Mein liebster Ernst! Konstanz, 19.7.42
Der halbe Sonntag ist wieder vorbei. Die Kinder waren am
Vormittag in der Wochenschau, während ich zuhause meine Arbeit erledigt habe.
Bei dem Gang nach dem Kino ist den Kindern noch ein kleines Missgeschick
passiert. Beide sind fortgegangen. Am Schneckenbuckel angekommen, musste Helga
nochmals auf´s Klo. Sie geht zurück. Jörg läuft einstweilen weiter bis zum
Bettelgässle. Helga weiß nicht, dass er dortrum ist und geht den
Schneckenbuckel runter. Nach einer ¼ Std. kommt Jörg und fragt, wo denn Helga
bleibt. Als ich sage, dass sie schon längst fort ist, ist er ganz verbiestert.
Er ist im Bettelgässle immer auf und ab gegangen. Um ihm nun zu helfen, habe
ich gleich das Rad geholt und wollte ihn ein Stück fahren, bis wir Helga sehen.
Den Schneckenbuckel runter sind wir auch gekommen, dann habe ich Panne
bekommen, weil sich ein Nagel in den Reifen gebohrt hat. Also musste Jörg
allein weitergehen und ich bin wieder heim, wo ich erst gleich mal mein Rad
repariert habe. Wie mir die Kinder vorhin sagten, ist Jörg gerade 5 Minuten vor
Anfang des Films angekommen. Helga hatte auch schon geheult, weil sie Jörg
verloren hatte und außerdem hatte er doch das Geld.
Von Kurt habe ich heute einen Brief bekommen. Ich habe noch
nicht mal seinen ersten beantwortet, aber nachher will ich ihm gleich
schreiben. Er weiß ja auch diene Adresse nicht mehr, trotzdem ich sie ihm schon
ein paar Mal gesagt und geschrieben habe. Er verlegt die Zettel immer wieder
und ins Notizbuch schreibt er es nie, trotzdem er eins hat. Kurt ist jetzt wieder
bei seiner alten Kompanie und muss auch wieder Dienst mitmachen. So streng, wie
die Rekruten hat er es aber nicht, schreibt er, das Verwundetenabzeichen mache
schon etwas aus.
Ich sitze jetzt hier mit ganz wilden Haaren herum, ich hab
sie nämlich soeben gewaschen und will sie noch trocknen lassen. Helga kommt mit
dem waschen auch gleich dran.
Das Wetter ist heute so halb und halb. Mit dem baden im
Freien ist es schon seit einiger Zeit nichts, es ist immer etwas kühl. Vor
allem hat´s öfter Gewitter und Regen.
Gestern hab ich im Garten hinterm Haus, wo die Setzlinge und
die Erbsen standen, umgegraben und Rosenkohl hingepflanzt. Drüben im Garten
kommen jetzt auch die Möhren, die ich noch gesät hatte. Dieses Jahr hab ich den
Schwung im Garten schon mehr raus, wie im vergangenen. Voriges Jahr war ich
natürlich auch krank und konnte nicht so schaffen, wie ich wollte. Dieses Jahr
hab ich aber vor allem reichlich gesät und gesetzt, damit ich immer etwas zum
Verbrauchen habe. Ich weiß auch jetzt besser, wie und was man gleich nachsetzen
kann. Na ja, man wird mit der Zeit immer ein bißchen gescheiter. Meinst Du
nicht auch?
In letzter Zeit haben wir uns wieder mal die Busch-Bücher
heraus gesucht und schauen sie uns an. Man findet doch immer wieder Gefallen
daran.
Im Garten haben wir jetzt auch wieder Blumen, Dahlien und
Studentenblumen. Da müsstest Du Jörg wieder sehen. Immer fragt er, ob er sich
nicht ein paar holen darf. Die bringt er dann herauf und stellt sie selber in
eine Vase. Es gefällt ihm zu gut.
Vorhin war Helga noch bei Vater und hat die gestrige Zeitung
geholt. Ich schicke sie dir doch hin, und Vater war gestern Abend mit lesen
nicht fertig geworden. Da sagte ich ihm, dass er sie mitnehmen soll und die
Kinder holen sie. Jörg war aber ein bißchen zu bequem dazu, so ist Helga allein
gegangen. Den Nutzen hat Jörg zwar auch davon gehabt, denn Vater hat für jeden
10 Pfg. mitgegeben, trotzdem sie gestern Abend erst 15 Pfg. erhalten haben.
Aber das Geld könne sie ja immer brauchen.
Sie haben mir heute schon angekündigt, dass sie mir morgen schon etwas zum
Geburtstag kaufen wollen. Sie denken doch schon frühzeitig daran, nicht wahr?
Den Durchschlag von dem Brief an Kurt, den ich nachher noch
schreiben will, schicke ich dir morgen mit, jetzt wird es zu spät, denn es ist
gleich ½ 5, da wird doch der Briefkasten geleert.
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