Dienstag, 25. Juli 2017

Brief 383 vom 21./22.7.1942


Mein liebster Ernst!                                                            Konstanz, 21.7.42

Eigentlich wollte ich heute Abend gar nicht mehr schreiben, aber es lässt mir keine Ruhe. Du wirst fragen, warum ich bei Tag nicht geschrieben habe. Da ging es nicht, du lieber Kerl. Ich habe fest genäht. Ich hatte doch ein Dirndlkleid (wie beiliegendes Muster). Das konnte ich nicht mehr anziehen, weil das Oberteil kaputt war. Der Rock war aber noch gut. Da habe ich für Helga noch ein Kleid draus gemacht. Dazu habe ich ihr gleich noch eine weiße Bluse mit Puffärmeln und grünem Durchzugsband genäht. Helga sieht in dem Kleid so frisch aus, dass ich meine Freude dran habe. Etwas Unnützes hängt nicht mehr rum und was Nützliches ist draus geworden. Gestopft und ausgebessert habe ich auch noch. Damit wird man ja nie fertig, immer kommt etwas Neues hinzu.
Das Wetter war heute auch nicht besonders. Meist Regen. Erst waren die Kinder oben, aber als das Wetter ein wenig aufhellte, habe ich sie rausgeschickt. Das ist ja eine Rasselbande. Sie stecken voller Übermut und Rauflust. Bei der Rumbalgerei wird das Regal weggestoßen, alles liegt kunterbunt durcheinander, man schwebt dauernd in Angst, sie rennen sich die Köpfe ein. Unten im Garten hebt sich Jörg die kleinen, heruntergefallenen Äpfel auf und ißt sie mit Appetit. Er findet, sie schmecken prima. Gegen drei von den Äpfeln hat er vor einigen Tagen zwei Fliegerhefte eingetauscht, die er gerne haben wollte. Die Äpfel waren ja für ihn leicht zu beschaffen.
                                                                                                                        22.7.

Heute hat sich das Wetter etwas gebessert. Da bin ich gleich am Morgen, als Helga noch schlief, mit Jörg in den Garten gegangen. Wir haben Tomaten angebunden und sonst sauber gemacht. Es hängen schon viele Tomaten an den Stöcken. Auch Gurken wird es viel geben. Die Pflanzen hängen voll Blüten und auch kleine Gurken hängen schon dran. Die ersten Stangenbohnen gibt es auch, das Kraut köpfelt sich überall. Also im Allgemeinen steht alles schön da.
Nachher will ich in´s Kino gehen. Die Kinder holen mich ab und kaufen inzwischen was für meinen Geburtstag ein. Sie wollten schon vorgestern gehen, aber da war es nichts geworden durch den Regen.
Der Briefträger hat mich heute wieder vergessen und hat mir nichts gebracht.
Nun laß mich schließen, damit ich mich noch fertig machen kann. Wahrscheinlich schreibe ich heute Abend noch.
Ich grüße und küsse dich recht sehr und denke immer an Dich, Deine Annie.

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