Donnerstag, 13. Juli 2017

Brief 373 vom 9.7.1942


Mein liebster Ernst!                                                                           Konstanz, 9.7.42

Heute schreibe ich dir wieder einen Flugpostbrief. Damit die 10g nicht überschritten werden, schreibe ich auf so dünnem Papier.
Ich möchte Deinen Flugpostbrief vom 29.6., den ich gestern erhielt, beantworten. Das ist immer wieder schön, wenn man mal schneller einen Brief bekommt. Gestern bin ich nicht mehr zum Schreiben gekommen. Ich war gegen Abend nochmal kurz im Garten und habe einige Kohlrabi gesetzt, Möhren und Winterrettich gesät. Weiter konnte ich nichts machen, denn mein Kopfweh war noch nicht weg. Heute geht es mir wieder gut. Ich war vorhin gerade in der Stadt und habe dir einige Zeitungen besorgt, die ich heute Nachmittag gleich wegschicke.
Du schreibst von den Kindern, dass es dir schon recht ist, dass Jörg sich nicht alles zu Herzen nimmt. Mir geht es auch so, und manchmal wünschte man, Helga bekäme etwas davon ab. Aber da geht ja leider nicht zu machen. Wenn sich Jörg mit seinen Taten in der Schule hervor tut, so will ich das ganz bestimmt nicht verhindern. Er ist doch ein Bub und soll ruhig ein bißchen rauhbautzig sein. Ein Muttersöhnchen will ich ja nicht erziehen. Man könnte ihn ja nicht einmal schimpfen, wenn sein Vater genau so Sachen gemacht hat, nicht wahr? Wenn er nichts Schlimmeres anstellt, geht es schon.
Bei der Gartenarbeit müssen die Kinder immer ein wenig mithelfen, wenn sie es auch nicht immer gerne tun. Manchmal macht es ihnen ja Freude, aber eben nicht immer. Zu viel lasse ich sie ja auch nicht tun, aber mal Unkraut heraus reißen oder wegschaffen, das ist ja nicht so anstrengend. Auch beim Beerenzupfen haben sie mir helfen müssen, das haben sie aber ganz gerne gemacht, weil sie ziemlich viel dabei essen durften.
Wie ich dir vorgestern schrieb, habe ich ja nun den Brief an Papa nicht weitergesandt, weil sich Papa und Siegfried soweit geeinigt haben. Ich wollte da nicht nochmals anfangen. Wenn du aber meinst, ich soll ihn weiterschicken, so mußt du mir nochmals schreiben. An Siegfried habe ich den Brief weitergeleitet und ihm dazu geschrieben, dass ich den Brief an Papa, von dem in deinem Brief die Rede ist, hier behalten habe. Ich werde ja sehen, was Papa auf meinen letzten Brief antwortet, von dem Du ja inzwischen den Durchschlag erhalten hast.
Wenn Du für Jörg zum Geburtstag 20.-Mk schickst, so werde ich zusehen, dass ich vielleicht etwas zum Anziehen für ihn bekomme, evtl. eine Jacke oder sowas. D.h., wenn sie jetzt im Sommer schon zu haben ist. Sonst lege ich ihm das Geld auf´s Sparkassenbuch, wie du schon geschrieben hast. Gestern habe ich gerade noch ein ganz einfaches Holzschiffchen  für Jörg bekommen können. Viel ist nicht dran, aber ich weiß, dass er sich so eins schon öfter gewünscht hat. Es kostete 1,50Mk., viel Geld, nicht wahr? Aber eine kleine Freude möchte man ihm doch machen. Und wenn es ihm nur gefällt, das ist ja die Hauptsache.
Wenn nichts dazwischen kommt, erhalten wir ja nun bald Besuch von Erna. Ich will ihr gerade heute noch schreiben, sie soll sich wegen einer Zulassungskarte erkundigen. Bei uns sind die Tage vom 21. Bis 27.7. frei. Vor und nachher braucht man eine Zulassungskarte, mit der man aber auch nur 150 Km fahren kann. Das ist sicher vor allem wegen dem Ferienanfang gemacht worden. Ich freue mich eigentlich schon, wenn Erna kommt. Da hab ich mal ein paar Tage jemand hier.
Dich wundert es, dass es Kirschen auf Karte gibt. Ja, da haben wir doch die Mangelwarenkarte. Auf 3 Nummern hat es Kirschen gegeben,  auf 2 Nummern Fisch. Auf einen Abschnitt mit Buchstaben gibt es Briefumschläge und Briefbogen usw. Außerdem haben wir ja auch noch die Haushaltungskarte für Obst und Gemüse. Da habe ich vorgestern Aprikosen bekommen und gestern 2 Wirsinge. In kurzer Zeit brauche ich ja nichts mehr zu kaufen, denn jetzt gibt es bald Bohnen. Ich denke, schon in einer halben Woche. Auch die neuen Kohlrabi sind bald soweit und ebenso die Möhren. Auch Erbsen habe ich nochmal. Bei Ausgabe der Haushaltungskarte wurde ja auch gefragt, ob man Selbstversorger ist. Ich habe aber gesagt, nur teilweise, denn so frühes Gemüse hätte ich doch nicht. Wie ich gesehen habe, haben es die anderen genauso gemacht. Wenn man selber ernten kann, kauft man sowieso nichts mehr. Aber die Karte läuft bis Dezember, und da ist man vielleicht doch froh, wenn man mal Pflaumen usw. bekommt. Denn bei sowas bin ich besonders für die Kinder scharf hinterher. Die sollen bekommen, was nur geht. Sie sind doch jetzt im wachsen. Da sollen sie nach Möglichkeit nichts entbehren.
Die Briefmarken, die du mir in einem der letzten Briefe mitgeschickt hast, hebe ich wieder im Album auf. Ich hatte es vergessen, Dir zu bestätigen, dass die Marken angekommen sind.
Nun kommen die Kinder bald Heim und ich will mit schreiben aufhören.
Ich grüße und küsse Dich, mein lieber Mann, recht herzlich Deine Annie.

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