So streng, wie die Rekruten hat er es aber nicht, schreibt er, das Verwundetenabzeichen mache schon etwas aus.
Ich sitze jetzt hier mit ganz wilden Haaren herum, ich hab sie nämlich soeben gewaschen und will sie noch trocknen lassen. Helga kommt mit dem waschen auch gleich dran.
Das Wetter ist heute so halb und halb. Mit dem baden im Freien ist es schon seit einiger Zeit nichts, es ist immer etwas kühl. Vor allem hat´s öfter Gewitter und Regen.
Gestern hab ich im Garten hinterm Haus, wo die Setzlinge und die Erbsen standen, umgegraben und Rosenkohl hingepflanzt. Drüben im Garten kommen jetzt auch die Möhren, die ich noch gesät hatte. Dieses Jahr hab ich den Schwung im Garten schon mehr raus, wie im vergangenen. Voriges Jahr war ich natürlich auch krank und konnte nicht so schaffen, wie ich wollte. Dieses Jahr hab ich aber vor allem reichlich gesät und gesetzt, damit ich immer etwas zum Verbrauchen habe. Ich weiß auch jetzt besser, wie und was man gleich nachsetzen kann. Na ja, man wird mit der Zeit immer ein bißchen gescheiter. Meinst Du nicht auch?
In letzter Zeit haben wir uns wieder mal die Busch-Bücher heraus gesucht und schauen sie uns an. Man findet doch immer wieder Gefallen daran.
Im Garten haben wir jetzt auch wieder Blumen, Dahlien und Studentenblumen. Da müsstest Du Jörg wieder sehen. Immer fragt er, ob er sich nicht ein paar holen darf. Die bringt er dann herauf und stellt sie selber in eine Vase. Es gefällt ihm zu gut.
Vorhin war Helga noch bei Vater und hat die gestrige Zeitung geholt. Ich schicke sie dir doch hin, und Vater war gestern Abend mit lesen nicht fertig geworden. Da sagte ich ihm, dass er sie mitnehmen soll und die Kinder holen sie. Jörg war aber ein bißchen zu bequem dazu, so ist Helga allein gegangen. Den Nutzen hat Jörg zwar auch davon gehabt, denn Vater hat für jeden 10 Pfg. mitgegeben, trotzdem sie gestern Abend erst 15 Pfg. erhalten haben. Aber das Geld könne  sie ja immer brauchen. Sie haben mir heute schon angekündigt, dass sie mir morgen schon etwas zum Geburtstag kaufen wollen. Sie denken doch schon frühzeitig daran, nicht wahr?
Den Durchschlag von dem Brief an Kurt, den ich nachher noch schreiben will, schicke ich dir morgen mit, jetzt wird es zu spät, denn es ist gleich ½ 5, da wird doch der Briefkasten geleert.
Ich grüße und küsse Dich für heute wieder recht herzlich und hoffe, dass ich recht bald wieder einen Brief von Dir bekomme, Deine Annie.

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